Pavel Horak: Karriereende statt Meisterschale?

Seit zwei Wochen hat die Mannschaft des THW Kiel nicht mehr gemeinsam trainiert, ist sich selbst und den Trainingsplänen von Athletik-Coach Hinrich Brockmann überlassen. „Ich fühle mich nicht mehr wirklich wie ein Sportler, eher wie ein Kind. Ich habe nichts zu arbeiten, vertreibe mir die freie Zeit mit Videospielen, am Handy oder mit Büchern. Und wenn ich noch lange mit mir alleine bin, habe ich wahrscheinlich bald ein paar imaginäre Freunde“, sagt Pavel Horak, der 37-jährige Hüne mit dem Vollbart. Er sagt das, wie fast alles, mit einer ordentlichen Portion Humor, die in seinem Fall nicht mal Galgenhumor ist. Der Tscheche ist ein Weltmeister im Akzeptieren. Und so hat er sich eingerichtet in der Isolation, die in seinem Fall einer Quarantäne nahe kommt. Die Familie aus Freundin Lenka und den Söhnen Pavel und Jan lebt in Tschechien, der Abwehrspezialist in einer möblierten Wohnung in Kiel. Eine Heimreise ist derzeit nicht ohne mehrwöchige Quarantäne möglich. „Dass ich meine Familie nicht hier habe, ist schade“, sagt Horak. „Mit den Kindern hätte ich keine Zeit, mich zu langweilen.“ Mindestens eineinhalb Stunden Sport pro Tag: Besonders hart getroffen hat ihn die Schließung der Golfplätze in der vergangenen Woche. „Das war am dritten Tag des Einzeltrainings. Danach war klar, ich muss mir meinen Tag irgendwie strukturieren“, sagt er. Seither schläft er aus („Man hat ja keine Eile“), es folgt das Morgen-Telefonat mit der Familie in Tschechien und anschließend ein ausgedehntes Frühstück. Bevor es ans Training geht, schaut Horak eine Serie. „,Die wilden Siebziger’ kann ich empfehlen.“ Dann kommt der Brockmann-Plan zum Einsatz. Mindestens eineinhalb Stunden pro Tag widmet Horak Stretching, Yoga und Krafttraining, immer wieder steht auch Laufen auf dem Programm. Und danach? „Dann beginnt der Spaß. Ab und zu versuche ich auch mal zu kochen.“ Er lacht. „Für meinen Körper ist es gar nicht verkehrt, ein bisschen Entlastung zu bekommen“, sagt der 1,98-Meter-Mann, der seit fast 20 Jahren Handball-Profi ist und dessen Vertrag beim THW Kiel Ende Juni ausläuft. Ob er bis dahin noch einmal für die Zebras auflaufen wird? Fraglich. Offiziell pausiert die Bundesliga bis Ende April. Doch mit dem Fortschreiten der Coronavirus-Pandemie wachsen auch die Zweifel daran, dass sie zu Ende gespielt werden kann. Statt um Titel oder gegen den Abstieg kämpfen die Klubs ums finanzielle Überleben. Für eine Fortsetzung der Karriere muss für Horak "alles passen": Horak hatte sich ohnehin offen gelassen, ob er seine Karriere nach dieser Saison fortsetzt – und wo. „Sicher ist: Damit ich das mache, muss alles passen“, sagt er. Mit dem THW habe es vor der Krise nur unverbindliche Gespräche gegeben, er selbst sei noch nicht entschieden, was er wolle. „Und ich glaube nicht, dass jetzt ein Verein nach Spielern sucht.“ Lesen Sie auch: Aufsichtsrat Marc Weinstock - „Geisterspiele machen keinen Sinn“ Er sagt es gelassen, die Vorstellung, dass er beim 27:21-Sieg am 8. März über die Rhein-Neckar Löwen sein womöglich letztes Profi-Spiel bestritten haben könnte, stimmt ihn nicht wehmütig. „Das wäre dann ein sanftes Ausgleiten aus meiner Karriere“, sagt er, der – natürlich – noch keinen konkreten Plan für die Zeit danach hat. „Ich bin in einer Luxusposition. Ich habe einen Platz zum Leben, an den ich jederzeit zurückkehren kann.“ Zukunft als Hausmann: Sein Abitur hat er in Tschechien mit der Ausrichtung Maschinenbau abgelegt. „Aber das ist nichts, was ich unbedingt machen möchte.“ Die ersten Jahre nach der Karriere wird Horak deshalb aller Voraussicht nach als Hausmann verbringen. „Dann will ich Lenka nach drei Jahren ermöglichen, wieder arbeiten zu gehen“, sagt er. Selbst die Vorstellung, womöglich um die Krönung der Karriere, einen deutschen Meistertitel, gebracht worden zu sein, kann Horak nicht erschüttern. „Das Universum konnte wohl nicht mit ansehen, dass ich deutscher Meister werde“, sagt er lachend. Woher er seine Gelassenheit nimmt? „Ich bin ein alter Spieler, ich habe nicht mehr so viel Druck wie die jüngeren. Bei mir muss es nicht weitergehen mit Handball.“ Klarheit in zwei bis drei Monaten: Eine ähnlich ungewisse Situation hat er schon einmal erlebt, als junger Profi in Tschechien. „Da war dem Klub das Geld ausgegangen und wir mussten uns entscheiden, ob wir uns einen anderen Job suchen oder ob wir es weiter als Handballer versuchen.“ In zwei bis drei Monaten, glaubt Horak, herrsche mehr Klarheit. Bis dahin hält er sich weiter fit. Mit einer Gewissheit: „Bis jetzt ging es immer irgendwie weiter.“ Weitere Nachrichten vom THW Kiel lesen Sie hier.

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