THW-Kiel-Torwart Niklas Landin und der Meistertitel: Wie verhext

Niklas Landin, 31 Jahre alt, einer der besten Handball-Torhüter der Welt, Europameister, Weltmeister, Olympiasieger, hätte allen Grund, sauer zu sein. Zumindest enttäuscht. Oder ein bisschen missmutig. Seine Jagd nach dem deutschen Meistertiten scheint wie verhext. Seit er im Sommer 2012 in die Bundesliga wechselte ("Ich bin ja nach Deutschland gekommen, weil ich diesen Titel gewinnen wollte"), wurde er mit den Rhein-Neckar Löwen zunächst Dritter, dann zweimal Vizemeister hinter dem THW Kiel. Einmal fehlten Landin und den Löwen zwei Tore zum Titel, dann zwei Punkte. Dann wechselte der Däne zum THW Kiel, dem Rekordmeister. Dort musste es ja klappen. Er kam zu den Zebras, und prompt war der Titelreigen in Kiel vorbei - was nicht an Landins Leistung lag. Doch zwischen 2015 und 2019 erlebte der THW Kiel eine Meister-Flaute. Vier Jahre ohne den nationalen Triumph - das hatte es zuvor fast ein Vierteljahrhundert nicht gegeben. Mit den Zebras wurde Landin zweimal Dritter, dann Fünfter in der Liga. Meister in diesen Jahren? Zweimal sein Ex-Klub, die Rhein-Neckar Löwen. Dann der Nordrivale SG Flensburg-Handewitt. Landins Versprechen an die Fans: In Kiel gewann Landin auch Titel, wurde DHB-Pokal- und EHF-Cup-Sieger. Doch der Meistertitel fehlte. Dieser Titel, mit dem ein Sportler beweisen kann: Seht her, meine Mannschaft war in der stärksten Liga der Welt über eine ganze Saison hinweg die Allerbeste. Nur sechs Minuspunkte erlaubten sich die Kieler in der vergangenen Saison. Eigentlich meisterwürdig. Aber Flensburg war besser, um zwei Punkte. Gefeiert wurde in Kiel trotzdem. Der Pokalsieg, der EHF-Cup, der Abschied von Erfolgstrainer Alfred Gislason. Auf dem Rathausplatz mit den Fans, mit Mannschafts-Karaoke und viel Bier. Aber nicht auf dem Rathausbalkon - der ist Meistern vorbehalten. Nach der Feier blieb Niklas Landin gemeinsam mit seinem Kapitäns-Kollegen Domagoj Duvnjak vor einer Kneipe an einem Stehtisch mit Fans hängen, so erzählt er es. "Da habe ich ihnen gesagt, dass ich nicht freiwillig aus Kiel weggehe, bevor wir Meister geworden sind." Beste Saison der Karriere: Der Torwart tat alles, um dieses Versprechen einzulösen. Die Saison 2019/20 war auf Klub-Ebene die wohl beste seiner Karriere. Nicht selten hielt er um die 20 Bälle pro Partie. Die Leser auf KN-online wählten ihn zum Kieler Sportler des Jahres. Eine Ehre, die von den Handballern bislang nur Michael Krieter zuteil geworden war, ohne dass er zuvor einen Meistertitel mit dem THW Kiel gewonnen hatte. Am 8. März, beim Spiel gegen die Rhein-Neckar Löwen, Landins Ex-Klub, holten die Zebras Big Points im Meisterrennen, weil Landin und Co. in der zweiten Halbzeit nur sechs Gegentore zuließen. Der Vorsprung auf Flensburg blieb bei vier Minuspunkten, in der Liga machte sich endgültig das Gefühl breit, dass die Kieler auf dem Weg zum Titel nur noch sehr schwer aufzuhalten sind. Dann kam Corona, Veranstaltungsverbot, Saisonabbruch. Vergangenen Dienstag wurde der THW Kiel am grünen Tisch zum Meister erklärt. Lesen Sie auch: Wann in Schleswig-Holstein eine Maske getragen werden muss – und wann nicht So machen Sie sich eine Maske selbst – Mit Video 10 Regeln zum Tragen von Mund-Nasen-Schutz Hier können Sie in Kiel Masken kaufen Maskenpflicht: Großer Andrang auf Stoffläden in Kiel Maskenpflicht in Schleswig-Holstein: Kein Bußgeld bei Verstoß Corona-Frage des Tages: Sind Erziehern Masken verboten? Corona-Frage des Tages: Warum tragen Polizisten keine Masken? Corona-Frage des Tages: Masken in der Sauna – hilft das? Sohn Pelle wollte zum Rathaus: Während die Verantwortlichen tagten und diese Entscheidung endlich spruchreif wurde, war Niklas Landin mit Sohn Pelle (5) unterwegs, filmte den Nachwuchs beim Fahrradfahren, als die Whatsapp-Nachricht von THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi kam. "Ich musste erst warten, bis Pelle seine Runde zu Ende gedreht hatte, bevor ich lesen konnte, was Viktor geschrieben hatte", erzählt Landin, der - wie fast ganz Handball-Deutschland - schon geahnt hatte, was kommen würde: Meister, per Whatsapp. Corona-Meister. "Das war nicht so ein Highlight", gibt der Däne zu. "Es ist zwar richtig schön, dass ich den Titel jetzt habe. Ich finde, dass wir so gut gespielt haben, dass wir ihn auch verdient haben. Aber dass ich ihn so zum ersten Mal gewinne, das war nicht mein Traum." Auch nicht der von Sohn Pelle, dem ersten Ansprechpartner des frisch gebackenen Titelträgers. "Ich habe zu ihm gesagt: 'Wir sind jetzt Meister. Jetzt haben wir eine Goldmedaille.' Und Pelle hat sofort geantwortet: 'Jetzt müssen wir zum Rathaus!'" Dass man Papas Titel üblicherweise auf prunkvollen Balkonen feiert, hat Pelle spätestens im Januar 2019 verinnerlicht, als die Dänen im eigenen Land Weltmeister wurden und in Kopenhagen eine Riesenparty stieg. Newsletter der Kieler Nachrichten Kennen Sie schon die Post aus dem Newsroom? Den kostenfreien Newsletter der Kieler Nachrichten versenden wir Mo-Fr ab 17 Uhr. Hier können Sie sich für unser Mailing anmelden. Sie interessieren sich für Holstein Kiel? Dann melden Sie sich hier für den Newsletter " Holstein Kiel - Die Woche " kostenfrei an. Versand: jeden Freitag, 11.30 Uhr. Das Anstoßen fiel bei Niklas Landin aus: Eine solche Feier hatte Familie Landin sich auch für den ersten Meistertitel ausgemalt. Doch Corona macht alles anders. Zwar wehen auf dem Kieler Rathausbalkon seit Freitag THW-Flaggen. Doch an eine Party mit Zehntausenden Fans ist nicht zu denken. Noch nicht einmal privat stieß der Torwart auf den Titel an. "Meine Frau Liv und ich wollten eigentlich am Abend ein gutes Glas Wein trinken. Aber dann waren wir nach einem Tag spielen mit den Kindern ( Tochter Silje ist zwei Jahre alt, d. Red.) doch zu müde", sagt er. Niklas Landin könnte nun sauer sein, zumindest enttäuscht. Oder sich ein bisschen vom Schicksal betrogen fühlen. Nichts davon ist der Fall. Seine Emotionen mit Blick auf den Meistertitel beschreibt er mit ein paar Tagen Abstand als "leer". "Es gibt jetzt einfach Wichtigeres." Jetzt fehlt nur noch die Champions League: Längst hat er den Fokus nach vorne gerichtet, merkt an, dass nun nur noch der Champions-League-Titel in seiner Sammlung fehlt. Auch den könnte er mit dem THW Kiel rechnerisch noch in dieser Saison holen, auch wenn das Final Four erst im Dezember ausgetragen werden soll. Er hofft, im Juli mit seinen THW-Kollegen wieder in die Vorbereitung starten zu können. Bis dahin hält er sich zu Hause fit so gut es geht. Die Motivation ist unverändert. "Es ist gut, dass wir diese Saison gewonnen haben. Und der Titel zählt auch für mich", sagt Landin. "Aber jetzt möchte ich nächstes Jahr bis zum letzten Spieltag spielen, das Gefühl haben, wie einem nach den letzten 60 Minuten ein Stein vom Herzen fällt - und dann richtig feiern." Lesen Sie auch: Corona-Liveblog: So ist die aktuelle Lage in Schleswig-Holstein So viele bestätigte Corona-Fälle gibt es in Schleswig-Holstein Handel in Corona-Zeiten: Hier können Sie am Sonntag in SH einkaufen Corona-Maskenpflicht: Hier können Sie in Kiel Schutzmasken kaufen Rettungshubschrauber aus Rendsburg: Isoliertrage schützt Crew und Patienten vor Corona Profitieren Spiele-Entwickler aus Kiel von der Corona-Krise? 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