THW Kiel im Champions-League-Finale: Darauf kommt es gegen Barcelona an

Am Dienstagabend um 20.30 Uhr kann der THW Kiel Handball-Geschichte schreiben ( Hier geht es zum Liveticker ). Im Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona will sich das Team von Trainer Filip Jicha zum vierten Mal Europas Krone aufsetzen, den wichtigsten Titel im Vereinshandball holen. Die Voraussetzungen dafür sind auf dem Papier nicht die besten - hatte Gegner Barcelona doch mit dem dezimierten Paris St. Germain im Halbfinale am Montag leichteres Spiel als die Zebras, denen ihr Halbfinal-Krimi gegen Telekom Veszprém über 70 Minuten mit Verlängerung in den Knochen steckt. Doch die Kieler haben bewiesen, dass in Köln alles möglich ist und haben auch als Außenseiter eine Chance auf den Titel. KN-online erklärt, warum. Die Abwehr: Die Defensive ist das Prunkstück des Kieler Spiels. Und seit der Corona-Zwangspause der Zebras sind Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek spritziger denn je, können an guten Tagen jede Lücke im Innenblock schließen und ihre Nebenmänner mitreißen. Und: Nach einem ersten vorsichtigen Einsatz von Domagoj Duvnjak nach dessen Covid-19-Erkrankung steigerte sich der Kroate im Halbfinale gegen Veszprém, machte sich in der Schlussphase wie eh und je als Anführer verdient und spitzelte dem Gegner die entscheidenden Bälle aus den Händen, sodass sich der THW Kiel nach 24:28-Rückstand in die Verlängerung und schließlich ins Endspiel retten konnte. Diese kraftraubende 3:2:1-Formation könnte auch die verspielten Barca-Stars Aron Palmarsson und Luka Cindric gehörig nerven, wenn es den Kielern gelingt, die Katalanen ins Positionsspiel zu zwingen. Auf den Rückzug kommt es an: Dazu müssen die Zebras allerdings alle Kraftreserven mobilisieren. Denn keine Mannschaft spielt einen so rasanten Angriff wie Palmarsson und Co. Regelmäßig werfen sie über 40 Tore pro Partie - auch gegen Paris waren es im Halbfinale wieder 37. "Wir müssen einfach im Rückzug richtig schnell sein", sagt Steffen Weinhold, auf der rechten Halbposition ebenfalls ein wichtiger Baustein der Kieler Defensive. "Barcelona rennt und rennt. Wenn wir das unterbunden bekommen, ist das der Schlüssel." Lesen Sie auch: "Gekämpft wie die Löwen" - Die Stimmen zum Finaleinzug des THW Kiel Die Torhüter: Bei der Keeper-Leistung hat der THW Kiel in Köln noch Luft nach oben. Zwar war Niklas Landin mit einigen gehaltenen Bällen einer der Faktoren, der den guten Start, inklusive zwischenzeitlicher Sieben-Tore-Führung, gegen Veszprém ermöglichte. Doch zwischenzeitlich bekam der Däne keine Hand an den Ball, bei anderen hatte er Pech, war in der richtigen Ecke und dran, konnte den Treffer aber letztlich nicht verhindern. Für sechs Minuten und eine Parade kam im zweiten Durchgang Dario Quenstedt zwischen die Pfosten, Landin verzeichnete am Ende zehn gehaltene Würfe. Für einen Finalsieg wäre eine Leistung wie die von Veszpréms Rodrigo Corrales (17 Paraden) oder Landins dänischem Landsmann Kevin Möller beim FC Barcelona (14 Paraden, 1 tor) hilfreich. Dass Landin dazu in der Lage ist, hat der Welthandballer des Jahres 2019 schon oft genug bewiesen. Die Bank: Hier hat der THW Kiel einen großen Nachteil im Vergleich zum vollbesetzten Starensemble, auf das Barca-Trainer Xavi Pascual zurückgreifen kann. Während bei den Katalanen Spieler wie Cedric Sorhaindo, Luis Frade oder Timothey N'Guessan auf ihre Einwechslung warten müssen, sitzen auf der Zebra-Bank mit Malte Voigt, Leon Ciudad, Philipp Wäger und Oskar Sunnefeldt Spieler, die in der ursprünglichen Saisonplanung von Filip Jicha noch keine Rolle spielten. Nur Aushilfs-Linksaußen Voigt (27) vom Drittligisten TSV Altenholz hat aus seiner Ausbildungs-Zeit bei der SG Flensburg-Handewitt bereits ein bisschen Königsklassen-Erfahrung. Lesen Sie auch: Personalnot durch Corona: Diese Spieler sollen dem THW Kiel helfen Erinnerungen an 2007 werden wach: Doch dass die Kieler auch mit Rumpftruppen und Improvisationstalent Titel gewinnen können, bewiesen sie bereits 2007. Damals gewannen sie noch im alten Champions-League-Modus mit Hin- und Rückspiel mit nur sieben einsatzbereiten Feldspielern und gegen Nordrivalen SG Flensburg-Handewitt zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte die Königsklasse. Die Leader: Wer als Außenseiter in eine Partie geht, braucht auf dem Feld starke Anführer. Die Kieler haben einige davon: Mit Domagoj Duvnjak einen Kapitän, der selbst noch nicht ganz von der Covid-19-Erkrankung erholt gegen Veszprém bewies, dass er da ist, wenn es drauf ankommt. Mit Hendrik Pekeler am Kreis und in der Abwehr einen bisweilen unauffälligen, aber umso verlässlicheren Bollwerk- und Torgaranten, der sich im Halbfinale mit acht Treffern aus neun Versuchen und Kampf bis zum Umfallen für den 34:34-Ausgleich (67.) nach einem Weinhold-Abpraller in Bestform präsentierte. Mit Niclas Ekberg einen eiskalten Vollstrecker von Rechtsaußen und der Siebenmterlinie, der auf dem bestem Weg ist, sich die Torjägerkrone zu sichern. Mit Sander Sagosen einen Weltstar, der nach einem durchwachsenen Halbfinal-Auftritt mit schwacher 36-prozentiger Torausbeute (5 Treffer in 14 Versuchen), aber wichtigen Impulsen im Aufbauspiel umso heißer darauf sein dürfte, am Finaltag sein ganzes Können abzurufen. Der Titelhunger: Seit 2012 warten die Zebras darauf, die Champions-League-Trophäe wieder nach Kiel zu holen. Keiner der aktuellen Spieler im Kader hat sie mit den Zebras schon einmal gewonnen. Trainer Filip Jicha hingegen war 2010 in Köln bei der Erstauflage des Final Fours dabei, als der THW den Titel zum zweiten Mal gewann - mit einem 36:34-Final-Sieg über den FC Barcelona. Bester THW-Torschütze damals: Filip Jicha mit elf Toren. Nun könnte der Tscheche Geschichte schreiben und als erster Handballer sowohl als Spieler als auch als Trainer in Köln die Champions League gewinnen. Für Jicha, der das Trainer-Amt beim THW Kiel im Sommer 2019 übernahm, wäre es der erste internationale Titel als Coach. Ein Finale mit Tradition: Auch vor Jichas Zeit standen sich die beiden Traditionsklubs schon einmal im Königsklassen-Finale gegenüber. Dieses Duell ist den THW-Fans allerdings in eher traumatischer Erinnerung. Damals besiegten "Pitti" Petersen, Magnus Wislander und Co. die Spanier im Hinspiel in eigener Halle mit 28:25 und ärgerten sich anschließend maßlos, dass der Heimsieg nicht noch höher ausgefallen war. Denn im Palau Blaugrana kassierten sie beim 24:29 zwei Tore zu viel und mussten den Spaniern die Trophäe überlassen, die inzwischen mit acht Titeln Rekord-Champions-League-Sieger sind, inzwischen aber seit 2015 auf den nächsten Triumph warten. Lesen Sie auch: Das müssen Sie zum Final Four wissen Der letzte THW-Sieg gegen den Top-Klub datiert aus der Saison 2016/17, als die Kieler das Viertelfinal-Hinspiel mit 28:26 für sich entscheiden konnten, in Barcelona aber mit 18:23 unterlagen und ausschieden. Zwei Zebras im Kader wissen aber noch, wie es sich anfühlt, die Katalanen beim Final Four in Köln zu schlagen: Domagoj Duvnjak gewann mit dem HSV 2013 das Finale gegen Barcelona nach Verlängerung und Steffen Weinhold schlug die Spanier im Trikot der SG Flensburg-Handewitt im Jahr 2014 im Halbfinale nach Siebenmeterwerfen. THW-Trainer Filip Jicha ist sich jedenfalls sicher: "Wir wollen Barcelona im Finale stoppen. Und meine Spieler sind definitiv in der Lage, das zu tun." Zahlen und Fakten zum Prestige-Duell THW Kiel gegen FC Barcelona: Das Finale am Dienstagabend ist das 300. Champions-League-Spiel in der Vereinsgeschichte des THW Kiel. In den bisherigen 299 haben die Kieler 197 gewonnen, 21-mal unentschieden gespielt und 81 Niederlagen kassiert. Barcelona ist mit bislang 319 Königsklassen-Partien die erfahrenste Mannschaft in diesem Wettbewerb. Davon gewann Barca 242 Spiele, es gab 20 Remis und 57 Niederlagen. Zuletzt waren die Katalanen unglaubliche 22 Spiele in Folge siegreich. Der Final-Sieger erhält nicht nur eine halbe Million Euro Preisgeld (Zweitplatzierter 250.000 Euro), sondern stellt auch einen Rekord auf: Entweder der THW Kiel (2010 und 2012) oder der FC Barcelona (2011 und 2015) wären der erste Klub, der das Final Four in Köln zum dritten Mal gewinnt. 27-mal standen sich THW Kiel und FC Barcelona bereits gegenüber. 14 dieser Partien gewannen die Katalanen, elfmal jubelten die Zebras. Zweimal gab es ein Unentschieden. Das ist zumindest am Dienstag ausgeschlossen. Sollte die Partie nach 60 Minuten ausgeglichen sein, geht es in eine Verlängerung von zweimal fünf Minuten. Gibt es auch danach noch keinen Sieger, geht es ins Siebenmterwerfen. Für jede Seite treten fünf Schützen an. Ist die Trefferzahl auch danach auf beiden Seiten noch gleich, werden wieder je fünf Schützen benannt und nun so lange geworfen, bis der Schütze eines Teams verwirft und sein direkter Gegner verwandelt.

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