THW Kiel vs Nantes So schätzt Dominik Klein die Chancen seiner Ex-Klubs ein

Erst wurde Dominik Klein in seinen zehn Jahren beim THW Kiel (2006-2016) zum Publikumsliebling, schließlich spielte auch beim HBC Nantes (2016-2018) die vereinseigene Blaskapelle bayerische Schunkelmusik für den gebürtigen Miltenberger. Kein Wunder, dass der 36-Jährige, der mit dem THW Kiel alle Titel im Vereinshandball gewann, es sich nicht nehmen lässt, live in der Halle dabei zu sein, wenn die Zebras heute (18.45 Uhr) den französischen Spitzenklub empfangen. Wie hat sich die Corona-Krise auf Ihre Arbeit als Marketing-Geschäftsführer beim Bayerischen Handballverband ausgewirkt? Dominik Klein: Unsere Aufgabe war es, trotz Corona die Basis am Laufen zu halten. Wir haben versucht, so gut wie möglich darüber zu informieren, wie es weitergehen kann. Und wir haben mit „BHV fit Home“ ein Programm gestartet, um die Kinder zu Hause in Bewegung zu halten. Da habe ich auch bei uns zu Hause das Kinderzimmer kurzzeitig umfunktioniert und von dort aus Übungen vorgemacht. Zuletzt war die große Frage, wann der Spielbetrieb wieder anfängt. Das wird in Bayern nun am 3./4. Oktober der Fall sein. Es war auf jeden Fall eine intensive Zeit. Blicken wir auf den Profisport: Was erwarten Sie von dieser Saison nach der langen Corona-Pause? Als Ex-Sportler kann ich mir vorstellen, wie sehr die Jungs endlich wieder auf der Platte ihre Leistung zeigen und sich miteinander messen wollen. Ich weiß jetzt aber auch, dass man sich als Verantwortlicher ganz andere Gedanken macht. Die Tage, an denen die Coronatest-Ergebnisse kommen, sind sicherlich immer aufregend. Sportlich rechne ich damit, dass es eine Verletzungswelle geben wird. Das kennt man aus dem US-Sport, zum Beispiel als die NBA wegen Spielerstreiks länger pausiert hat. Beim THW Kiel hat man am Beispiel von Nikola Bilyk (Kreuzbandriss, d. Red.) leider auch schon gesehen, wie schnell das gehen kann. Man dachte, Niko kommt am fittesten aus der Pause, hat unfassbar gut trainiert. Und dann erwischt es ihn. Woran liegt das? Immerhin sagen viele Spieler, dass ihnen die Pause körperlich gutgetan hat. Aber trotz aller Arbeit an der Physis fehlte ja lange die Wettkampfhärte. Wenn man die regelmäßig hat, hat man auch ein ganz anderes Gefühl für den Körper, ganz andere Konzentrationshöhepunkte – und natürlich andere Bewegungen. Das könnte eine Rolle spielen. Mit dem THW und Nantes treffen jetzt die beiden Vereine aufeinander, in denen Sie die meisten Ihrer Profijahre verbracht haben. Wem drücken Sie die Daumen? Das ist schwer zu sagen, mein Herz schlägt für beide. Nach der Auslosung war mir sofort klar, dass ich diese beiden Gruppenspiele auf jeden Fall live in der Halle sehen möchte. Für mich wird es spannend, ehemalige Mitspieler wie Filip beim THW und Alberto Entrerrios bei Nantes als Trainer an der Seitenlinie zu sehen. Nicht nur das Spiel an sich interessiert mich, sondern auch die Nebengeräusche. Wie verhalten die beiden sich, wie ist die Interaktion in den Mannschaften – auf diese Details bin ich gespannt. Was für ein Spiel erwarten Sie? Die Rollenverteilung ist klar: Der THW Kiel ist die Heim-Mannschaft und ein Titelanwärter. Mit dem Puzzle-Teil Sander Sagosen hat er sich nun komplettiert und ist der THW, den man sich immer vorstellt und den ich als Spieler auch erleben durfte. Die Ansprüche dürften so hoch sein wie in unseren Triple-Saisons. Und Nantes kann die Underdog-Rolle ausnutzen. Die Mannschaft zeichnet aus, dass sie immer unbekümmert ist. Sie hat einen guten Mix aus jungen Spielern, die aus dem Nachwuchskader hochkommen. Alberto forciert das nun auch noch mehr. Und mit Eduardo Gurbindo und Kiril Lazarov sind auch Spieler dabei, die viel Erfahrung und Qualität mitbringen. Wie kann es eigentlich sein, dass Lazarov mit 40 Jahren noch immer auf diesem Niveau spielt? Ich habe ihn ja selbst erlebt. Er ist einfach ein Profi, hört auf seinen Körper, kriegt sich immer irgendwie fit. Und er hat diesen Hunger auf Erfolg. Das hält ihn frisch und gut und macht ihn zum Motor der Mannschaft. Was zeichnet Nantes sonst aus? Durch die Menge an jungen, guten Spielern, die immer wieder nachrücken, ist die Mannschaft sehr flexibel. Da kann auch mal ein Linkshänder auf der Mitte auftauchen. Und die Abwehr: Als ich mich vor meinem Wechsel dorthin bei Daniel Narcisse (damals THW-Mitspieler, d. Red.) über Nantes erkundigt habe, sagte er: „Oh, das tut immer weh. Gut, dass du dorthin gehst und nicht gegen sie spielen musst!“ Nantes spielt eine aggressive Abwehr, das ist der Baustein, auf den sie sich immer verlassen. Worauf freuen Sie sich bei Ihrem Besuch in Kiel besonders? Einfach, dass es wieder losgeht. Und zu beobachten, wie der THW sich entwickelt. Das Grundprinzip, wie sie spielen wollen, ist jetzt bekannt. Es ist schön, dass man den Spielern die Freude auf dem Feld ansieht, dass da gelacht wird. Und zu sehen, wie Spieler wie Duvnjak und Sagosen gemeinsam auf dem Feld stehen und sich gegenseitig Einsatzzeiten und Erfolgserlebnisse gönnen – das live zu sehen, darauf freue ich mich auch. Mehr zum THW Kiel lesen Sie hier.