Blick auf wahnsinnige Handball-Jahre

Oder eher: zwei atemlose Jahre. Verdichtet unter den Bedingungen der Corona-Pandemie. Champions-League-Start Mitte September, die auf 20 Teams aufgestockte Bundesliga plant ihren Spielbetrieb ab dem 1. Oktober. Hinzu kommen Supercup, die nachgeholten Final-Four-Turniere in der Königsklasse (Dezember) und im DHB-Pokal (Februar) sowie die vielen Auftritte mit der Nationalmannschaft: Qualifikation für die Europameisterschaft 2020 im November und unmittelbar vor der Weltmeisterschaft in Ägypten im Januar, Olympia-Qualifikation im März, Olympische Spiele in Tokio im Juli und August 2021 – und dann geht auch schon die nächste Saison los. Ein Handball-Wahnsinn! Vorbereitung auf gleich zwei Saisons: Steht also das Trainingslager in Graz für die Akteure von Bundestrainer Alfred Gislason dadurch unter ganz besonderen Vorzeichen? „Wir hatten insgesamt sehr, sehr viel Zeit, zu trainieren, haben uns auch schon vor dem Trainingsstart individuell vorbereitet. Am Ende sind es 15 Wochen, um uns fit zu machen, um dieses Pensum durchzustehen“, sagt Hendrik Pekeler. Der 29-jährige National-Kreisläufer empfindet eine „Verpflichtung sich selbst und der Mannschaft gegenüber“. Lesen Sie auch: Die Zebra-Korona ist wieder in Graz Auch seinem Kreis-Kollegen Patrick Wiencek hat die lange (Corona-) Pause gutgetan, die er auch nutzte, um sich am Meniskus operieren zu lassen. „Mir geht es körperlich besser als je zuvor, ich habe keine Schmerzen.“ Er habe sich aber auch viele Gedanken gemacht, „wie es weitergehen wird“. "Die nächsten zwei Jahre werden pausenlos aus Handball bestehen. Das Ziel muss erst einmal sein, bis Weihnachten durchzuziehen. Aber dann kommt gleich das Final Four in Köln, im Januar die EM-Quali, dann die WM in Ägypten“, zählt Wiencek auf, spricht von „zwei Lagern“ in Handball-Deutschland, was eine mögliche WM-Absage betrifft, freue sich aber erst einmal, „wieder auf dem Feld zu stehen“. Wiencek gibt sich wie seine THW-Kollegen diplomatisch, betont aber auch: „Wir müssen unsere Körper hinhalten und sollten darum mitentscheiden dürfen. Wir werden zwei Jahre lang keinen Urlaub haben, hatten jetzt aber auch vier Monate Zeit. Zeit, die wir so wahrscheinlich nie wieder haben werden. Man muss drüber nachdenken, was Sinn macht. Wir haben als Spieler eine Bringschuld für den Verein. Aber wenn ich fit bin, will ich natürlich auch eine WM oder Olympische Spiele spielen.“ Weinhold lebt im Hier und Jetzt: Linkshänder Steffen Weinhold ist in Graz im Hier und Jetzt. „Dass wir uns im Prinzip auf zwei Saisons vorbereiten, ist im Kopf noch ganz weit weg bei mir. Natürlich verfolge ich die Nachrichten, was Corona betrifft, aber ich versuche, die nicht zu sehr mit unserem Handballer-Leben zu verknüpfen“, sagt der 34-jährige Routinier. „Das würde die Motivation zu sehr hemmen.“ Aus Vereins- und Spielersicht sei es „naheliegend, zu sagen, die WM müsse abgesagt werden. Aber ich verstehe auch, dass die Nationalmannschaft das Zugpferd ist. Den Streit gab es doch auch schon ohne Corona, aber jeder Verband will natürlich ein großes Stück vom Kuchen.“ "Das wird nicht spurlos an uns vorbeigehen": Im August 2020 ist das alles noch weit weg. Weltmeisterschaft, Olympische Spiele, die Saison 2021/2022 sowieso. „Jetzt gerade fühle ich mich sehr gut und würde sagen: Ich kann alles spielen. Aber im Dezember bin ich vielleicht anderer Meinung. Ich werde genau auf mich und meinen Körper schauen“, sagt Steffen Weinhold. Ein Gefühl verbindet ihn mit seinen Kollegen: „Nach der langen Pause genieße ich es und bin dankbar, dass wir alle wieder zusammen sind.“ Und dennoch werfen die kommenden zwei Jahre ihre Schatten voraus. „Ich hoffe nur, dass die Verantwortlichen im Nachhinein nichts bereuen“, sagt Hendrik Pekeler mit Blick auf die Entscheidungen der Verbände. „Die nächsten zwei Jahre werden extra viele Körner kosten. Das wird nicht spurlos an uns vorbeigehen.“ Mehr zum THW Kiel lesen Sie hier.

THW-Nationalspieler - Blick auf wahnsinnige Handball-Jahre