Der Dirigent und sein Orchester

In fast grotesker Manier beherrschte der bis dato dreimalige Champion von der Förde die vermeintlich übermächtigen Katalanen. Grotesk, weil so viele Facetten gegen die Zebras sprachen: der alltägliche Bundesliga-Stress bis kurz vor Weihnachten, der dezimierte Kader, das strapaziöse Halbfinale, das gegen Veszprém erst nach Verlängerung (36:35) entschieden wurde. Auf der anderen Seite ein ausgeruhtes Barca, in der Liga kaum gefordert, seit Wochen hinarbeitend auf den Jahres-Höhepunkt, breit aufgestellt, im Halbfinale in lässiger Eleganz. „Konditionell sprach vieles gegen uns. Aber wir haben dennoch konditionell stärker gewirkt als beide Gegner“, sagte THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi. Lesen Sie auch: So feiert die Handball-Welt den THW Kiel Jicha, dem es als erstem Handballer gelang, die Champions League als Spieler und Trainer mit demselben Klub zu gewinnen, hatte seine Mannschaft in einen perfekten Fokus versetzt, seine Spieler mit taktischer Akribie eingestellt, ein ganz unverkrampftes 7:6-Format zu etwas Geschmeidigem veredelt. „So haben wir den Gegnern ihre Stärken genommen, sind am besten mit den besonderen Gegebenheiten umgegangen“, so Szilagyi. Meister Jicha traf den richtigen Nerv bei seinen Schülern. „Schon durch die Art und Weise, wie er auftritt, wie er sich selbst vorbereitet, wie er mit jedem Spieler einzeln spricht. Es ist nicht selbstverständlich, dass man in einem Champions-League-Finale auf den Punkt top eingestellt ist. Da muss man genau den richtigen Punkt treffen – und das hat er geschafft“, schwärmte Welthandballer Niklas Landin nach dem Schlusspfiff. Verantwortung auf vielen Schultern: Der dänische Keeper, der im Finale 16 Bälle parierte, strahlte im Endspiel als eines von zahlreichen Instrumenten im schwarz-weißen Orchester, die hier im Gleichklang, da mit aufreizenden Soli für die Musik sorgten. Im Kieler Crescendo der zweiten Halbzeit lastete die Verantwortung auf vielen Schultern, gebar Handball-Helden. Nicht nur die offensichtlichen: Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler, das Weltklasse-Innenblockduo. Pekeler wurde als MVP des Final Four ausgezeichnet. Oder den Königsklassen-Goalgetter Niclas Ekberg, Superstar Sander Sagosen, der ein famoses Finale spielte mit Übersicht und Kraft gegen die gegnerischen Kraftpakete an seinem Rockzipfel. Sagosens Übersicht, seine Dynamik waren Hauptbestandteil der Rückraum-Sinfonie. Herausragend auch Rune Dahmkes Intermezzo als „Diver“, der in elegantem Hechtsprung Barca-Keeper Gonzalo Pérez de Vargas in die Suppe spuckte. Szilagyi: "Haben viele Sympathien gewonnen": Und als Kräfte schwanden, das Abrutschen ins Mezzoforte drohte, rissen Haudegen wie Domagoj Duvnjak und Steffen Weinhold alles an sich. Linkshänder Weinhold komponierte seine Einzelleistungen in den wichtigsten Momenten, lenkte anschließend lieber den Blick auf andere. Auf Hendrik Pekeler: „Er hat die physischen Voraussetzungen, ist einfach unglaublich clever.“ Und auf Filip Jicha: „Filip hat uns zweimal taktisch top vorbereitet.“ Am Ende stand unter dem Dirigat des Tschechen eine Melodie, die auch Viktor Szilagyi in Verzückung versetzte: „Es hat alles gepasst. Alle hatten den Willen und die Bereitschaft, alles zu investieren. Ich denke, wir haben viele Sympathien gewonnen.“

THW-Trainer Filip Jicha - Der Dirigent und sein Orchester