Die ärgsten Konkurrenten um den Meistertitel waren an diesem Wochenende in der Bundesliga spielfrei. Bei einem deutlichen Sieg würden die Löwen am Donnerstag in jedem Fall wieder vorbeiziehen, aktuell hat der THW ein nur um einen Treffer besseres Torverhältnis. Bester Werfer im Kieler Dress war gegen Berlin der starke Kreisläufer Igor Anic mit fünf Treffern.
Nach dem „Schongang“ im Geisterspiel von Istanbul am Mittwoch zeigte sich THW-Coach Alfred Gislason am Sonnabendabend in der mit 10285 Zuschauern ausverkauften Sparkassen-Arena von seiner kompromisslosen Seite. „Keine Gefangenen“ schien das Motto zu lauten: Im Mittelblock sollte das kroatische Duo Ilija Brozovic und Blazenko Lackovic für Ordnung sorgen, flankiert von Igor Anic und Domagoj Duvnjak. Und die wie üblich offensiv interpretierte 6:0-Deckung fackelte in der Tat nicht lange, verschob schnell und mit viel Übersicht, störte das Berliner Positionsspiel. „Unser Plan war es, gut in Bewegung, gut ins Kreuzen zu kommen. Aber die Kieler sind so routiniert, die haben einfach extrem gut zugeschoben“, musste später auch Europameister Fabian Wiede anerkennen, der an diesem Tag mit zwei Treffern und einigen Fehlwürfen blass blieb.
Es sah zunächst nach Lehrstunde aus
So sah es beim 10:3 nach 18 Minuten nach einer regelrechten Kieler Lehrstunde gegen den Europapokal-Aspiranten aus der Hauptstadt aus. Der indisponierte Berliner Neuzugang Hans Lindberg saß da schon wieder auf der Bank, wurde auf Rechtsaußen von Mattias Zachrisson ersetzt, war vorher mit einem Siebenmeter am bärenstarken Niklas Landin gescheitert. Die Füchse warfen zu viele Bälle leichtfertig weg, setzten ihren Hoffnungen schon nach zehn Minuten lediglich in den genesenen Nationalspieler Paul Drux, die Zebras schöpften ihre Möglichkeiten in selten gesehener Manier aus: machten das Spiel breit, fanden die Außen, bewiesen viel Auge für den Kreis, wo Igor Anic sein bisher bestes Spiel für den THW in dieser Saison machte.
Anic hatte bis zur Pause bereits vier seiner fünf Treffer erzielt, wurde beim 14:10 (30.) sehenswert von Joan Cañellas in Szene gesetzt. Niklas Landin blickte – trotz Fingerverletzung – schon nach 30 Minuten auf elf Paraden. Dass die Füchse nach der Pause beim 14:11 (31.) und nach dem zwischenzeitlichen 17:11 (35.) noch einmal bis zum 20:17 (46.) auf drei Tore verkürzten? Beim derzeitigen Kieler Erschöpfungsgrad kaum zu vermeiden. Erlend Mamelund rückte nach der Pause neben dem unglaublich bereichernden Lackovic in den Mittelblock. Das klappte nicht allzu gut, Gislason stellte auf eine 3:2:1-Formation um. Im Angriff zog jetzt Cañellas die Fäden, während Silvio Heinevetter im Berliner Tor versuchte, Impulse zu setzen, von den Schiedsrichtern sogar wegen Meckerns auf die Strafbank geschickt wurde. Aber auch auf Seiten der Kieler war nicht alles Gold, was glänzt. Zugegeben, Marko Vujins einfache Tore bleiben eine Augenweide. Doch zweimal an diesem Tag wurde der Serbe als Fehler- und Fehlwurfproduzent von Gislason aus dem Geschehen genommen. Der Este Dener Jaanimaa konnte jedoch ebenfalls nicht die Akzente setzen wie zuletzt in Istanbul.
Dennoch ungefährdeter Sieg
Der Sieg geriet indes nie in Gefahr. Weil die Zebras variantenreich blieben. Schönstes Tor des Tages: Per Rückhandwurf im Fallen traf Igor Anic sehenswert zum 21:17 (46.). Im Anschluss legte Domagoj Duvnjak nach einem seiner berühmten „Wackler“ zum 22:17 nach (48.), Landin entschärfte prompt einen Tempogegenstoß gegen Petar Nenadic, hielt sich zwischenzeitlich in einen 23-Paraden-Rausch. Niclas Ekberg, noch einmal Vujin – beim 24:18 (54.) war der ungefährdete Sieg endgültig gesichert, die Fans sangen „Schwarz und Weiß“, blieben längst nicht mehr auf ihren Sitzen. „Jetzt sind wir Erster, das ist schön. Aber Meister sind wir noch lange nicht. Und das haben wir uns vorgenommen“, sagte Igor Anic nach dem Spiel. Und während Füchse-Sportkoordinator Volker Zerbe mit der Anfangs-Viertelstunde haderte („Da haben wir den Anschluss verpasst“), äußerte sich Alfred Gislason „sehr, sehr stolz auf die Mannschaft“. „Die Mannschaft hat gekämpft, ich war sehr zufrieden mit der Abwehrleistung, und Niklas Landin war überragend. Das war wichtig im Kanpf und die Meisterschaft und verdient höchste Anerkennung.“
Nächster Gegner ist am Donnerstag (19.30 Uhr, Sparkassen-Arena) Zagreb in der Champions League. Da haben die Kieler noch eine Rechnung aus dem Hinspiel zu begleichen.
Statistik THW Kiel – Füchse Berlin 26:21 (14:10)
THW Kiel: Landin (1.-60. Minute/23 Paraden), Katsigiannis n.e. – Duvnjak 4, Lackovic 1, Mamelund, Sprenger n.e., Ekberg 4, Anic 5, Cañellas 1, Dahmke 4, Jaanimaa, Klein n.e., Brozovic 3, Vujin 4/1.
Füchse Berlin: Heinevetter (1.-33. und ab 35. Minute/11 Paraden), Stochl (33.-35./0) – Wiede 2, Elisson 1, Vukovic 1, Gojun 2, Nenadic 6/2, Tønnesen, Plaza Jimenez 1, Lindberg, Zachrisson 2, Nielsen 4, Drux 2.
Schiedsrichter: Immel/Klein (Ratingen/Tönisvorst) – Strafminuten: THW 6 (Anic, Lackovic, Vujin), Füchse 8 (Gojun, Vukovic, Heinevetter, Zachrisson) – Siebenmeter: THW 1/1, Füchse 4/2 (Landin pariert Lindberg und Nenadic) – Spielfilm: 2:0, 6:1 (8.), 10:3 (18.), 10:5, 12:6 (23.), 12:9 (28.), 14:10 – 17:11 (35.), 17:13, 19:16 (42.), 20:17 (46.), 24:18 (54.), 25:19, 25:21 (59.), 26:21 – Zuschauer: 10285 in der Sparkassen-Arena.