Spaziergang durch den Grundriss: Wie man sich das eigene Haus besser vorstellen kann
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Das Unternehmen Grundriss in Lebensgröße projiziert Grundrisse auf den Boden.
© Quelle: Grundriss in Lebensgröße GmbH
Berlin/Grünwald/Bad Honnef. Wer baut, stößt mit seiner Fantasie oft an Grenzen. Wie das neue Zuhause aussehen wird, ist für viele Menschen schwer vorstellbar, wenn lediglich Pläne vorliegen. Hilfreich können Modelle und Visualisierungen sein, die von vielen Firmen und Architekturbüros angeboten werden. Mittlerweile gibt es sogar die Möglichkeit, den geplanten Grundriss im Maßstab eins zu eins zu erleben.
Das Unternehmen Grundriss in Lebensgröße hat dafür in Berlin, Köln, Hannover, Frankfurt, München, Stuttgart und Erfurt Hallen angemietet. Dort werden mittels Projektoren Grundrisse auf den Boden geworfen. Außerdem werden verschiebbare Wände und Standardmöbel aus Pappe aufgestellt. „Grundsätzlich ist alles machbar“, sagt Pressesprecherin Laura Rogowska. So können zum Beispiel auch mehrgeschossige Häuser dargestellt werden. In der Regel verschicken Baufirmen oder Architekturbüros vor dem Besuch bereits vorhandene Pläne in digitaler Form. Es ist aber auch möglich, gemeinsam mit dem Anbieter einen Grundriss zu entwickeln.
Vor allem Küchen und Bäder entpuppen sich oft als „Problemzonen“
An dem vereinbarten Termin erhalten die Kundinnen und Kunden so viel Zeit, wie sie benötigen. In einigen Hallen bieten Emporen einen Blick aus der Vogelperspektive auf den Grundriss. Anschließend treten die Bauherrinnen und Bauherren in spe durch die virtuelle Eingangstür: „Die Kundinnen und Kunden müssen sich in der Regel erst einmal orientieren“, berichtet Rogowska. Vielen zaubere der Rundgang durch die Zimmer ein Lächeln ins Gesicht, weil sie zum ersten Mal einen realistischen Eindruck von ihrem neuen Zuhause erhielten.
Aber die Besucherinnen und Besucher merken auch, wenn etwas nicht stimmt oder nicht ihren Wünschen entspricht. Vor allem Küchen und Bäder entpuppten sich oft als „Problemzonen“, sagt Rogowska. In der Regel werden mehrere Änderungen vorgenommen. Diese können mit den Angestellten vor Ort besprochen werden. Praktisch: Sanitärobjekte, Möbel und Wände können gleich verrückt und die neue Anordnung ausprobiert werden. Den Preis für den Service erfahren Kundinnen und Kunden im Gespräch mit der Firma. Die Ausgabe sei auf jeden Fall sinnvoll, meint Rogowska: „Die Kosten, die bei einem späteren Umbau entstehen, liegen wesentlich höher.“
3‑D-Programme für zu Hause „problematisch“
Die niedersächsische Architektenkammer hält dieses Angebot durchaus für hilfreich. „Wir empfehlen aber die professionelle Begleitung durch eine Architektin oder einen Architekten“, sagt Vorstandsmitglied Michael Sauer. Problematischer findet er etwa 3‑D-Programme, mit deren Hilfe Häuser visualisiert und eingerichtet werden: „Damit werden oftmals Wünsche geweckt, die später in der Umsetzung schnell zu teuer werden können.“ Auch entstehe selten ein Gefühl für Proportionen. Das Gespräch mit Fachleuten könnten solche Programme nicht ersetzen, betont er.
Einrichten mit dem Smartphone
Digitale Anwendungen zum Entwerfen von Häusern und zum Einrichten von Räumen sind mittlerweile vielfach erhältlich. Es gibt sie als App fürs Smartphone und Tablet sowie als Programme für Mac und PC. Meist zeigen sie dreidimensionale Bilder und arbeiten nach der Drag-and-drop-Methode. Einige ermöglichen sogar virtuelle Rundgänge mit einer speziellen VR-Brille. Viele Anwendungen können kostenlos aus dem Internet heruntergeladen oder online genutzt werden. Zwischen den Anwendungen bestehen viele Unterschiede: So bieten einige 3‑D-Raumplaner in einer Galerie neutrale, standardisierte Möbel, die farblich oder in der Größe geändert werden können. Andere enthalten eine Auswahl von Produkten namhafter Hersteller, die mitunter sofort zu bestellen sind.
Visualisierungen gehörten mittlerweile zum Standard, sagt Pia A. Döll, Präsidentin des Bundes deutscher Innenarchitekten (BDIA): „Wir Menschen sind es gewohnt, fertige Bilder zu haben und mit ihnen zu arbeiten.“ Allerdings vermittelten diese kaum sinnliche Eindrücke. „Wie Räume emotional wirken, kann man erst erfassen, wenn man im Rohbau steht“, ist sie überzeugt. Vor allem ältere Menschen täten sich schwer mit den neuen Medien, führt Döll weiter aus. Sie selbst erfasst die Wünsche und Lebensgewohnheiten ihrer Kundinnen und Kunden lieber im persönlichen Gespräch und bringt deren Vorstellungen in Skizzen aufs Papier. „Das geht vom Herzen direkt in die Hand“, sagt sie. Der Vorteil von Computerprogrammen sei aber grundsätzlich, dass es bereits eine Beschäftigung mit den Themen Grundriss und Einrichten gab und Innenarchitektinnen und Innenarchitekten dort ansetzen könnten.
Wie wirkt die Farbe, passt der Griff zum Schrank?
Das sieht Jan Kurth, Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie, ähnlich: „Die anschließende Beratung im Handel wird erleichtert, weil sich die Kunden bereits mit ihren Einrichtungswünschen und deren Umsetzbarkeit beschäftigt haben.“ Viele Hersteller und Händler verwenden virtuelle Planungstools, um insbesondere Küchen einzurichten. Damit könne auch gleich die Wirkung verschiedener Farben, Dekore und Griffe ausprobiert werden, erläutert Kurth. Begehbare Grundrisse hält er insofern für sinnvoll, als dort die vorgesehenen Abstände zwischen den Möbeln getestet werden können.
Ein weiteres technisches Hilfsmittel zur Veranschaulichung seien Augmented-Reality-Lösungen, sagt Kurth. Sie kommen bereits im Onlinemöbelhandel zum Einsatz. Damit kann zum Beispiel ein virtuelles Sofa in einem dreidimensionalen Abbild des eigenen Wohnzimmers platziert und betrachtet werden. Außerdem ist es möglich, sich verschiedene Stoffe und Farben anzeigen zu lassen. In der Architektur wird mittlerweile auch mit Building-Information-Modeling gearbeitet, erklärt Sauer. Damit könnten alle Beteiligten am selben digitalen Modell arbeiten. Das komme zwar selten im Einfamilienhausbau, aber immer öfter bei Großprojekten zum Einsatz.