Für einen guten Zweck: Hacker knacken Beatmungsgeräte
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Ein Klinikarzt in Baden-Württemberg an einer Beatmungsmaschine.
© Quelle: Marijan Murat/dpa
Krankenhäuser weltweit kämpfen mit einem potenziell tödlichen Mangel: der ungenügenden Versorgung mit Beatmungsgeräten, die auch eine maschinelle Beatmung zulassen, wenn der Patient zur Spontan-Atmung nicht mehr in der Lage ist. Dagegen gibt es sogenannte Atemassistenz-Geräte, also Maschinen, die eine unzulängliche Spontan-Atmung unterstützen. Diese CPAP-Geräte – CPAP steht für Continuous Positive Airway Pressure, also kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck – werden etwa gegen Schlaf-Apnoe eingesetzt und gelten als nicht geeignet für eine lebensrettende Beatmung.
Der Programmierer und Datenforscher Trammell Hudson hat in diesem Zusammenhang das populärste CPAP-Gerät unter die Lupe genommen, das AirSense 10 – und dabei eine erstaunliche Entdeckung gemacht, wie die Website arstechnica vermeldet. Obwohl der Hersteller von AirSense 10 auf seiner Website behauptet, sein Gerät würde “einer starken Überarbeitung bedürfen, um als Beatmungsgerät zu funktionieren” sind laut Hudson bereits viele Beatmungsfunktionen in der Firmware des Geräts enthalten.
Der Hersteller ResMed sagt, das Gerät, das in Deutschland 990 Euro kostet, funktioniere nur zur Gewährleistung eines kontinuierlichen Atemwegsdrucks zur Vermeidung von Schlaf-Apnoe, indem es Luft in eine Maske leite – und nicht als Beatmungsmaschine. AirSense 10 sei nicht in der Lage, Luft aus der Maske abzusaugen wie komplexere Systeme.
Ohne die Option, in beide Richtungen zu funktionieren und gegebenenfalls den Ausstoß zu erhöhen, könne die AirSense 10 nicht als Beatmungsgerät für Patienten genutzt werden, die Atemnot haben. Doch Hudson sagt, nachdem er die Firmware umkonstruiert habe, stimme das schlicht nicht mehr.
Um seine Entdeckung zu demonstrieren, veröffentlichte Hudson am Dienstag einen sogenannten Patch, der versteckte Funktionen innerhalb der AirSense freischaltet. Der Patch trägt den Namen Airbreak – in Anspielung auf die populären Jailbreak-Patches, mit denen Hacker die Sperren bei iPhones und iPads aufheben, um so die Systemarchitektur modifizieren zu können. Während aber Jailbreaks die Installation nicht autorisierter Software und die Manipulation der Systemstruktur ermöglichen, macht Airbreak aus der AirSense 10 eine Zweiwege-Atemwegsdruck-Maschine, eine sogenannte BiPAP.
Hudson und sein Forscherteam schreiben auf ihrer Website, dass “unsere Änderungen die AirSense S10 beinahe auf Augenhöhe mit BiPAP-Geräten desselben Herstellers bringen. Wir vervielfachen den maximalen Ausgangsdruck und schaffen einen Ansatz, weitere spezifische Notfall-Beatmungsfunktionen zu ergänzen."
Zweiwege-Atemwegsdruck-Geräte werden normalerweise nicht für die Behandlung von Covid-19-Patienten zugelassen. Aber aufgrund des Mangels an invasiven Beatmungsgeräten, also denjenigen, bei denen Patienten intubiert sind, um beatmet zu werden, hat die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA eine zeitlich begrenzte Genehmigung der BiPAP-Geräte zu Beatmung von Covid-19-Patienten erteilt.
Voraussetzung für diese Genehmigung sind Filter, die eine Verteilung des Virus verhindern. Jetzt haben sich gleich mehrere Organisationen an die Umrüstung der Geräte gemacht. Die Mobilisierung Hunderttausender günstiger CPAP-Beatmungsgeräte könnte perspektivisch die verzweifelte Lage in vielen Krankenhäusern zumindest lindern.
Umwandlung günstiger Beatmungsgeräte übers Digitale?
Allerdings ist auch den Forschern um Trammell Hudson klar, dass Airbreak nicht bei Geräten angewandt werden sollte, die Covid-19-Patienten behandeln – noch nicht. Das Ziel der Gruppe ist es, zu beweisen, dass AirSense 10 über Notfall-Beatmungsfunktionen verfügt. Am liebsten wäre ihnen nach eigener Aussage, dass Resmed bald ein eigenes Firmware-Update veröffentlicht, dass die Beatmungsfunktionen freigibt.
Bei ResMed bleibt man skeptisch. Auf die Frage von arstechnica, ob man denn willens sei, mit den Digitalexperten bei der Umwandlung der günstigen Geräte zu kooperieren, sagte Sprecherin Tracy Moehnke: “Wir untersuchen diese Option bereits, aber unser Hauptaugenmerk liegt weiterhin darauf, die Produktion unserer aktuellen Beatmungsgeräte, Masken und deren Zubehör zu maximieren."