Long Way North, Teil zwei

Das Wettrennen Wasserstoff gegen Elektroantrieb auf der Marathonetappe nach Stockholm

Kurz vereint auf dem Weg nach Stockholm: der Volco C40 und der Toyota Mirai in Schweden zwischen Mariestad und Stockholm.

Kurz vereint auf dem Weg nach Stockholm: der Volco C40 und der Toyota Mirai in Schweden zwischen Mariestad und Stockholm.

Tag drei

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Die absolute Marathonetappe: Kopenhagen – Göteborg – Stockholm. Für den Volvo bedeutet das eine Distanz von 787 Kilometern, für den Mirai sogar 805 Kilometer, da er eine abseits der Strecke gelegene Wasserstofftankstelle ansteuern muss. Sowohl die technischen Systeme als auch die Fahrer werden heute an ihre Schmerzgrenze gehen. Der Volvo, weil die langsam konstant unter den Gefrierpunkt sinkenden Temperaturen der Batterie arg zusetzen, und der Mirai, weil die Distanzen zwischen den einzelnen Tankstellen jetzt immer länger werden. Zu lang, denn die versprochenen Reichweiten haben sich im Verlauf der letzten Tage als illusorisch erwiesen.

Mehr als 350 Kilometer mit einer Tankfüllung waren bisher einfach nicht drin. Und jetzt liegen teilweise mehr als 400 Kilometer zwischen den Tankstellen. Wie soll das gehen? Die nächste Hiobsbotschaft folgt auf dem Fuß: Die Zapfanlage in Göteborg ist außer Betrieb. Gut, dann eben direkt nach Stockholm mit Umweg über Mariestad, der einzigen Wasserstofftankstelle weit und breit. 440 Kilometer! Erschwerend kommt noch hinzu, dass auch Mariestad eventuell nicht richtig funktioniert. Schon seit Tagen sind wir mit dem Betreiber in telefonischem Kontakt und verlassen Kopenhagen mit der Hoffnung, dass die Techniker es in den nächsten Stunden noch schaffen, die Anlage zum Laufen zu bringen. Die Unruhe beim Team Wasserstoff wächst.

In diesem Moment wird das Rennen zur Nebensache. Da dem Mirai permanent das Liegenbleiben droht, bleibt der Volvo in der Nähe, damit Julia notfalls Taxi spielen kann. Im Mirai wird unterdessen auf „Extreme Mode“ geschaltet und alles getan, um den Verbrauch aufs absolute Minimum zu drücken: Sämtliche Zusatzverbraucher aus, Heizung auf Null. Windschatten spendet ab sofort das Begleitfahrzeug des mitreisenden Kamerateams, das direkt vor den Mirai gespannt wird. Höchstgeschwindigkeit 80 km/h (was auf den folgenden 1500 Autobahnkilometern zu einem farbigen Strauß an Reaktionen wütender Auto- und Lkw-Fahrer führen wird). Aber es hilft nix, jetzt ist Überlebenskampf angesagt.

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Autojournalist Christof Johann nimmt sogar Frieren im noch winterlichen Skandinavien für eine verlängerte Reichweite in Kauf. Die Heizung bleibt aus.

Autojournalist Christof Johann nimmt sogar Frieren im noch winterlichen Skandinavien für eine verlängerte Reichweite in Kauf. Die Heizung bleibt aus.

Exkurs: Göteborg – sinnvolles Zweitleben der Batterien

Göteborg wird also erst auf der Rückreise angelaufen, aber sollte sich lohnen. Zwei Projekte zeigen, dass auch batterieelektrischer Antrieb bei Autos noch enormes Entwicklungspotential bietet. Beispiel: Batteriereparaturen. Im Volvo-Werk Torslanda beschäftigt sich eine ganze Abteilung damit, defekte Antriebsbatterien zu reparieren und als Austauschbatterien wieder in den Kreislauf zu bringen. Denn die Defekte betreffen fast immer nur einzelne Module, aus denen sich der Akku zusammensetzt.

Diese können vom Volvo-Team identifiziert und problemlos ausgetauscht werden. Danach werden die Batterien komplett durchgemessen und gehen als Volvo-Original-Austauschteil wieder an die die Werkstätten. Ihr größtes Problem derzeit: Lieferprobleme. Aber nicht, dass Halbleiter oder seltene Erden fehlten, nein, es mangelt an defekten Batterien. Der Anfall ist aktuell so gering, dass hier niemand unter Arbeitsverdichtung zu leiden scheint. Traktionsbatterien sind viel langlebiger und widerstandsfähiger als manche Elektroskeptiker befürchten.

Und ist der Akku doch eines Tages erschöpft, bietet sich immer noch die Chance auf ein sinnvolles zweites Leben. Der Stena-Konzern hat die Tiefgarage eines neuen Bürokomplexes komplett elektrifiziert und animiert seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Umstieg auf Elektroautos. In der Garage hat jeder Stellplatz eine 11-kW-Wallbox. Was dazu führt, dass jeden Morgen, wenn die Mitarbeitenden ihre Autos anschließen, ein enorm hoher Strombedarf entsteht, sogenannte Lastspitzen. Um diese abzupuffern, dient ein unscheinbarer schwarzer Container in der Ecke. Darin befinden sich fünf ausgediente Volvo-Antriebsbatterien. Für ihre Dienste im Auto zu altersschwach, leisten sie hier als Pufferbatterien noch jahrelang gute Dienste zur Stabilisierung des Stromnetzes. „Antriebsbatterien haben am Ende ihres Autolebens noch 70 bis 90 Prozent Ladekapazität. Indem wir die Batterien hier als Puffer weiter nutzen, sparen wir enorme Mengen an Ressourcen wie Energie, Metalle, seltene Erden usw.“, so Johan (in Schweden langt der Vorname) von Stena. Eine technisch einfache Lösung mit großer Bedeutung in Zeiten wachsender Rohstoffknappheit.

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An der Wasserstofftankstelle steht „außer Betrieb“

Im Mirai ist unterdessen die große Kälte ausgebrochen. Christof fährt in Daunenjacke, Fellmütze und Handschuhen und Stoßstange an Stoßstange quält sich der kleine Konvoi mit Tempo 80 gen Mariestad. Die H₂-Zapfsäule grüßt schon von Weitem mit blinkendem rotem Licht. „Out of order“. Nicht in Betrieb. Das Ende der Reise? Nicht ganz, denn jetzt geschieht etwas, das den weiteren Verlauf der Reise prägen wird: Irgendwer hilft immer.

Klappt es mit dem Wasserstofftanken? Es droht der Abbruch der Fahrt, denn die Anlage signalisiert: „Außer Betrieb“.

Klappt es mit dem Wasserstofftanken? Es droht der Abbruch der Fahrt, denn die Anlage signalisiert: „Außer Betrieb“.

Diesmal genügt ein Anruf bei Harald, mit dem das Team schon seit zwei Tagen in Kontakt steht wegen der Betriebsbereitschaft der Tankstelle. Harald hat inzwischen alle Hebel in Bewegung gesetzt und Techniker Henry dazugeschaltet. Jetzt steuern sie die Anlage fern – und den Fahrer gleich mit. „Bitte Zapfhahn einhängen, Christof“. „Jetzt grünen Knopf drücken.“ „Bitte zurückstecken und nochmal.“ Und siehe da: Nach wenigen Minuten beginnt zischend die Befüllung und es fließen umgerechnet rund 2,5 kg in die Tanks. Das ist zwar nur die Hälfte des möglichen, müsste aber im „Extreme Mode“ bis Stockholm-Arlanda reichen. Was es auch tut, bis in Arlanda das Spiel erneut beginnt …

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