Häufig verwendeter Zuckerersatz

Erythrit: Trägt der Süßstoff zu Herzinfarkt und Schlaganfall bei?

Die Beinahe-Zucker­doppelgänger: Xylit und Erythrit.

Die Beinahe-Zucker­doppelgänger: Xylit und Erythrit.

Cleveland/Berlin. Der Süßstoff Erythrit wird seit Langem in Dutzenden Ländern und vielen Diät­lebensmitteln als Zuckerersatz verwendet. Nun deutet eine Studie darauf hin, dass der Stoff das Thrombose­risiko deutlich steigern kann – und damit die Gefahr für Herzinfarkt und Schlaganfall. Dies sei besonders beunruhigend angesichts der Tatsache, dass der Süßstoff sich gerade an Menschen etwa mit Diabetes, Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen richte, die ohnehin besonders gefährdet seien, schreibt das Forschungsteam.

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Die Sicherheit des Zucker­ersatzes müsse überprüft werden, mahnt das internationale Team um Stanley Hazen von der Cleveland Clinic im Fachblatt „Nature Medicine“. Thomas Eschenhagen vom Hamburger Universitäts­klinikum Eppendorf, der nicht an der Studie beteiligt war, spricht von einem „Warnzeichen“. „Die Studie ist ausgesprochen wichtig, weil Millionen Menschen diesen Süßstoff täglich nehmen“, sagt der Pharmakologe, der dem wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung angehört.

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Gängiger Zuckerersatz

Künstliche Süßstoffe würden zunehmend Erfrischungs­getränken und anderen Lebensmitteln zugegeben, schreibt das Team, darunter Forscher und Forscherinnen mehrerer deutscher Einrichtungen wie etwa der Berliner Charité. Allerdings häuften sich Hinweise auf unerwünschte Nebenwirkungen solcher Stoffe allgemein, darunter Gewichts­zunahme, Insulin­resistenz, Diabetes oder Herz-Kreislauf-Probleme.

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Erythrit – auch als Erythritol oder E 968 bezeichnet – ist ein gängiger Zucker­ersatz, der nicht nur in Diätgetränken enthalten ist, sondern auch etwa in kalorienarmer Eiscreme oder Schokolade. Der Stoff wird kaum verstoffwechselt, sondern mit dem Urin ausgeschieden und gilt daher als fast kalorienfrei. Die Substanz, die man im Internet kiloweise kaufen kann, wird auch vom Körper selbst gebildet, allerdings in sehr geringen Mengen.

Thrombosegefahr soll untersucht werden

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hält etwa bei nicht alkoholischen Getränken einen Zusatz von 1,6 Prozent für unbedenklich – das entspricht 16 Gramm Erythrit pro Liter. Auch wenn solche Stoffe von den Zulassungs­behörden als sicher eingestuft würden, schreibt das Team um Hazen, sei tatsächlich nur wenig über ihre Langzeit­folgen bekannt. So gab es demnach bislang keine Studien zur Thrombose­gefahr. Dies prüfte das Forschungsteam nun gezielt.

Zunächst lieferten Daten von knapp 1200 Teilnehmern und Teilnehmerinnen mit erhöhtem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einen deutlichen Verdacht, dass hohe Erythrit­werte im Blut gehäuft mit Herzinfarkten und Schlaganfällen einhergingen. Analysen bei zwei weiteren großen Gruppen – gut 2100 Menschen aus den USA und mehr als 800 aus Europa, ebenfalls besonders gefährdet für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – bestätigten diesen Zusammenhang.

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Dies galt auch dann, wenn Risiko­faktoren der Teilnehmer und Teilnehmerinnen berücksichtigt wurden. Generell war die Gefahr für Schlaganfall und Herzinfarkt bei jenen Menschen mit besonders hohen Werten etwa doppelt so hoch wie bei jenen mit besonders niedrigen Konzentrationen. Dieser Befund galt für Männer wie für Frauen und auch für weitere Teilgruppen, etwa Alters- oder Gewichtsgruppen.

A woman with diabetes injects insulin with insulin injection device into the subcutaneous tissue of abdomen

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Herzerkrankungen sind weltweit führende Todesursache

Labor­versuchen zufolge verstärkt der Süßstoff die Zusammenlagerung (Aggregation) von Blutplättchen und die Tendenz zu Blutgerinnung. Dies steigert die Gefahr für den Verschluss eines Blutgefäßes (Thrombose) und damit für Durchblutungs­störungen am Herzen oder im Gehirn. Nach dem Konsum eines typischen erythrithaltigen Getränks stiegen die Erythrit­werte im Blutplasma von acht gesunden Probanden für mehrere Stunden um etwas das 1000-Fache und blieben für die Dauer von zwei Tagen deutlich erhöht.

„Verschiedene Belege zeigen, dass erhöhte Erythrit­werte direkt zu einer erhöhten Plättchen­reaktivität und einem erhöhten Thrombose­risiko beitragen“, schreibt die Gruppe. Die Langzeit­wirkung von künstlichen Süßstoffen im Allgemeinen und Erythrit im Besonderen auf Herzinfarkt und Schlaganfall müsse überprüft werden, vor allem bei Menschen mit ohnehin bereits erhöhtem Risiko.

„Herz-Kreislauf-Erkrankungen entwickeln sich mit der Zeit, und Herz­erkrankungen sind die weltweit führende Todes­ursache“, wird Studienleiter Hazen in einer Mitteilung der Cleveland Clinic zitiert. „Wir müssen sicherstellen, dass unsere Lebensmittel nicht versteckt dazu beitragen.“

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Für Warnung noch zu früh

Der Hamburger Experte Eschenhagen spricht von einer „überzeugenden Argumentations­kette“. Zwar könne man nicht völlig ausschließen, dass versteckte Faktoren für den beobachteten Effekt verantwortlich seien, doch die beeindruckenden Daten seien schlüssig. „Die Einnahme von diesem Süßstoff führt zu enormen Erythrit­konzentrationen im Blut, und das über einen längeren Zeitraum.“

Stefan Kabisch vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD) an der Charité vermutet, dass die bei den Hochrisiko­patienten festgestellte Gefährdung wahrscheinlich auch auf andere Menschen übertragbar sei. „Die Publikation ist ein wichtiger, ja überfälliger Impuls dafür, auch bereits zugelassene Nahrungs­mittel-Zusatz­stoffe wie Süßungsmittel intensiver zu beforschen“, betont er. Für eine Warnung vor solchen Stoffen sei es aber noch zu früh.

Der Ernährungs­mediziner Hans Hauner von der Technischen Universität München (TUM) spricht von einem „eindrucksvollen Datensatz, der aus klinischer Perspektive brisant und ernst zu nehmen ist“. Es seien aber noch Fragen offen. „Diese und weitere Fragen zu dieser Thematik bedeuten eine gewaltige Heraus­forderung für die Wissenschaft, was sicherlich Jahre beanspruchen wird, bevor darüber hoffentlich Klarheit herrscht.“

RND/dpa

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