Expertenratmitglied Falk dämpft Hoffnungen: Für die aktuelle Welle kommt Omikron-Impfstoff zu spät

Prof. Christine Falk, Immunologin an der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung.

Prof. Christine Falk, Immunologin an der Medizinischen Hochschule Hannover und Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung.

Vor wenigen Tagen kündigte der Impfstoffhersteller Pfizer an, gemeinsam mit Biontech an einem an die Omikron-Variante angepassten Impfstoff zu arbeiten. Dieser solle im März in die Zulassung gehen. Zu spät für die aktuelle Corona-Welle, meint Corona-Expertenratmitglied Christine Falk. Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie hält eine Weiterentwicklung des Impfstoffs allerdings für entscheidend. Im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) spricht sie über die Wirksamkeit des Boosters, die vierte Impfung und das lockere Herangehen der Dänen an die Omikron-Welle.

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Frau Falk, der Chef des Impfstoffherstellers Pfizer hat für März einen an die Omikron-Variante angepassten Impfstoff angekündigt. Kommt diese Entwicklung für Deutschland noch früh genug?

Zu spät ist relativ. Omikron ist ja schon da, und es handelt sich bei der Virusvariante um eine mit einer sehr schnellen Infektionsdynamik, wie wir ja gerade sehen. Um die Omikronwelle jetzt noch aufzuhalten, ist ein angepasster Impfstoff zu spät, aber er ist trotzdem sinnvoll. Aktuell rechne ich nicht damit, dass wir im März schon impfen können. Es macht auch danach noch Sinn, angepasste Impfstoffe zu haben, dann aber eher als Vorbereitung für den nächsten Herbst und Winter.

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Müssen wir den Impfstoff jetzt jedes Mal verändern oder ist die Anpassung an Omikron die Weiterentwicklung, die uns auch bei einer nächsten oder übernächsten Variante hilft?

Das ist schwer zu beantworten, weil wir ja nicht vorhersagen können, wo sich die Varianten überall auf der Welt, vor allem dort, wo noch nicht so gut geimpft wird und nicht so viel geimpft wird, entwickeln könnten. Aber Omikron hat sich schon sehr optimiert in dieser Frage, wie infektiös das Virus ist. Und in dieser Weiterentwicklung ist diese Variante des Coronavirus jetzt schon sehr erfolgreich und deswegen kann man nicht wirklich vorhersagen, ob Omikron schon die Variante ist, die bleiben wird. Es macht aber total Sinn, diese Variante mit in die Strategie mit hineinzunehmen, weil sie so erfolgreich ist, dass man vorsichtig davon ausgehen kann, dass Omikron länger erhalten bleiben könnte als Delta. Denn Omikron hat Delta schon sehr erfolgreich verdrängt. Die Viren stehen ja auch in Konkurrenz zueinander und da muss dann erst eine nächste Variante kommen, die noch infektiöser und damit erfolgreicher ist als Omikron. Auch wenn wir die aktuelle Welle mit einer Omikron-angepassten Impfung nicht aufhalten können, kommt der Impfstoff nicht zu spät, weil er uns helfen könnte, auch auf andere Varianten besser vorbereitet zu sein. Was mir eine ganz wichtige Message ist: Die Leute sollen sich bitte jetzt boostern lassen mit den aktuellen mRNA-Impfstoffen und die, die noch nicht geimpft sind, sollen sich jetzt bitte impfen lassen und nicht warten auf die anderen Impfstoffe.

Wie lange bin ich denn eigentlich immun nach einer dritten, der Booster-Impfung?

Das ist etwas, was gerade untersucht wird, unter anderem in der Charité und im Netzwerk Universitärer Medizin. Man kann davon ausgehen, dass die Immunantwort wirklich noch mal besser wird, und beides, B-Zell-, also Antikörper, und T-Zell-Antwort dann länger anhalten. Wir erreichen ja schon mit der zweiten Impfung ein immunologisches Gedächtnis. Das wird mit der dritten Impfung noch mal besser und verfestigt sich. Und das haben wir dann auch langlebig. Das heißt, wir haben schon einen sehr guten Immunschutz durch diese zweite und dritte Abwehrlinie, also die Antikörper im Blut und die T-Zellen. Das ist ein echtes immunologische Gedächtnis, was wir da entwickeln. Das Gedächtnis im Nasen-Rachen-Raum, wo wir verhindern wollen, dass man sich infiziert – das ist leider kurzlebiger. Das heißt, das Immunsystem hat sozusagen zwei langlebige und eine etwas kurzlebige Antwort. Und die Antwort im Rachenraum, die uns davor schützt, dass man sich infiziert, ist dagegen kurzlebiger. Und deswegen haben wir nach diesen mehr als drei Monaten diese dritte Auffrischungsimpfung, damit wir die Abwehr im Nasen-Rachen-Raum noch mal auf Höchststand bekommen. Damit man sich möglichst, wenn man dreimal geimpft ist, selbst nicht ansteckt und das Virus nicht weitergibt. Das der höhere Anspruch, den wir da jetzt an die Impfung haben. Das eigentliche immunologische Gedächtnis sitzt vor allem in Lymphknoten und Knochenmark und das verfestigen wir noch mal mit der dritten Impfung.

Israel startet mit der vierten Impfung. Auch im Gesundheitsamt Niedersachsen gibt es ähnliche Pläne. Ab wann ist die Impfung aus immunologischer Sicht sinnvoll?

Aus immunologischer Sicht brauchen wir die vierte Impfung derzeit nicht. Wir sollten uns jetzt im ersten Quartal 2022 auf die Erst- und auf die Booster-Impfungen konzentrieren. Ausnahmen für eine vierte Impfung mit den jetzt zugelassenen Impfstoffen könnten die echten Risikogruppen sein – also über 80-Jährige, Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, die schon im August/September ihren Booster bekommen haben und bestimmte immunsupprimierte Personen. Da kann ich mir das vorstellen. Aber für die Normalbevölkerung, die jetzt gerade den Booster abgeholt hat, brauchen wir über die vierte nicht zu reden, weil das jetzt für den Winter nicht notwendig erscheint. Das zeigen auch die ersten Daten aus Israel, wo der Effekt nicht sehr groß zu sein schein. Wenn man zu früh wieder impft, kann der Effekt nicht so groß werden, weil das Immunsystem auch so eine Art maximale Aktivierung hat und die erreichen wir mit der dritten Impfung schon ganz gut.

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In der Politik wird über die Impfpflicht debattiert. Wie stehen zu einer solchen Verpflichtung?

Die Impfpflichtdebatte ist inzwischen eine politische. Da müssen sich die Politikerinnen und Politiker im Bundestag damit beschäftigen, wie so eine allgemeine, verpflichtende Impfung aussehen könnte. Ich glaube, dass es schon wichtig ist, dass diese Diskussion geführt wird in den Landtagen und im Bundestag. Das ist sozusagen die politische Seite. Für die Infektionslage jetzt kommt die sowieso zu spät, denn Omikron wird die Diskussion möglicherweise überholen. Das heißt auch für die Frage, wie wir jetzt aus diesem Winter rauskommen, ist die Impfpflichtdiskussion eigentlich spät. Dann sollte die jetzt auch politisch ordentlich geführt werden.

In Dänemark heißt es, man sei zum nächsten Monat in einer Grundimmunität in der Bevölkerung. Halten Sie das aus immunologischer Sicht für realistisch?

In Dänemark könnte das durchaus sein, weil sie dort erstens mit einer höheren Quote in die Omikron-Welle gestartet sind und sich sowieso schon früher dafür entschlossen haben, mehr Infektionen zuzulassen. Das Land hat eine etwas andere Altersstruktur und auch relativ viel Platz. Man hat sich entschlossen, nicht so viel mit Beschränkungen zu arbeiten und mehr auf Eigenverantwortung zu setzen, und die Bevölkerungsdichte ist auch nicht so hoch. Trotzdem muss auch Dänemark aufpassen. Dieses Ziel ist schon ambitioniert. In England muss man ja auch sehen, wie die Situation sich entwickelt, wenn sich so viele infizieren. Das hat ja durchaus ein paar Implikationen auch für die Infrastruktur. Deswegen wurde ja hier ganz bewusst darauf hingewiesen, damit uns das nicht passiert.

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