Nach Biden-Vorstoß: Corona aus dem Labor? Was für und was gegen diese Ursprungsthese spricht

Hier stehen Sicherheitskräfte vor dem Institut für Virologie im chinesischen Wuhan. Internationale Experten haben das Forschungszentrum Anfang des Jahres besucht, das im Mittelpunkt von Spekulationen über den Ursprung des Coronavirus steht.

Hier stehen Sicherheitskräfte vor dem Institut für Virologie im chinesischen Wuhan. Internationale Experten haben das Forschungszentrum Anfang des Jahres besucht, das im Mittelpunkt von Spekulationen über den Ursprung des Coronavirus steht.

Wie und wo genau gelang Sars-CoV-2 in die Welt? Um neue Gefahren durch Viren in der Welt in Zukunft schneller erkennen zu können, hilft es, den Ursprung der Corona-Pandemie zu rekonstruieren. Dabei gibt es allerdings ein Problem. Auch Ende Mai 2021 ist noch nicht eindeutig geklärt, wie und wo genau der Erreger zum ersten Mal auf den Menschen übergesprungen ist. Theorien von Forschenden zum Ursprung der Pandemie gibt es mehrere, konkrete Beweise bislang aber nur wenige.

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Eine von ihnen steht plötzlich erneut im öffentlichen Interesse - die These vom Laborunfall. Sars-CoV-2 könnte – so die Theorie – am Institut für Virologie in Wuhan auf den Menschen übergesprungen sein. Also genau in der Stadt, wo auch der erste größere Ausbruch mit mehreren Infizierten Ende 2019 bemerkt wurde.

US-Geheimdienst will eigenständig nachforschen

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kam nach Auswertungen durch ein internationales Expertenteam, das Anfang des Jahres selbst vor Ort in China auf Spurensuche ging, allerdings zum vorläufigen Schluss, dass dieses Szenario „extrem unwahrscheinlich“ sei, wie ein gemeinsamer Abschlussbericht vermerkt. Je 17 chinesische und ausländische Forschende waren daran beteiligt.

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Nun wurde die Diskussion um ebendiese Ursprungstheorie erneut entfacht – mehr auf politischer denn auf wissenschaftlicher Ebene. So hat US-Präsident Joe Biden diese Woche amerikanische Geheimdienste beauftragt, dem Ursprung der Corona-Pandemie auf den Grund zu gehen. Die bisherigen Untersuchungen hätten unterschiedliche Einschätzungen ohne abschließende Folgerungen geliefert, hieß es am Mittwoch in einer schriftlichen Stellungnahme Bidens. Der US-Präsident offenbarte, dass das Szenario eines möglichen Laborunfalls in China zumindest in Teilen des US-Geheimdienstapparates für möglich gehalten werde.

Biden wies die Geheimdienste an, ihre Bemühungen zu verstärken und binnen 90 Tagen einen weiteren Bericht dazu vorzulegen. Die chinesische Regierung hat darauf bereits reagiert und die Pläne von US-Präsident Joe Biden für neue Ermittlungen zum Virusursprung abgelehnt. Außenamtssprecher Zhao Lijian warf den USA vor, die Suche zu politisieren und China die Schuld an der Pandemie geben zu wollen. Den US-Geheimdiensten sprach er jede Glaubwürdigkeit ab.

Die Laborthese aus Sicht der WHO: Was dafür spricht – und was dagegen

Bislang geht neben dem Laborunfall die prominenteste und von vielen Corona-Experten als am plausibelsten angesehene Theorie von einer Zoonose aus. Also davon, dass das Virus aus dem Reservoire einer bestimmter Fledermausgattung, der Großen Hufeisennase, auf Menschen übergesprungen sein könnte. Der erste sichtbare Ausbruch fand dann mutmaßlich auf dem Wildtiermarkt in Wuhan statt. Patient Null konnte bislang allerdings noch nicht ausfindig gemacht werden.

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Ein mögliches Szenario geht zudem davon aus, dass auch Zwischenwirte bei den Übertragungen auf den Menschen eine Rolle gespielt haben könnten. Welche, ist ebenfalls noch unklar. Auch ein Transport der neuartigen Viren über Tiefkühlkost gilt als möglicher Überträger auf Menschen.

Es gibt aber auch Argumente für die Laborthese. Der Bericht des internationalen WHO-Expertenteams von Ende März listet sie im eigenen Bericht auf. Dafür spricht demnach:

  • Obwohl selten, können Laborunfälle passieren. Bei der Arbeit insbesondere mit Viruskulturen und Tierimpfungen können sich Menschen im Labor aufgrund von Fahrlässigkeiten bei den Sicherheitsbestimmungen infizieren.
  • Der nächste bekannte Virenstamm zu Sars-CoV-2, bekannt als CoV RaTG13 (96,2 Prozent) wurde an besagtem Institut für Virologie in Wuhan sequenziert und analysiert. Dieser Virentyp wurde in Fledermaus-Analabstrichen nachgewiesen.
  • Anfang Dezember 2019 zog das Institut an einen neuen Standort in der Nähe des Huanan-Marktes, wo der erste Ausbruch mit Sars-CoV-2 registriert wurde. Der Umzug könnte für den Betrieb eines Labors störend sein, heißt es im WHO-Bericht.

Gegen die Laborthese sprechen laut WHO bislang folgende Argumente:

  • Die nächsten Verwandten von Sars-CoV-2-ähnlichen Stämmen, die ebenfalls im Reservoir von Fledermäusen gefunden wurden, sind evolutionär vom pandemischen Erreger entfernt.
  • Es gibt keine Aufzeichnung von solchen Viren oder Genomsequenzen, die eng mit Sars-CoV-2 verwandt sind, in einem Labor vor Dezember 2019.
  • Im Labor gab es ein Überwachungsprogramm, somit ist das Risiko einer versehentlichen Kultivierung von Sars-CoV-2 laut Bericht „äußerst gering“.
  • Die Labore in Wuhan verfügen demnach über qualitativ hochwertige Standards für die biologische Sicherheit. Es gab keine Meldung von Covid-19-kompatiblen Atemwegserkrankungen während der Wochen und Monate vor dem Dezember 2019 und keine serologischen Hinweise auf eine Infektion bei den Mitarbeitenden.
  • Das Labor in Wuhan meldete nach seinem Umzug Anfang Dezember 2019 in der Nähe des Marktes keine dadurch verursachten Störungen oder Zwischenfälle. Es wurde auch über keine Lagerung von Fledermausviren oder Coronaviren vor dem Ausbruch berichtet, ebenso wenig wie über Laborversuche.

Eindeutige Ergebnisse zum Corona-Ursprung fehlen

Der WHO-Bericht steht allerdings auch in der Kritik. Es stellte sich heraus, dass die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor Ort offenbar nicht wirklich Zugang zu Informationen bekommen hatten und weder Belege für noch gegen die Labortheorie sammeln konnten. Die WHO bezeichnet deshalb alle Hypothesen als „weiterhin offen“.

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Zuletzt hat das „Wall Street Journal“ vor wenigen Tagen unter Berufung auf einen US-Geheimdienstbericht geschrieben, dass drei Mitarbeiter des Instituts in Wuhan im November 2019 so schwer erkrankt seien, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Allerdings hat das Institut selbst diesen US-Medienbericht zurückgewiesen. Es handele sich um eine „komplette Lüge“, zitierte die chinesische Staatszeitung „Global Times“ den Chef des Wuhaner Instituts, Yuan Zhiming, am Montag.

Was ist also Spekulation, wo ist was dran? Kurzum: Wir wissen es (noch) nicht. Den Anfängen der Pandemie auf die Spur zu kommen gestaltet sich weiterhin als schwierig. Dass es noch weitere internationale Forschung zum Virusursprung braucht, ist für die Wissenschafts-Community nach dem Vorstoß aus den USA aber keine Überraschung, die Thesen, Argumente und Schwachstellen schon länger bekannt.

„Wir haben die Quelle des Virus noch nicht gefunden, und wir müssen weiterhin der Wissenschaft folgen und dabei nichts unversucht lassen“, wird der WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus in einer Pressemitteilung zum ersten WHO-Bericht von Ende März zitiert. „Es braucht Zeit, um den Ursprung eines Virus zu finden, und wir sind es der Welt schuldig, die Quelle zu finden, damit wir gemeinsam Maßnahmen ergreifen können, um das Risiko eines erneuten Auftretens zu verringern.“ Keine einzelne Forschungsreise könne alle Antworten liefern.

mit Material von dpa

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