Patientenverfügung bei Corona: Was Sie beachten sollten
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Krankenschwestern betreuen Patienten auf der Intensivstation.
© Quelle: Patrick Seeger/ DPA
Nicht jeder, der schwer erkrankt, möchte alle Möglichkeiten der modernen Medizin voll ausschöpfen. In einer Patientenverfügung lässt sich daher festhalten, ob man in solchen Situationen invasive Behandlungen wie eine künstliche Beatmung wünscht oder nicht. Gibt es dabei im Fall einer Covid-19-Erkrankung etwas zu beachten?
Der Münchner Rechtsanwalt Wolfgang Putz ist Experte für Medizinrecht und auf das Thema Patientenverfügungen spezialisiert. Er weiß von mehreren seiner Mandanten, dass diese nicht intensivmedizinisch behandelt werden möchten, sollten sie am Coronavirus erkranken. Nicht wenige von ihnen haben Angst, bei einem schweren Covid-19-Verlauf unnötig lange zu leiden und am Leben gehalten zu werden – oder mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen weiterleben zu müssen.
Vor allem die künstliche Beatmung lehnen viele ab, weil sie die Lunge oft schädigt und sich vor allem ältere Patienten nur schwer davon erholen. Außerdem sterben viele hochbetagte Patienten im stark fortgeschrittenen Krankheitsstadium auch trotz einer künstlichen Beatmung.
Covid-19 kein klassischer Anwendungsfall für Patientenverfügung
Den Rechtsanwalt erreichen in diesen Tagen vor allem zwei Arten von Anfragen: Einige Mandanten haben zwar bereits eine Patientenverfügung, machen sich aber Sorgen, dass diese bei einer Coronavirus-Erkrankung nicht beachtet wird. Andere haben umgekehrt Angst, dass sie bei einem schweren Covid-19-Verlauf wegen ihrer Patientenverfügung nicht ausreichend behandelt werden, auch wenn sie gute Heilungsaussichten hätten.
„Ein Patient mit normalen Heilungsaussichten wird aber in jedem Fall das volle Programm der verfügbaren Behandlungen erhalten, da gibt es nichts zu befürchten“, sagt Putz. Schließlich würden Patientenverfügungen ja für den Fall verfasst, dass wenig Aussicht auf ein Weiterleben oder vollständige Gesundung besteht. Das treffe bei den meisten Corona-Erkrankungen nicht zu. Und die Verfügung greife auch ohnehin nur dann, wenn der Patient nicht mehr selbst gefragt werden kann, welche Art der Behandlung er wünscht.
Patienten in aller Regel noch bei Bewusstsein
Patientenverfügungen werden vor allem dann wirksam, wenn sich der Zustand eines Patienten unvorhergesehen so schnell verschlechtert, dass er in diesem Moment nicht mehr selbst bei vollem Bewusstsein entscheiden oder sich nicht mehr mitteilen kann. Das kann zum Beispiel nach einem schweren Unfall oder bei einem plötzlichen Ereignis wie einem Schlaganfall so sein. „Bei einer Coronavirus-Erkrankung ist es aber in der Regel nicht der Fall“, sagt Putz. Auch bei schweren Verläufen verschlechtere sich der Gesundheitszustand hierbei eher schrittweise: „Es kommt nicht von jetzt auf gleich zur Einwilligungsunfähigkeit. Daher handelt es sich nicht um einen klassischen Anwendungsfall für eine Patientenverfügung.“
Über intensivmedizinische Maßnahmen wie die künstliche Beatmung wird bei Covid-19 meist gemeinsam mit den Patienten entschieden, weil sie zu diesem Zeitpunkt normalerweise noch bei Bewusstsein sind. Sie müssen dann vorab vom Arzt über die Risiken aufgeklärt werden. Erst wenn ein Patient eingewilligt hat, wird er in ein künstliches Koma versetzt und intubiert. Selbst wenn jemand keine Patientenverfügung verfasst hat, kann er die künstliche Beatmung als Maßnahme also in diesem Moment immer noch aus freiem Willen heraus ablehnen.
Formulierungen sollten angepasst werden
Wer trotzdem befürchtet, aufgrund eines schweren Covid-19-Verlaufs nicht mehr ansprechbar zu sein und dann gegen seinen Willen intensivmedizinisch behandelt zu werden, dem empfiehlt Putz eine spezielle Patientenverfügung aufzusetzen oder diese anzupassen. Ist die Verfügung nämlich zu allgemein formuliert, schließt sie eine Behandlung bei Covid-19 nicht automatisch aus. So steht in Patientenverfügungen häufig, dass keine künstliche Beatmung gewünscht wird, wenn wenig Heilungsaussichten bestehen. Bei Corona gibt es aber ganz allgemein gute Chancen zu überleben, die jedoch mit dem Alter stark abnehmen. Bei einer unklar formulierten Verfügung könnten Ärzte dazu neigen, im Zweifelsfall trotzdem zu beatmen – auch bei älteren Patienten, die das eigentlich nicht wollen würden und deren Chancen auf eine Genesung drastisch sinken.
„In der Verfügung sollte daher klar aufgeführt sein, welche Behandlungen man im Fall einer Coronavirus-Erkrankung wünscht und welche nicht“, sagt Putz. So könne man darin zum Beispiel festhalten, dass man nur solche Behandlungen erlaubt, die auch zu Hause möglich sind. Oder dass man zwar im Krankenhaus behandelt werden, aber nicht invasiv beatmet werden möchte: „Solche eindeutigen Angaben sind dann für den Arzt absolut bindend.“
Auch Justizministerium gibt Tipps
Wenn ein Arzt gegen eine klar formulierte Patientenverfügung verstößt und trotzdem invasiv beatmet, begeht er damit eine Körperverletzung. Die Angehörigen oder ein überlebender Patienten können dann später Schmerzensgeld und Schadensersatz einklagen.
Auch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gibt Tipps zum Thema Coronavirus und Patientenverfügung. Wenn jemand eine Verfügung für den Fall einer Covid-19-Erkrankung verfassen wolle, sei es „ratsam“, sich „zu wesentlichen medizinischen Fragen im Zusammenhang mit der Patientenverfügung von einem Arzt oder einer anderen fachkundigen Person oder Organisation beraten zu lassen“, heißt es auf der Seite des Ministeriums. Das könne „dazu beitragen, sich selbst Klarheit über das Gewollte zu verschaffen“.
Genau wie Putz empfiehlt das BMJV, auf allgemeine Formulierungen in der Patientenverfügung zu verzichten und diese möglichst konkret zu gestalten. Auf der Seite des Ministeriums findet sich auch eine Broschüre zur Patientenverfügung zum Download, die Textbausteine und eine Vorlage enthält. Diese kann bei Bedarf um eigene Formulierungen zu Covid-19 ergänzt werden.