Philosophie der kleinen Schlitze
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Schmerz, lass nach! Gegen Arthrose an der Hüfte lässt sich heute viel unternehmen.
© Quelle: UKSH/CAU
An der von den Direktoren Prof. Andreas Seekamp und Prof. Babak Moradi geleiteten Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie werden minimalinvasive Verfahren auch dort angewandt, wo es überraschend erscheint. „Die Hüfte eignet sich in den allermeisten Fällen hervorragend dafür“, nennt Prof. Moradi ein Beispiel. Gearbeitet wird beim Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks, im Fachdeutsch Endoprothese, in der Regel über den minimal-invasiven anterolateralen Zugang, der als besonders schonend gilt. Anterolateral bedeutet vom Wortsinn her vorne-seitlich. Der Zugang zum Hüftgelenk führt dabei nicht durch die Muskulatur, sondern bedient sich einer Lücke zwischen zwei Muskelgruppen. Das beschreibt laut Prof. Moradi dann auch schon den größten Vorteil der Methode: „Wir können operieren, ohne die Muskulatur zu durchtrennen und greifen damit viel weniger ins Gesamtgefüge des Körpers ein.“„Wo Muskeln nicht beschädigt werden, müssen sie auch nicht heilen“, heißt das im konkreten Fall. Ebenfalls ein großer Vorteil ist es, dass die Operierten dank des schonenden Eingri ffs schneller schmerzfrei sind, kaum Blut verlieren und früher mobilisiert werden können. „Gerade für ältere Menschen ist es sehr wichtig, dass sie nicht ohne Not ans Bett gefesselt sind“, betont Prof. Moradi.
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Und dann wäre tatsächlich noch die Sache mit der Optik. Sechs bis acht Zentimeter misst am UKSH gewöhnlich der Schlitz für eine Hüft-OP, etwa zwölf bis 15 Zentimeter wären fürs klassische Verfahren nötig. „Für viele Menschen ist das tatsächlich erstmal das Wichtigste“, fasst der Klinikdirektor seine Erfahrungen zusammen. Und hebt zugleich hervor, dass der wahre Vorteil dennoch in der viel schnelleren Regeneration des ganzen Körpers liegt.
Verstärkt genutzt wird der besonders verträgliche minimal-invasive anterolaterale Zugang erst seit ungefähr zehn Jahren. Die weiterhin üblichen Zugänge von der Seite oder von hinten sind bewährte Verfahren und werden nach wie vor genutzt, am UKSH aber nur, wenn es unbedingt geboten scheint. Weil je nach gewählter Alternative bestimmte Muskeln durchtrennt werden müssen und die Mobilisation länger dauert, setzen Prof. Moradi und sein Team fast immer auf den neuen Zugang. Der bietet zudem am besten Gewähr dafür, dass die Weichteile, die der Kieler Arzt als „Motor fürs Gelenk“ bezeichnet, die Operation unbeschadet überstehen. Unterm Strich also sind die Vorzüge der Arbeitsweise an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie bestechend. Mit einer schonenden Narkose und normalerweise innerhalb von gerade mal ungefähr einer Stunde erhalten Betroffene ein neues Hüftgelenk und können oft schon am selben Tag mit der Physiotherapie beginnen.
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Prof. Babak Moradi
Ebenfalls die Philosophie der kleinen Schnitte prägt das Vorgehen beim Thema Kniegelenk – das allerdings unter einem anders gelagerten Aspekt. Sorgsam geprüft wird zunächst immer, wo das eigentliche (Schmerz-)Problem sitzt und was getan werden muss, um es zu beheben. „Es braucht keineswegs immer gleich eine sogenannte Vollprothese, bei der das ganze Gelenk ersetzt wird“, betont Prof. Moradi. In vielen Fällen reichen bereits Teilgelenksprothesen, sodass nach einem umfassenden Verständnis des Prinzips der minimalinvasiven Methode der Eingri ff ins Gesamtsystem Knie vergleichsweise gering gehalten werden kann.
„So viel wie möglich vom eigenen Gelenk erhalten sowie die gesunden Knorpelflächen und Knochensubstanz bewahren“, darum geht es
nach den Worten von Prof. Moradi. Auch die Muskulatur und Kreuzbänder werden denkbar schonend behandelt und bleiben unversehrt.
Hinter all dem steht das große Thema Beweglichkeit, erklärt der Chirurg. Behutsam und angepasst an die Probleme und Bedürfnisse des einzelnen unter Schmerz leidenden Menschen vorzugehen, das bietet nach seiner Erfahrung die höchste Chance, dass sich das neue Kniegelenk bald anfühlt wie in guten Zeiten das eigene.
Die Ursachen der Arthrose an Hüft- und Kniegelenken werden in der Forschungsgruppe von Prof. Moradi intensiv untersucht. Die Prozesse sind jedoch noch nicht komplett aufgeklärt. Klar ist aber, dass Faktoren wie Übergewicht, Bewegungsmangel und wohl auch genetische Veranlagung die Abnutzung derGelenke beschleunigen können. Der Experte vom UKSH rät deshalb, in erster Linie, die eigenen Pfunde im Zaum zu halten und in Bewegung zu bleiben. Ausdauertraining und Muskeltraining sind übrigens nach neueren Erkenntnissen praktisch gleich wirkungsvoll – sofern man es denn richtig macht.
Text: Martin Geist
Fotos: UKSH/CAU
Klinik für Orthopädie
und Unfallchirurgie
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