Plexiglas, 2G im Zoo und Freibad, Handdesinfektion: acht Corona-Maßnahmen auf dem Prüfstand

Wie bei diesem Kaufhaus im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, gilt vielerorts eine FFP2-Maskenpflicht.

Wie bei diesem Kaufhaus im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel, gilt vielerorts eine FFP2-Maskenpflicht.

Die Corona-Pandemie beschäftigt Deutschland inzwischen seit zwei Jahren. In dieser Zeit sind immer neue Maßnahmen hinzugekommen, doch wie sinnvoll sind diese wirklich zur Pandemiebekämpfung? Der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie erklärt gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), welcher Grund hinter so mancher Corona-Maßnahme steckt und wie sinnvoll diese Maßnahmen aus heutiger Perspektive überhaupt sein. Von Plexiglas an der Supermarktkasse bis 2G im Freibad: Acht Maßnahmen stehen auf dem Prüfstand.

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1. Restaurants, Geschäfte und Büros müssen in einem Hygienekonzept nachweisen, dass man sich am Eingang die Hände desinfizieren kann. Sogar in Musterkonzepten der Länder steht dies drin. Dabei wird doch das Virus vor allem über die Luft weitergetragen.

Zeeb: Wegen des Coronavirus Desinfektionsmittel für die Hände zur Verfügung zu stellen, ist nicht sehr sinnvoll. Denn tatsächlich wird das Virus nahezu ausschließlich über Aerosole in der Luft übertragen. Allerdings ist das Desinfizieren der Hände grundsätzlich sinnvoll. Denn es schützt vor anderen Krankheiten, die über Schmierinfektionen übertragen werden – nur eben nicht vor dem Coronavirus.

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2. Im Restaurant gilt eine Maskenpflicht für den Weg zur Toilette, aber nicht für die Zeit am Tisch.

Zeeb: Der Grund für diese Maßnahme ist, dass man durch den Gang zur Toilette ein größeres Luftvolumen im Raum bewegt. Beim Sitzen ist insgesamt deutlich weniger Luft im Raum in Bewegung. Aber der Effekt dieser Maßnahme ist äußerst gering, weil sich die Aerosole einer infizierten Person auch beim Sitzen im Raum verteilen. Dies ist tatsächlich eine Regelung, deren Sinnhaftigkeit man anzweifeln kann. Sinnvoller wäre es zu sagen, dass man ganz auf die Masken im Restaurant verzichtet.

3. Die 2G-plus-Regel bedeutet unter anderem: Die Testpflicht entfällt bei Geboosterten, auch wenn der Booster schon einige Monate zurück liegt. Inzwischen infizieren sich aber auch immer mehr Geboosterte. Was bringt also das Boosterprivileg bei 2G-plus?

Zeeb: Diese Regelung halte ich wirklich für falsch. Wir wissen, dass Geboosterte zwar ein geringeres Risiko haben, schwer zu erkranken. Aber sie können das Virus immer noch weitergeben. Aus epidemiologischer Perspektive ist 2G-plus daher sehr fragwürdig. Wenn man Zugangsbeschränkungen machen möchte, wäre 2G oder 2G mit Test für alle sinnvoller. Aber natürlich sind Privilegien für Geboosterte, also 2G-plus, ein Anreiz für den Booster.

4. Clubs und Diskotheken sind geschlossen, aber Bars und Restaurants offen. Wie passt das zusammen?

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Zeeb: Es gibt offiziell einen sehr feinen Unterschied zwischen Bars und Clubs: Wenn es eine Tanzfläche gibt, dann gelten die Bars als Clubs und dürfen nicht öffnen. Aber so zu unterscheiden, ist natürlich unsinnig, denn auch in einer Bar kann es hoch hergehen und die Menschen können dicht aneinandergedrängt stehen. Dafür braucht man keine Tanzfläche. Grundsätzlich ist es aber richtig, dass Clubs und Diskotheken mit hunderten Gästen, die zusammen tanzen, nur vorsichtig wieder öffnen sollten. Denn es gibt dort viele Aerosole und nur wenig Abstand. Gute Lüftungskonzepte sind gerade dort sehr wichtig.

5. Im Einzelhandel gilt 2G (Zutritt für Geimpfte und Genesene), obwohl dort ohnehin die Maske Pflicht ist. Braucht es beide Regeln?

Zeeb: Wenn bereits eine Maskenpflicht gilt, führt die 2G-Regel im Einzelhandel kaum zu mehr Schutz. Das Risiko einer Infektion steigt vermutlich nur gering an, wenn man in Geschäften auf 2G verzichtet. Aus epidemiologischer Perspektive brauchen wir jetzt also keine Zugangsbeschränkungen für den Handel und gleichzeitig eine Maskenpflicht.

6. 2G gilt auch in vielen Bundesländern für Tierparks, Zoos und Freibäder. Dabei sind hier die Menschen doch draußen und können Abstand halten.

Zeeb: Das Infektionsrisiko ist draußen so gering, dass diese Maßnahme nicht zum Schutz der Besucherinnen und Besucher gelten kann. Vermutlich sollte dadurch ein Impfanreiz geschafft werden. Ich gehe davon aus, dass die Regelung nicht mehr lange bleibt. Denn es haben sich inzwischen alle Menschen impfen lassen, die dazu bereit waren. Mehr erreicht man kaum, indem man weiter auf 2G setzt.

7. Die Quarantäneregelung in Schulen Niedersachsens und vieler anderer Bundesländer besagt, dass wenn überhaupt nur der direkte Sitznachbar als Kontaktperson gilt und in Quarantäne muss. Im privaten Bereich, zum Beispiel beim Kindergeburtstag, ist dagegen jedes Kind Kontaktperson, das sich länger als zehn Minuten im gleichen Raum aufhält, und muss in Quarantäne. Das sorgt im Alltag für Unverständnis.

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Zeeb: Natürlich ist das unverständlich, aber das ist eben eine Annäherung an das Umsetzbare. Niemand will die ganze Klasse in Quarantäne schicken, wenn nur ein Kind nachweislich infiziert ist. Ich gehe davon aus, dass die Quarantäneregeln bald noch einmal geändert werden und die Quarantäne für Kontaktpersonen ganz aufgehoben wird.

8. In Geschäften sind oft Plexiglasscheiben an den Kassen und Mitarbeitende müssen dann keine Maske tragen. Wie sinnvoll ist das als Schutz gegen Infektionen?

Zeeb: Plexiglas ist nicht besonders effektiv zum Schutz vor einem Virus. Die Scheiben deuten nur eine Barriere an, sind aber luftdurchlässig und für die Aerosole kein Hindernis. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hinter der Scheibe müssen auch weiterhin Maske tragen, um sich vor einer Infektion zu schützen. Plexiglas allein ist eine trügerische Sicherheit.

Am Mittwoch treffen sich Bund und Länder zum Corona-Gipfel, auf dem die Lockerung einiger Maßnahmen beschlossen werden soll. Welche Regelungen wegfallen sollen und wie sinnvoll dies ist.

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