Pubertätsblocker: Was Sie über die Medikamente wissen sollten
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/IBQCUPPFR5H6VIRVC7ODWGWQI4.jpeg)
Pubertätsblocker werden unter anderem transgeschlechtlichen Kindern verabreicht, um die Pubertät vorübergehend zu stoppen.
© Quelle: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa-Zentralbild/dpa
Im Internet herrscht große Aufregung um einen Infoartikel des Bundesfamilienministeriums: in dessen „Regenbogenportal“, das sich an Menschen aus der LGBTQIA+-Community richtet, informiert das Ministerium über Transgeschlechtlichkeit im jungen Alter. In leichter Sprache wird Kindern und Jugendlichen zum Beispiel erklärt, woran sie erkennen könnten, dass sie transgeschlechtlich sind – und welche Behandlungsmöglichkeiten für sie infrage kommen könnten. Letzteres hat eine große Diskussion auf Twitter entfacht, in der sich Menschen darüber beschweren, dass das Ministerium im Artikel Kinder und Jugendliche über sogenannte Pubertätsblocker informiert.
Was sind Pubertätsblocker?
Durch GnRH-(Gonadotropin-Releasing-Hormon-)Analoga, die medizinische Bezeichnung für die Medikamentengruppe der Pubertätsblocker, wird die Pubertät und damit auch die sexuelle Reifung von Jungen und Mädchen vorübergehend gestoppt. „Pubertätsblocker sind hormonähnliche Substanzen, die im Bereich des Hypothalamus im Gehirn die Ausschüttung von Botenstoffen – den sogenannten Gonadotropinen – blockieren. Die Gonadotropine veranlassen die Hoden und Eierstöcke dazu, Sexualhormone zu produzieren“, sagt Alexander Korte, Kinder- und Jugendpsychiater an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Die Medikamente werden über eine Injektion verabreicht.
Wofür werden Pubertätsblocker verabreicht?
Pubertätsblocker haben mehrere Anwendungsbereiche, unter anderem bei Kindern und Jugendlichen mit Genderdysphorie. Das heißt, dass sie ein Gefühl des Unwohlseins in Bezug auf das eigene Geschlecht haben, weil sie sich zum anderen Geschlecht zugehörig fühlen. Pubertätsblocker können in diesen Fällen – wohlgemerkt erst nach ärztlicher Indikation – angewendet werden, um zu verhindern, dass die Betroffenen eine Pubertät in einem Geschlecht durchmachen, mit dem sie sich nicht identifizieren.
Die Medikamente sollten in diesen Fällen vor der Pubertät verabreicht werden. Wenn bereits körperliche Veränderungen eingetreten sind, können diese mit den Medikamenten gelindert werden. Wenn die Pubertätsblocker abgesetzt werden, können Kinder gegengeschlechtliche Hormone einnehmen, um das Geschlecht anzugleichen – sofern dafür eine ärztliche Indikation vorliegt. Und wenn die Betroffenen sich noch nicht sicher sind, mit welchem Geschlecht sie sich identifizieren, können Pubertätsblocker vorübergehend verabreicht werden, um Zeit für die Entscheidung zu gewinnen. Erkenntnissen zufolge nehmen jedoch fast alle betroffenen Kinder, die mit Pubertätsblockern behandelt wurden, auch gegengeschlechtliche Hormone ein.
Pubertätsblocker werden aber auch nicht transgeschlechtlichen Menschen verabreicht. Das ist mitunter dann der Fall, wenn Jungen vor dem neunten und Mädchen vor dem achten Lebensjahr vorzeitig in die Pubertät kommen, was als Krankheit Pubertas praecox bezeichnet wird. „Teilweise sind die betroffenen Kind erst vier oder fünf Jahre alt, wenn sie in die Pubertät kommen. Das kann unglaublich verstörend für sie sein und sich negativ aufs Längenwachstum auswirken – und deswegen gibt es gute Gründe, Pubertätsblocker zu verabreichen und die Pubertät vorübergehend zu unterdrücken“, sagt Korte. Andere Anwendungsbereiche für GnRH-Analoga seien auch gewisse hormonsensitive Tumore, etwa bei gynäkologischen Krebserkrankungen, sowie auf freiwilliger Basis bei straftätern, um ihre Libido zu unterdrücken.
Welche Ärztinnen und Ärzte dürfen entscheiden, ob Pubertätsblocker infrage kommen?
Bei Kindern mit vorzeitiger Pubertät ist es laut einer Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Kinderendokrinologie und ‑diabetologie (DGKED) die Aufgabe einer pädiatrischen Endokrinologin oder eines pädiatrischen Endokrinologen, die Diagnose zu treffen – und bei Indikation eine Behandlung mit Pubertätsblockern durchzuführen.
Bei Kindern und Jugendlichen mit Genderdysphorie gilt laut Korte eine andere Vorgehensweise: „Die Entscheidung über eine Verabreichung von Pubertätsblockern wird interdisziplinär getroffen: Für die Diagnose sind Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder und Jugendpsychiatrie zuständig, die Verabreichung erfolgt durch Fachärztinnen und Fachärzte für pädiatrische Endokrinologie“, so der Experte. Aus seiner Sicht sei es dabei wichtig, dass die behandelnden Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater über Erfahrung in der Entwicklungspsychologie und Sexualmedizin verfügen und eine Diagnose mit ausreichend Zeit erfolge. „Der diagnostisch-therapeutische Prozess, der Klärung herbeiführen soll, dauert Monate, manchmal Jahre“, betont Korte. Die Gespräche über eine Behandlung mit Pubertätsblockern erfolgen dann zusammen mit den Fachärztinnen und Fachärzten sowie den Familien, um zu klären, ob die Kinder oder Jugendlichen wirklich in einem anderen Geschlecht leben wollen.
Welche Nebenwirkungen und Folgen können Pubertätsblocker haben?
Laut Korte sei das exakte Ausmaß an Nebenwirkungen bislang noch unklar – aber es gebe beunruhigende Erkenntnisse. „Zu der Behandlung von Kindern mit vorzeitiger Pubertät mit Pubertätsblockern gibt es eine Fallstudie, wonach sich der IQ der Betroffenen messbar verschlechtert hat. Das war auch bei Beendung der Behandlung nicht reversibel“, sagt der Kinder- und Jugendpsychiater. In Tierexperimenten mit Schafen habe sich zudem gezeigt, dass eine Verschlechterung des räumlichen Orientierungsvermögens und der Emotions- und Verhaltenskontrolle nach der Verabreichung von Pubertätsblockern bei den Tieren auftrat.
Korte warnt auch vor sexuellen Nebenwirkungen: „Diese Medikamente supprimieren die Libido – und das in einer sehr sensiblen Entwicklungsphase. Das bedeutet, dass de Behandelten nicht in der Lage sind, sich mit ihren sexuellen Begierden auseinanderzusetzen“, betont er. Zudem sagt der Experte, dass Pubertätsblocker seines Erachtens nicht vollständig reversibel sind. „Wenn die Medikamente abgesetzt werden, wird auch die Pubertät wieder in Gang gesetzt“, sagt Korte, „doch das heißt nicht, dass die erfolgte Beeinträchtigung der kognitiven und sexuellen Entwicklung damit aufgehoben wäre.“
Um Folgen für die Gesundheit zu minimieren, sollte zudem auf die Länge der Behandlung geachtet werden. „In der Regel sollte die Behandlung nur ein bis maximal drei Jahre dauern. Denn wenn die Sexualsteroide nicht mehr ihre Wirkung am Knochen entfalten können, dann führt das zu einer Beeinträchtigung der Knochengesundheit“, sagt der Experte.