Lärmbelästigung und Atemaussetzer: Wenn Schnarchen zum Albtraum wird
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© Quelle: iStock
„Wenn ich schnarche, darf meine Frau mich rauswerfen“, berichtet der Berliner Psychotherapeut Wolfgang Krüger. Dann zieht er nachts klaglos auf eine Ersatzliege um. „Ich bin da sehr einsichtig. Man hat Verantwortung dem anderen gegenüber.“ Mitunter entstehen beim Schnarchen Sägegeräusche von 90 Dezibel – das ist lauter als so mancher Rasenmäher und raubt dem Bettnachbarn nicht nur Schlaf, sondern auch Nerven.
In getrennten Räumen zu schlafen mag für beide Seiten entspannter sein, doch könnte das der Beziehung schaden. Andere Wege aus dem Dilemma zu finden ist schwierig. Unter der Unmenge von Gerätschaften, Mittelchen und Therapien, die Hilfe versprechen, gibt es nur wenig sinnvolle. Und selbst für sie gilt: „Ganz weg geht das Schnarchen damit nicht.“ Dessen ist sich der Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Schlafmediziner Boris Stuck von der Uniklinik Marburg sicher.
Schnarchen: Die Konstruktion der Atemwege ist schuld
Aber warum schnarchen Menschen überhaupt? Schuld an allem ist die Konstruktion unserer Atemwege: „Sie ähneln einem schlaffen Schlauch, der von Gewebe umgeben ist“, erklärt Stuck. Wenn sich im Schlaf die Muskeln im Hals-Nasen-Rachen-Raum entspannen, beginnen die Weichteile an den Engstellen der Atemwege zu flattern, sodass lautstarke Vibrationen entstehen. „Übergewicht ist dabei ein Risikofaktor, weil sich das Fett überall im Gewebe einlagert“, sagt der Experte. Wenn sich Zunge und andere Weichteile vergrößern, entstehen leichter Engpässe. Zudem wirkt sich Alkohol negativ aus, da er die Muskeln zusätzlich entspannt.
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Welchen Sinn Schnarchen evolutionär hat, bleibt allerdings umstritten. Gängig ist die These, dass unsere Vorfahren sich durch ihre furchterregenden Geräusche gefährliche Tiere vom Leib hielten – für Stuck eine eher haltlose Theorie: „Wenn die Atemwege komplett starr wären, könnten sich Menschen nicht so differenziert artikulieren.“ Demnach wäre Schnarchen der Preis, den wir für unsere Fähigkeit zahlen, sprechen zu können.
Atemaussetzer beim Schnarchen können gefährlich werden
Solange jemand keine Atemaussetzer hat, ist Schnarchen für den Betroffenen harmlos. „Es gibt keinen klaren Hinweis darauf, dass gutartiges Schnarchen mit Risiken verbunden wäre“, sagt Joachim Maurer von der Universitäts-HNO-Klinik Mannheim. Daher ist es aus medizinischer Sicht nicht nötig, es zu behandeln. Ihre Therapien müssen „normale“ Schnarcher also in aller Regel auch selbst zahlen. Für manchen ist das eine recht unglückliche Situation: In seinem Buch „Die schlaflose Gesellschaft“ berichtet der Schlafmediziner Hans-Günter Weeß von schnarchenden Patienten, die wegen nächtlicher Ruhestörung aus ihrer Mietwohnung geflogen sind.
Manchmal steckt mehr hinter der Lärmbelästigung. Bei einem Teil der Schnarcher kommt es zusätzlich zu Atemaussetzern (Apnoe), die den Schlaf stören und auf Dauer gefährliche Folgen haben können – angefangen von Sekundenschlaf am Steuer über Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Depressionen. „Gleichmäßiges Sägen ist meist harmlos“, sagt Boris Stuck. „Der Bettnachbar oder die Bettnachbarin sollte aber aufmerksam werden, wenn jemand unregelmäßig schnarcht und Atempausen macht.“ Die Betroffenen selbst bemerken dann, dass ihr Schlaf nicht erholsam ist. Bei Männern kommt es öfter zu Tagesschläfrigkeit, bei Frauen zu Durchschlafstörungen. Wer an sich solche Symptome beobachtet, vielleicht auch schon eine Herz-Kreislauf-Erkrankung und einen schwer behandelbaren Bluthochdruck hat, der sollte zum Arzt gehen, rät Stuck. Bei Schlafapnoe kommt eine Atemmaske zum Einsatz, die die Atemwege per Überdruck offen hält.
Im Vorfeld können auch Apps gute Dienste leisten. Manche zeichnen die Geräusche auf, sodass Schlafmediziner sie anschließend analysieren können. Andere werten die Geräusche mithilfe künstlicher Intelligenz aus und ermitteln, ob ein Risiko besteht. Will jemand gegen harmloses Schnarchen vorgehen, raten Experten zuerst zu einer Verhaltensänderung: Übergewicht abzubauen und auf Alkohol sowie Zigaretten zu verzichten. Darüber hinaus gibt es ein gigantisches Angebot an zuweilen bizarren Hilfsmitteln, etwa Kinnriemen, die den Mund geschlossen halten sollen, Pflaster, die ihn gleich ganz verkleben, oder Fingerringe, die angeblich per Akupressur die Atemwege öffnen.
Die Wirksamkeit der meisten dieser Mittel ist nie seriös untersucht worden. Allerdings können Nasenspreizer laut ärztlicher Leitlinie manchmal tatsächlich etwas bewirken – aber nur, wenn die Nase blockiert ist.
Schlafpositionstrainer und tägliches Musizieren können helfen
Schnarchen kann aber auch andere Ursachen haben. So erklärt Joachim Maurer: „Manchmal sind die knöchernen Strukturen zu klein, manchmal sind Zunge, Mandeln oder Zäpfchen zu groß – und manchmal kommt auch mehreres zusammen.“ Viele Menschen sägen vor allem, wenn sie auf dem Rücken liegen. Dann nämlich kann die Zunge leicht nach hinten fallen und die Atemwege verengen. Mit Westen, Gürteln und Rucksäcken, die Rückenlage verhindern sollen, lässt sich das Problem theoretisch lösen. „Sie sind aber nicht sehr bequem und werden meist nicht lange getragen“, sagt Maurer. Angenehmer und daher Erfolg versprechender sind Schlafpositionstrainer, die vibrieren, sobald man auf dem Rücken liegt. Effektiv können auch Protrusionsschienen sein, die den Unterkiefer nach vorne schieben und für mehr Raum im Rachen sorgen. Sie sollten allerdings vom Zahnarzt angepasst werden, damit sie nicht auf Dauer Zähnen oder Kiefer schaden.
Möglicherweise bewahrt auch tägliches Musizieren vor nächtlichen Schnarchkonzerten: Singen sowie das Spielen von Blasinstrumenten könnte das Rasseln, Grunzen und Röhren reduzieren. Vor Jahren sorgte eine kleine Studie aus der Schweiz für Aufsehen, wonach regelmäßiges Didgeridoo-Spielen zumindest die Schlafapnoe verbessert. Für alle unmusikalischen Schnarcher könnte ein neues Zungenmuskeltraining per Elektrostimulation die Lösung sein: Dazu nimmt man täglich 20 Minuten lang ein Gerät in den Mund, das milde Stromimpulse abgibt. Erste Daten belegen, dass sich das Schnarchen dadurch tatsächlich reduziert.