Vierte Corona-Impfung: Was für und gegen einen zweiten Booster spricht
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Kommt schon bald die vierte Impfung für alle? Darüber wird in Deutschland noch diskutiert.
© Quelle: Sven Hoppe/dpa
Während Israel mit der vierten Impfung begonnen hat, steckt Deutschland aktuell noch mitten in der ersten Booster-Kampagne. Experten und Expertinnen sind sich teilweise nicht einig: Kann eine vierte Impfung den Schutz noch einmal erhöhen? Ist sie überhaupt notwendig? Was spricht dafür und was dagegen?
Klar ist: Die Corona-Impfungen schützen sehr viele Menschen gegen einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf. Das zeigt sich auch an den aktuellen Corona-Zahlen. Denn obwohl Deutschland jüngst neue Infektionshöchstwerte verzeichnet hat, steigt die Zahl der Intensivpatientinnen und Intensivpatienten im Vergleich zu früheren Wellen auch hierzulande deutlich langsamer an.
Impfschutz nimmt mit der Zeit ab – Booster erhöhen Antikörperzahl
Allerdings hat sich inzwischen auch gezeigt, dass der Impfschutz mit der Zeit allmählich abnimmt. Das beste Mittel – besonders gegen Omikron – lautet daher derzeit: boostern. Denn dank der dritten Impfung steigt der Antikörperschutz wieder merklich. Mitte Oktober zeigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Studie, dass es bei zweifach Geimpften in Israel mehr als zehn Mal so viele nachgewiesene Infektionen und knapp 20 Mal mehr schwere Erkrankungen gegeben hat als bei dreifach Geimpften. Die Daten stammten von über 60-Jährigen Patientinnen und Patienten.
Doch auch die Schutzwirkung der Booster-Impfung nimmt mit der Zeit ab. Dann steigt das Risiko, sich zu infizieren, wieder. Das muss allerdings nicht zwangsweise bedeuten, dass auch der Schutz vor schweren Verläufen oder Tod abnimmt. Vor schwerer Erkrankung schützt hingegen wohl schon die Grundimmunisierung weiterhin recht gut.
Man wisse inzwischen, dass „etwa drei Monate nach der Booster-Impfung der Antikörperschutz wieder abnimmt“, betonte die Vorsitzende des Ärzteverbands Marburger Bund, Susanne Johna, gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Daraus ergäbe sich die Frage, wie man mit einer möglicherweise schon bald notwendig werdenden vierten Corona-Impfung umgehen wolle. Denn bei manchen Menschen in Deutschland ist die dritte Impfung bereits drei oder mehr Monate her.
Erkenntnisse aus Israel: Zahl der Antikörper steigt nach vierter Impfung um das Fünffache
Allerdings stellen sich Expertinnen und Experten vor einer möglichen zweiten Booster-Impfung wichtige Fragen: Wie effektiv schützt eine vierte Impfung mit den gleichen Vakzinen noch, die bereits vor über einem Jahr schon zugelassen waren – und nicht speziell an die in Deutschland vorherrschenden Corona-Varianten Delta und Omikron angepasst sind? Welchen weiteren Schutz könnte eine vierte Impfung bieten – etwa bei jüngeren und gesunden Menschen im Vergleich zu älteren?
Erste Erkenntnisse aus Israel lassen vermuten, dass auch eine vierte Impfung zu einem Anstieg der Antikörper führt. Die Leiterin einer Studie, Professor Gili Regev, meldete vergangene Woche, dass die Zahl der Antikörper nach einer vierten Corona-Impfung im Schnitt um das Fünffache steigt. Sie nannte diese Nachrichten gegenüber dem israelischen Onlineportal „ynet“ zwar „gut, aber nicht ausreichend.“
Vierte Impfung für alle?
Der Anstieg der Corona-Antikörper ist laut Regev „nicht sehr beeindruckend“. Das Problem sei, dass die Antikörper nach der vierten Impfung wieder auf denselben Stand sinken würden, der bereits nach dem ersten Booster erreicht werde. Es könne nicht das Ziel sein, sich alle vier Monate impfen zu lassen. Hinsichtlich der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie immunsupprimierten und über 60-jährigen Menschen sei sie jedoch froh, dass der Schutz vor Covid-19 nach der vierten Impfung wieder steigt. „Aber ich bin mir wirklich nicht sicher, ob man sie nun allen geben sollte. Wir brauchen noch mehr Informationen“, sagte Regev.
Auch andere Daten deuten darauf hin, dass eine vierte Impfung für einige Personengruppen sinnvoller sein könnte als für andere. In einer Analyse von mehreren Studien im Fachmagazin „The BMJ“, sagte die Fachärztin für Transplantationsnephrologie Michelle Willicombe, dass vor allem immunsupprimierte Menschen im Vergleich zu gesunden Menschen nach drei Impfdosen keine oder eine nicht ausreichende Immunreaktion gegen Sars-CoV-2 zeigten. Die Betroffenen benötigten daher einer vierte Dosis, um überhaupt eine nachweisbare Immunreaktion zu erhalten, sagte sie dem „BMJ“.
„Viel hilft nicht immer viel“: Vierte Impfung ist noch umstritten
Mit den Worten „viel hilft nicht immer viel“ äußerte die Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podacast „Coronavirus Update“ im Dezember ihre Zweifel an einer schnellen und flächendeckenden vierten Impfung für alle Menschen in Deutschland. Sie sprach sich dafür aus, erst mal die besonders gefährdeten Menschen mit einem zweiten Booster zu versorgen – also diejenigen, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben oder berufsbedingt im Kontakt mit Covid-19-Patientinnen und Patienten stehen. Zunächst müsse demnach eine vierte Impfung in diesen Gruppen untersucht werden.
Bei jüngeren und gesunden Menschen sei künftig dagegen vorstellbar, dass keine regelmäßige Auffrischungsimpfung mehr nötig sei, solange sich das Virus nicht gravierend verändere, sagte Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.
Zu den Befürwortern einer vierten Impfung zählen dagegen unter anderem der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sowie Weltärztebund-Vorsitzender Frank Ulrich Montgomery. Dieser sagte dem RND vor einem Monat, dass „die Corona-Impfung regelmäßig aufgefrischt werden muss“ – und zwar „unabhängig von Omikron“. Brysch forderte jüngst, dass alle Menschen in Deutschland bis zum Sommer ein viertes Impfangebot bekommen sollten.
Schützt eine vierte Impfung noch vor Omikron?
Einige Forschende stehen der vierten Impfung auch deshalb skeptisch gegenüber, weil die Schutzwirkung der bisher zugelassenen Impfungen gegen Omikron noch nicht geklärt ist. Vieles deutet darauf hin, dass der Booster auch gegen Omikron einen besseren Schutz vor einem schweren Covid-19-Krankheitsverlauf bietet – jedoch fällt die Wirkung ersten Erkenntnissen zufolge schlechter aus als bei früheren Virusvarianten.
Intensivmediziner Christian Karagiannidis riet hingegen daher davon ab, eine vierte Impfung bereits jetzt anzubieten. „Mit einer systematischen vierten Impfung sollten wir warten, bis ein angepasster Impfstoff da ist“, sagte das Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung jüngst den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech und sein US-Partner Pfizer haben daher mit der Produktion eines an die Omikron-Variante angepassten Corona-Impfstoffs für eine spätere kommerzielle Nutzung begonnen. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat bislang jedoch noch nicht erklärt, ob sie einen an Omikron angepassten Impfstoff mit einer anderen Zusammensetzung als bei dem derzeit verwendeten Vakzin für notwendig hält.
Lauterbach nach Gesundheitsministerkonferenz: Vierte Impfung „wahrscheinlich“ für Ältere
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern haben am Montag bei ihrer ersten regulären Konferenz in diesem Jahr über eine mögliche vierte Impfung gegen Corona beraten. Zu Ergebnissen sind sie dabei noch nicht gekommen – ob und wann in Deutschland mit der vierten Impfung begonnen werden soll, ist damit aktuell noch unklar. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte am Montagabend in der ARD-Sendung „hart aber fair“ zwar, dass es wahrscheinlich sei, dass eine vierte Impfung vor allem für die älteren Menschen in Deutschland notwendig werde. Aber eine klare Empfehlung könne noch nicht ausgesprochen werden, weil es an belastbaren Studiendaten fehle. Erst wenn diese vorhanden sind, könne er eine klare Aussage treffen.