Virologe Drosten: „Diese haltlosen Anschuldigungen sind schon ungewöhnlich“

Professor Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin.

Professor Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Charité Berlin.

„Herr Drosten hat Politik und Medien in die Irre geführt“: So überschrieb das Magazin „Cicero“ ein Interview mit dem Hamburger Physiker Roland Wiesendanger. Nun äußert sich der Charité-Virologe gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) ausführlich zu den Vorwürfen und entkräftet sie. Außerdem ist er verwundert, warum Wiesendanger nicht das direkte Gespräch gesucht hat: „Wenn er wirklich dachte, ich verfüge über Insiderwissen, das ihn mit seinen Ideen weiterbringt – warum hat er mich nicht einfach mal angerufen?“

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Wiesendanger wirft einigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, darunter auch Drosten, vor, dass sie mit Absicht versuchen würden, zu vertuschen, dass das Coronavirus aus einem Labor in der chinesischen Stadt Wuhan stamme. Denn davon ist der Physiker überzeugt – im Gegensatz zu den meisten Fachleuten. Der Großteil der Expertinnen und Experten hält es für wahrscheinlicher, dass Sars-CoV-2 von Tieren wie Fledermäusen oder Schleichkatzen auf den Menschen übertragen wurde.

Haltlose Anschuldigungen

Die Anschuldigungen Wiesendangers bezeichnet Drosten als „haltlos“. „Ich glaube, es ist der Versuch, etwas auf mich zu projizieren, weil ich nun mal jemand bin, der als deutschsprachiges Mitglied in dieser Gruppe dabei war, auf die nun gezielt wird“, sagt er der „SZ“. Der Hintergrund: Im Februar 2020 traf sich telefonisch eine internationale Expertenrunde, die sich auch über den möglichen Ursprung des Virus austauschte. Drosten zählte zu den Teilnehmenden.

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Diese Runde dient Verschwörungstheoretikern und Verschwörungstheoretikerinnen nun dazu, zu verbreiten, dass die Laborhypothese aufgrund von politischem Druck verworfen worden sei. „Das stimmt einfach nicht. Die Personen, die das Gegenteil behaupten, haben dafür keinen einzigen Beleg vorgelegt. Es gibt auch keinen“, sagt Drosten. Er selbst sei außerdem immer offen für beide Möglichkeiten gewesen.

Dennoch halte er einen Ursprung des Virus im Tierreich für wahrscheinlicher. Denn schon das Sars-1-Virus, das zur gleichen Art wie Sars-CoV-2 gehöre, stamme von Fledermäusen. Es habe Schleichkatzen und Marderhunde als Zwischenwirte genutzt und sei so schließlich auf den Menschen übergesprungen.

Laborhypothese nicht komplett verworfen

„Da gleiche Virusarten in der Regel die gleiche Krankheitsökologie haben, ist hier ein wissenschaftlicher Homologieschluss erlaubt, ich muss sogar sagen: geboten“, erklärt Drosten gegenüber der SZ. Für die Hypothese vom Laborursprung gebe es keine vergleichbar hochwertigen wissenschaftlichen Indizien. Endgültig herausfinden, wo das Virus herstamme, könne man nur vor Ort. Aber: „Dazu braucht es den Willen Chinas.“ Und: Auch die Laborhypothese habe Drosten noch nicht komplett verworfen. „Es gibt nichts, was es nicht gibt. Ich will es nicht ausschließen, aber es ist derzeit nur eine Möglichkeit.“

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Den Angriff Wiesendangers gegen ihn und andere Forschende hatte Drosten bereits vor einigen Tagen auf der Kurznachrichtenplattform Twitter kritisiert. „‚Cicero‘ bietet einem Extremcharakter die Bühne und provoziert persönliche Angriffe gegen mich durch suggestive Fragen.

Antworten werden im Andeutungs- und Wertungsbereich stehengelassen, belastbaren Tatsachenbehauptungen ausgewichen“, schrieb er am Donnerstag vergangener Woche.

RND/saf

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