Andreas Gabalier spricht über Heimat und Volks-Rock’n’Roll

Andreas Gabalier in seiner „Kleinen steilen heilen Welt“.

Andreas Gabalier in seiner „Kleinen steilen heilen Welt“.

Nummer-eins-Album, 19-Städte-Tour im Herbst: Es läuft auch in Deutschland super für Andreas Gabalier aus der Steiermark. Mit seiner Musik, sagt der 33-Jährige, stille er eine ganz bestimmte Sehnsucht.

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Was ist eigentlich Volks-Rock’n’Roll?

Ein Mix aus traditioneller österreichischer Musik und rockigen Elementen. Damals, zu Beginn meiner Karriere, hat es nach einem Überbegriff geradezu geschrien. Die Wendung „Volks-Rock’n’Roller“ lag nahe, auch, weil bei meinen Konzerten all die jungen Mädchen vor der Bühne in Ohnmacht gefallen sind. Wie bei Elvis in den Fünfzigerjahren. Ich glaube, Volks-Rock’n‘Roll ist mittlerweile ein Lebensgefühl.

Rebellisch, ein Sound mit befreiender Wirkung wie einst Elvis-Rock’n’Roll, ist Volks-Rock’n’Roll aber nicht. Eher konservativ, wertebewahrend. Sie selbst tragen Lederhose und bewundern Dirndl-Frauen, und Dirndl-Frauen bewundern Sie ...

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Genau, so ist es.

Volks-Rock’n’Roll scheint auf jeden Fall eine Marktlücke zu sein. Sie geben im Herbst 19 Hallenkonzerte und im Frühsommer 2019 sieben Stadionkonzerte in Deutschland – obwohl Sie in Ihrer österreichischen Mundart singen. Wieso strömen so viele Deutsche in Ihre Konzerte?

Es ist unfassbar, dass Zigtausende Fans auch in Hamburg und Berlin in Tracht meine Konzerte besuchen. Lederhose oder Dirndl hat man ja nicht einfach so im Schrank. Meine Fans haben sich diese Kleidungsstücke extra besorgt. Das ist wirklich ein Phänomen.

Wie erklären Sie sich Ihren Erfolg?

Bei uns hört man Volksmusik und volkstümliche Musik von Kindesbeinen an, auch, weil man zunächst noch keine englischsprachigen Texte versteht. Diese Musik läuft parallel zu den angesagten Charthits, auch in den Diskotheken. Jetzt ist sie allgegenwärtig, weil sie wohl den Zeitgeist trifft. Die Menschen sehnen sich nach Unterhaltung, nach Ablenkung, nach dem einen oder anderen schönen Abend, den man mit seinen Freunden oder seiner Familie verbringt.

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Drücken Sie vielleicht mit Ihren Songs eine ganz bestimmte Sehnsucht aus: nach Entschleunigung und Übersichtlichkeit in einer immer kriegerischer und komplizierter wirkenden Welt?

Vielleicht ist es das, wonach sich die Menschen sehnen. Das Tempo ist vielen zu schnell.

Ihre Tournee kündigt Ihr Promoter als „heimatverrockte Großevents“ an. Sie besingen die Heimat so vehement, als wollten Sie sich als Heimatminister bewerben. Was ist Heimat für Sie?

Die Steiermark, wo ich aufgewachsen bin und bis heute lebe. Ich liebe die Natur, die grüne Landschaft, Wandern, Klettern. Als Reisender, der viel auf Tournee ist, freue ich mich auf das Nachhausekommen, die vertraute Umgebung, meine Familie, meine Freunde. Zur Heimat gehören auch meine Kindheitserinnerungen.

Zum Beispiel die Bank, auf der Ihre Großmutter immer saß, die Sie in „Vergiss die Heimat nie“ besingen?

Genau.

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Heimat gibt Ihnen also Sicherheit – oder interpretiere ich zu viel in ihre Musik hinein?

Vielleicht. Wenn ich über Heimat singe, meine ich es in einem sehr positiven Sinn. Ich habe ein Problem damit, dass man dieses Wort immer beschmutzt. Man muss diesen Begriff nicht immer braun anmalen. Heimat ist für mich schon immer etwas Schönes gewesen, eine heile Welt. Ich glaube, das drücken meine Lieder auch aus.

Sie scheinen mit „Kleine steile heile Welt“ das passende Lied zum bayrischen Kruzifix-Erlass geschrieben zu haben. Sie singen darin „In einem christlichen Land hängt ein Kreuz an der Wand“. Wie meinen Sie das?

Ich stamme aus einer gläubigen Familie. Meine Oma war ein sehr gläubiger Mensch, meine Mutter auch. Wir Kinder mussten jeden Sonntag in die Kirche, genauso wie unsere Freunde aus der Schule und der Nachbarschaft. Das hat uns auch nicht immer gefallen, aber ich habe die Gemeinschaft, den Zusammenhalt, dort sehr genossen. Und gerade nach dem Tod meines Vaters und meiner Schwester, in dieser Verzweiflung, hat mir mein Glaube geholfen, darüber hinwegzukommen. Manchmal, vor großen Konzerten, gehe ich bis heute in der Stadt, wo wir auftreten, in eine Kirche, um eine Kerze anzuzünden. Ich will damit danke sagen. Für mich ist der Glaube etwas Wichtiges, genauso wie für viele Millionen Christen auch, und deswegen hängt auch in meiner Bauernstube ein Kreuz an der Wand, im Herrgottswinkel.

Haben Sie Ihren Glauben nicht verloren, nachdem sich Ihr Vater und Ihre Schwester relativ kurz hintereinander das Leben genommen hatten?

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Nein. Ich habe meine Oma immer dafür bewundert, dass sie stets an ihrem Glauben festgehalten hat, egal, was passiert ist. Es hat mich beeindruckt, zu erleben, wie viel ihr der Glaube gegeben hat. Es ist schöner, an etwas zu glauben als an nichts zu glauben.

Hat Ihnen die Musik geholfen?

Ja. Ich musste einfach etwas anders machen. In dieser harten Zeit war es mir nicht möglich, für mein Jurastudium zu lernen. Ich habe mir dann eine Harmonika gekauft und angefangen, Songs zu schreiben. Ich war viel am Berg und beim Sport. Ich war sehr verzweifelt und wusste nicht, wie es weitergeht. Die Musik hat mir bei diesem Heilungsprozess geholfen.

Noch einmal zurück zu „In einem christlichen Land hängt ein Kreuz an der Wand“. Die Zeile kann auch als ausgrenzend interpretiert werden, als Statement gegen andere oder Andersgläubige.

Das sehe ich nicht so. Ich finde, Glaube ist etwas Schönes, etwas Positives. Mir tut jeder leid, der nicht an etwas glauben, sich nicht an etwas festhalten kann. Wir sind ein christliches Land, man kann also auch dazu stehen, ohne dass sich jemand ausgegrenzt fühlen muss. Wenn wir irgendwohin in den Urlaub fahren, erleben wir doch auch die anderen Kulturen, so wie sie sind. Das macht doch die Vielfalt aus. Das Kreuz sollte niemanden provozieren, sondern den Menschen, die glauben, Hoffnung geben, sie stärken. Es sollte nicht zu einem politischen Diskussionsgegenstand werden.

Apropos. Sie mischen sich immer wieder in aktuelle politischen Debatten ein. Ich erinnere an Ihr Kopftuch-Foto oder Ihren Kommentar zum Sieg von Conchita beim Eurovison Song Contest: „Man hat’s nicht leicht auf dieser Welt, wenn man als Manderl noch auf Weiberl steht.“

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Ich habe – wie jeder andere auch – ein Weltbild, und wenn man gefragt wird, dann nimmt man hin und wieder auch mal Stellung. Das tun ja andere auch.

Ihr Satz sorgte für einen Aufschrei in Österreich und hallte auch bis nach Deutschland ...

Aufschrei ist relativ. Die Amadeus Awards, bei denen ich das gesagt habe, haben ungefähr 80.000 Zuschauer, finden mehr oder weniger unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Wenn man etwas googeln will, findet man Artikel darüber in der ganzen Welt.

Auf Ihrem neuen Album gibt es zwei Lieder mit ziemlich geläufigen Namen: „Hinterm Horizont“ und „Verdammt lang her“. Werden Sie demnächst ein Lied „99 Luftballons“ nennen?

Natürlich nicht. Warum? Wie soll ich das verstehen?

Weil „Hinterm Horizont“ und „Verdamp lang her“ Riesenhits sind von Udo Lindenberg und von BAP sind.

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Das war mir nicht bewusst. Der Name „Hinterm Horizont“ fiel mir auf einem Musical-Plakat in Berlin auf, und „Verdamp lang her“ kenne ich überhaupt nicht. Man muss vielleicht dazu sagen, dass Udo Lindenberg und BAP in Österreich nicht dieselbe Bedeutung haben wie in Deutschland.

Von Mathias Begalke/RND

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