Diesen Gegner kann er nicht verprügeln: Bruce Willis und die Demenz
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Vor der Erkrankung: US-Schauspieler Bruce Willis und seine Frau, das Model Emma Heming Willis, 2013 bei der Premiere des Films „Red 2“.
© Quelle: Michael Nelson/EPA/dpa
„Lasst ihn bitte sicher von Punkt A nach Punkt B kommen“, postete Emma Heming Willis jüngst in einem Instagram-Video an Paparazzi. Fotografen hatten ihrem kranken Ehemann Bruce Willis aufgelauert, als er sich bei einem selten gewordenen Gang in die Öffentlichkeit mit Freunden in Santa Monica auf einen Kaffee treffen wollte. „Halten Sie Abstand“, erbat Heming Willis. Die Bitte war höflich formuliert, die Verzweiflung dahinter aber war spürbar. Die Welt, die der an Morbus Pick oder frontotemporaler Demenz (FTD) erkrankte Schauspieler einst mit seinen Filmen erobert hatte, wird enger und fremder für Bruce Willis.
Regisseur ordnete Sprechtextkürzungen und Vermeiden von Monologen an
Vor knapp einem Jahr war zunächst Aphasie bei dem heute 68-jährigen Willis diagnostiziert worden: Sprachstörungen, Gedächtnisstörungen. Willis gab damals das Ende seiner beruflichen Laufbahn bekannt, kurz danach äußerten sich Kollegen aus jüngeren Produktionen gegenüber der „Los Angeles Times“, wie sie bemerkt hätten, dass Willis Schwierigkeiten mit dem Memorieren von Dialogen genabt habe. Mike Burns, Regisseur des Willis-Films „Out of Death“ (2021), erzählte, seinen Drehbuchautor um Sprechtextkürzungen von fünf Seiten gebeten zu haben. Auch seien Willis‘ Zeilen entkernt worden, um Langes, Monologartiges zu vermeiden.
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Ein Actionstar über Nacht: Bruce Willis und Bonnie Bedelia in einer Szene aus „Stirb langsam“ (1988).
© Quelle: picture alliance / United Archives
Damit kam eine der großen Kinokarrieren an ihr Ende. Die 1988 mit der Rolle des Cops John McClane in „Stirb langsam“ in Schwung gekommen war, einem Part, den die Verantwortlichen bei 20th Century Fox zuvor den damaligen Topmuskelmännern des Kinos wie Sauerbier angeboten hatten. Aber weder Arnold Schwarzenegger noch Sylvester Stallone – so heißt es – wollten den Polizisten spielen, der zur Weihnachtszeit in New York Terroristen bekämpfte.
Auf den ersten „Stirb langsam“-Postern war Willis nicht zu sehen
„In ihrer Verzweiflung wandten sie (die Produzenten) sich an Bruce Willis“, erinnerte sich „Stirb langsam“-Drehbuchautor Steven E. de Souza 2016. Und hatten dann wenig Vertrauen in ihre Wahl. Zumindest zeigte die erste Kampagne zum Film den bis dato aus der romantischen Detektivserie „Das Model und der Schnüffler“ (1985–1989) bekannten Willis nicht mal auf dem Poster. Mit 140 Millionen Dollar Einspielergebnis (Produktionskosten 28 Millionen Dollar) wurde „Stirb langsam“ dann aber der Überraschungserfolg des Jahres.
Und von allen Actionstars galt Willis fortan als der normalste, sympathischste und glaubwürdigste. Einer, der auf der Leinwand Großes vollbrachte, dabei aber schwitzte, schmutzig wurde, blutete. In einem erst 2018 veröffentlichten Interview aus dem Jahr 1988 erklärte Willis seine Herangehensweise an die Rolle, die ihm den Durchbruch bescherte. „Ich wollte jemanden spielen, der Angst vor dem Tod hat.“
Es gibt bislang keine Heilung für FTD-Kranke, auch keine Therapie
Den Gegner Demenz kann Willis nicht unterkriegen. Bei der seltenen Form FTD, die Willis hat, treten auch Wesensveränderungen und Symptomkomplexe auf, die entweder in Richtung Ermattung oder Enthemmung gehen. FTD-Kranke verlieren oft das Mitgefühl für ihre Mitmenschen, Aussicht auf Heilung besteht nicht, es gibt nicht einmal eine medikamentöse Therapie. Neurologen halten psychotherapeutischen Beistand für Angehörige durch die Schwere der Krankheit für notwendig. Die mittlere Überlebenszeit beträgt sieben bis 13 Jahre, wobei der Beginn der Symptome oft schwer zu bestimmen ist.
Im Februar hatte die Familie des Schauspielers die FTD-Diagnose bekannt gemacht und erklärt, dass Willis bereits Probleme mit der Kommunikation habe. Auch viele andere, nicht näher bezeichnete Symptome seien aufgetaucht. „Obwohl dies schmerzhaft ist, ist es eine Erleichterung, endlich eine klare Diagnose zu haben“, sagten Heming Willis, Ex-Frau Demi Moore und Willis‘ fünf Töchter in einer Erklärung. Am vergangenen Sonntag lud Moore ein kleines Video von der Feier zu Willis‘ 68. Geburtstag auf Instagram hoch: „Happy Birthday“-Gesänge im Kreis der Lieben – Willis pustet Geburtstagskerzen aus. Früher am Tag hatte Emma Heming Willis gepostet, wie es in ihr aussah: „Ich bin jeden Tag betrübt, ich trauere jeden Tag, und heute, an seinem Geburtstag, spüre ich es wirklich.“
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Eine solche Offenheit beim Umgang mit der Erkrankung sei richtig, wird Brad Dickerson, Leiter der Abteilung für Frontotemporale Störungen am Massachusetts General Hospital, in der „Washington Post“ zitiert. Ein wichtiger Teil des Kampfs um frühere Diagnose und bessere Behandlung sei „Bewusstseinsbildung“. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass jemand wie Bruce Willis und seine Familie das Thema ansprechen, weil jede Art von Demenz immer noch mit einem großen Stigma behaftet ist.“ Auch fühlten sich dadurch andere Betroffene und ihre Angehörigen weniger allein.
Ein umfangreiches Spätwerk von geringer Qualität
Was im Rückblick erstaunt, ist Willis‘ hoher Output von Filmen in den letzten beiden Jahren seiner Karriere: Der Schauspieler, der sich auf der Leinwand nie rarmachte, sondern selbst in den Superstartagen ein Workaholic mit meist drei bis fünf Produktionen pro Jahr war, wird von der Film- und TV-Website „International Movie Data Base“ (IMDB) für das Jahr 2021 mit acht Filmen notiert. Für das Jahr 2022, in dem seine Aphasieerkrankung öffentlich wurde, sind sogar elf Filmstarts aufgelistet.
Sieht man auf die Details dieses Spätwerks, ist die Bilanz indes erschreckend. Nur zwei der elf Willis-Filme des Vorjahres kommen im IMDB-Qualitätsurteil über vier Sterne (von zehn) hinaus. In deutschen Kinos war davon nur Wes Millers Actionstück „A Day to Die“ zu sehen, die anderen zehn Streifen kamen hierzulande entweder sofort auf DVD oder im Streaming heraus – oft ein Indiz für mangelnde Qualität. Chuck Russells „Paradise City“ (3,6 Sterne) gehört zu den drei Filmen, die bislang keinen Starttermin in Deutschland haben – und das, obwohl John Travolta, Willis‘ Co-Star aus „Pulp Fiction“ (1994), als sein Gegenspieler auftritt.
Wollte Willis seine kleinen Töchter bestmöglich absichern?
Ob der Schauspieler gegen die Zeit spielte, um seine Familie – seine Töchter mit Emma Heming Willis sind zehn und acht Jahre alt – noch bestmöglich abzusichern? Oft war Willis nur ein paar Tage am jeweiligen Set gewesen, oft war die jeweilige Rolle klein. Dennoch war er – als Bekanntester unter den Mitwirkenden – stets groß auf den Plakaten, DVD-Hüllen oder Streamingpostern zu sehen. Ausbeutung eines Namens und Täuschung des Publikums, so scheint es. Diverse Male war auch von Willis‘ „letztem Film“ die Rede. Welcher nun wirklich der letzte war – die Übersicht hat offenbar niemand so wirklich.
Am 5. Mai wird in Deutschland der bei IMDB als letzter Willis-Titel aufgeführte Film, „Detective Knight: Independence“, auf DVD erscheinen, Abschluss einer Thrillertrilogie. Schon im zweiten Teil, der das Publikum mit einer Weihnachtsactionstory à la „Stirb langsam“ für sich erwärmen wollte, war Willis nur in einer Handvoll Szenen am Rande des Geschehens zu sehen und wirkte abwesend. Der späte Willis-Katalog ist schwer zu ertragen, selbst für echte Fans des Künstlers.
Im Werk von Willis finden sich außer Blockbustern auch Filmklassiker
In Erinnerung wird noch lange das süffisant-spöttische Grübchenlächeln der frühen Jahre bleiben, die schalkhaft blitzenden Augen, die das Publikum schon an die an Screwball-Komödien angelehnte Serie „Das Model und der Schnüffler“ banden. Das muntere „Yippie-ya-yeah, Schweinebacke!“ auch, mit dem sich sein John McClane in „Stirb langsam“ kampflustig seinen Gegenspielern zuwandte. Mit „Pulp Fiction“ (1994), „12 Monkeys“ (1995) und „Das Fünfte Element“ (1998) hat Willis außer Blockbustern auch echte Filmklassiker im Portfolio.
Dazu zählen auch zwei Filme unter Regie von M. Night Shyamalan: „The Sixth Sense“ (1999), einer der gespenstischsten Mysteryfilme der Neunzigerjahre, in der Willis‘ Grübchen zu Gramesfalten geworden waren. Und „Unbreakable“ (2000), wo er die Verwandlung eines normalen Menschen in einen Superhelden mit unendlich viel Wehmut spielte.
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Ein Gesangsduett mit Demi Moore: „Save the Last Dance for Me“
Singen konnte Willis auch, er hatte reichlich Blues in der Stimme, ließ das mit der Musik aber bleiben, nachdem seinem zweiten Album „If It Don‘t Kill You, It Just Makes You Stronger“ (1989) kein Erfolg beschieden war. Zu hören ist darauf auch ein Duett mit Demi Moore. Und wenn er gemeinsam mit ihr den alten Drifters-Hit „Save the Last Dance for Me“ singt, rührt diese zärtliche Vertrautheit bis heute an.