Ein Meister der schönen Lieder: Adam Holmes begeistert beim Fringe-Festival
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/ER2PKOYISBDDTFAP2QXVTDENXI.jpg)
Charismatisch, schottisch, gut: Der Folksänger Adam Holmes schreibt Songs, die sofort ins Ohr gehen. Bei Heimspielen auf Edinburghs Fringe-Festival bezauberte der 31-Jährige mit eindrucksvollen Songs seines neuen Albums „Hope Park“.
© Quelle: Edinburgh
Folkie mit Gitarre? Oft klingt da ja ein Song so spröde wie der andere, Pflichtmusik zur Untermalung von Text. Aber man hat auf die Verheißungen von Pubbesuchern gehört, hier beim Fringe-Festival musiziere einer von Britannias Besten. Und Adam Holmes versteht sich tatsächlich aufs Verzaubern. Jeder Ton, der an diesem Augustabend im Lammermuir-Saal des Internationalen Konferenzzentrums von Edinburgh aus dem Instrument des 31-Jährigen kommt, klingt satt und klar, so als sei dies sein unverrückbarer Platz im Weltgefüge.
Ein Konzert als Balsam nach einem Tag im Fringe-Trubel
Jeder Song in dieser Stunde, ob Liebeslied („She Belongs to Me“) oder vertonte Gesellschaftsbetrachtung („Mysterious Ways“), ist eigen, voller schöner Harmonien, allzeit auch als Full-Band-Version vorstellbar. Man genießt diese abendlichen „sounds of silence“ – eine Stunde leise, traut und intensiv, Sound-Balsam, nachdem man sich einen weiteren Tag lang durch die laute, tosende Hauptstadt der Schotten hat treiben lassen. Sieben Konzerte gibt Holmes beim Fringe, stellt dabei auch sein kommendes, fünftes Album „Hope Park“ vor (das Ende August veröffentlicht werden sollte, dessen Erscheinen jetzt aber noch auf unbestimmte Zeit verschoben wurde). Fringe! Zwei Jahre gab es entweder nichts davon (2020) oder ganz wenig (2021).
Edinburgh, die graugelbe Sandsteinschönheit, die von Landschaft umgeben und durchwirkt ist, die uralte, unwirkliche Etagenstadt ist nach zwei Jahren im Zeichen von Covid, der allerbunteste Trubel. Fringe ist der dominante Teil des Edinburgh Festival, des „weltgrößten Kulturfestivals“, das hier seit 75 Jahren drei Wochen im August mit Zigtausenden Aufführungen Tausender Shows lockt. Comedians, Schauspieler, Artisten, Literaten, Musiker sind für das Fringe aus allen Ecken der Welt angereist. Adam Holmes nicht, denn er lebt hier – in einer hübschen viktorianischen Wohnung nahe dem Park The Meadows, wie er sagt.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Die Eltern brachten Adam Holmes zum Folk
Zur Musik kam er über seine Eltern. Seine Mutter, die in den Sechzigerjahren jung war, zog ihren Sohn in die Pubs, wo Holmes schon im Kindesalter die Konzerte schottischer Folkbands und -musiker hörte. „Ich saß am Tisch, trank meine Limonade, knusperte ein paar Chips und hörte gut zu“, erinnert er sich im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. „Und mein Vater spielte mir im Auto die Alben von Bob Dylan oder Townes van Zandt vor – daher kommt meine amerikanische Seite.“ Und so klingen seine Songs auf „Hope Park“ auch – wie Americana mit einem Schuss traditionellem Schottenfolk. In den Studioversionen indes hört man mehr als nur die Konzertgitarre – da sind Bass und Schlagzeug, Fiedel, Banjo und die Mundharmonika, das kleine, unschlagbare Instrument für Einsamkeit und Sehnsucht.
Und man hört den sinnlichen Gesang von Sängerin Beth Malcolm, die Holmes mit ihrer gospeligen Stimme bei einem Pubauftritt verblüffte. In den Songs von „Hope Park“ verschmelzen die beiden Gesangslinien zuweilen zu einer neuen oder Malcolm wird zu Holmes‘ Einfrauecho. Man fühlt sich dabei an sakrale Musik erinnert, aber auch an Lieder von Leonard Cohen.
Für sein Solodebüt holte er sich einen legendären Toningenieur
Fast wäre ein Tischler aus Holmes geworden. Am selben Tag, an dem ihm eine Schreinerei einen Lehrvertrag anbot, kam auch das Angebot von BBC2 für den damals 20-Jährigen, an einem Folk-Wettbewerb teilzunehmen. Holmes folgte fortan der Musik. Als Sänger der traditionellen Folkband Rura tourte er fünf sehr lukrative Jahre. „Jedes Jahr waren wir davon zwei Monate in Deutschland, es gibt da eine große Fangemeinde für schottische Musik.“ Danach wollte er „als Hobby“ ein erstes Soloalbum machen, eins, das klingen sollte wie eine Platte aus den Siebzigern. Und die dann auch so klang, weil er für „Heirs and Graces“ (2013) John Wood gewann, den Toningenieur von Folkgrößen wie Nick Drake, John Martyn und Loudon Wainwright. Der Solokünstler Adam Holmes war geboren.
Der „a 100 percent“ daran glaubt, dass ein Song und sein Sänger etwas in der Welt bewegen, dass sie Leute verändern können. „Ein Künstler schickt Vibrationen in die Welt, die Menschen erspüren die und finden dich.“ Das habe ihm ein amerikanischer Energieleser, eine Art Schamane, mit auf dem Weg gegeben. „In Großbritannien gilt Kultur als Luxus. Aber immer, wenn etwas Einschneidendes passiert, wird sie wichtig. Als Lady Diana starb, war Elton John da, um zu heilen.“ Mit Musik heilend tätig zu werden sieht auch Holmes als eine Art Selbstverpflichtung und singt davon im neuen Song „The Healing“.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Das Vatersein hat Holmes zugewandter gemacht
Im Lammermuir in der Morrison Street lässt Holmes mit seinen Songs im Nu vergessen, dass der Raum mit seinen Rundtischen und den sie umkränzenden Stühlen einen höchst diskreten Konferenzcharme verbreitet, dass er aussieht, als warte er darauf, für eine Betriebsfeier eingedeckt zu werden. Holmes‘ Stimme ist „soulful“, goldtönend, so belebend wie der Schritt in ein kühles Brunnenhaus nach einem heißen Tag ohne Schatten. Wenn er seine Gitarre neu stimmt, erzählt er amüsante Storys aus seinem Leben – vorzugsweise von seiner viereinhalbjährigen Tochter Rosa. Die eigenwillig ist und sich „Jingle Bells“ als Geburtstagslied wünschte statt „Happy Birthday“. In „The Healing“ kommt Rosa auch vor – in einer Strophe spielt sie in der Badewanne und singt dabei. Reime auf ein kleines Glück.
„Und ich mache währenddessen das Essen oder räume die Wohnung auf“, erklärt Holmes. Rosa lebt im wöchentlichen Wechsel bei ihrem Vater oder bei ihrer Mutter, der Folkmusikerin Rachel Sermanni, in der nur wenige Kilometer entfernten Seestadt Portobello, in der Holmes seine Kindheit verlebte. „Wir waren nur zwei Jahre zusammen“, sagt Holmes. Die Vaterschaft habe ihn jedoch verändert. „Rosa hat mir gezeigt, wozu ich fähig bin. Sie hat mich freundlicher gemacht, weniger selbstbezogen.“ Auch sei er jetzt effizienter beim Songschreiben. „Ich mag es nicht mehr, Zeit zu vergeuden.“ Elternschaft mache Menschen vor allem authentischer, man könne sich nicht mehr so gut verstecken. „Und je weniger du dich verstecken kannst, desto besser ist es für die Seele.“ Er lacht leise.
Nicht alles ist gut beim Fringe 2022
Auf der Royal Mile, die vom Edinburgh Castle hinab zum Palast der Königin führt, wird beim Fringe 2022 mit Macheten jongliert, Feuer geschluckt und überall auf der Straße machen Dudelsackspieler, Straßen-Rock-‘n‘-Roller und Bänkelsänger Musik. Man verlässt eine kleine Kultursphäre und taucht sofort in die nächste ein. Tag für Tag sieht man Darth Vader und einen Stormtrooper an derselben Ecke zum Lawnmarket in der Sonne stehen, die nicht ganz so heiß sengt wie in denselben Tagen in Deutschland. Sie reden mit dem Festivalvolk über den Imperator und die Welt und tanzen auch mal zusammen. Durch die Straßen weht derweil Pappe und Plastikmüll, die Rinnsteine sind voll mit Hunderten weggeworfener Veranstaltungsflyer. Für zwölf Tage streikt ausgerechnet mitten im Fringe die Müllabfuhr für höhere Löhne, ein Netflix-Team, das in Edinburgh aus einer Fringe-Show von 2019 eine Serie macht, bekommt dieser Tage keine Aufnahme ohne Müllsackberge.
Er liebe das Fringe, aber es habe eben auch seine Schattenseiten, meint Holmes dazu. Im Konzert fragt er sein Publikum nicht von ungefähr immer wieder nach der Uhrzeit. „Viertel vor neun? Noch Zeit für drei Songs.“ Dann muss pünktlich Schluss sein. Für jede Minute, die Holmes über 21 Uhr hinaus spielt, müsse er 50 Pfund Strafe zahlen.
„Das war kein Witz“, sagt er später im Gespräch. „Und ich will, dass die Leute auch ein wenig von dieser Seite erfahren. Nach dem Krieg war das Festival eine Möglichkeit, die Länder wieder zusammenzubringen. Der Sinn von Fringe und dem International Festival war es, Liebe zu verbreiten. Dann begann es, kommerziell zu werden, sie fingen an, Geld damit zu verdienen.“ Er freut sich auch auf die Zeit danach. „Wenn das Festival die Stadt verlässt, dann ist Edinburgh ganz still ...“
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von YouTube, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Am Ende seines Fringe-Konzerts spielt Holmes den Song zur Stadt – „Edinburgh“, eine Liebeserklärung an den Ort, an dem er lebt, seit er 13 ist, „den Song, den ich nie in Glasgow spielen kann“ und der ein außerordentlich süffiges Mitsingding ist, was sich die Leute im Lammermuir am Ende auch trauen. „Coming home, I‘m coming home“, geht der Schlusschor des wohl melodieseligsten Lieds von „Hope Park“, in dem Holmes von „desire“, aber auch von „disgust“ singt. Er liebe die Energie der Stadt, ihre Schönheit, ihr Vibrieren und ihre Buntheit, keinen besseren Ort gebe es für ein Nachhausekommen. „Aber Edinburgh könnte auch ein Opfer seines Erfolgs werden“, sagt er im Interview. „Das ist der ‚disgust‘, die andere Seite – der Themenpark Edinburgh für Touristen – eine Riesenindustrie. Und die Wohnung unter mir wird gerade für 175.000 Pfund verkauft. Leute von hier können es sich nicht mehr leisten, hier zu leben. Sie werden hinausgedrängt.“
Am Montag waren die drei Festival-Wochen vorbei. Zurück bleibt eine stille Stadt, im Müll versunken. Am Mittwoch danach begann das Aufräumen. Kein Aufatmen, das Fünf-Prozent-Angebot wurde abgelehnt, am 6. September geht der Streik in die nächste Runde.
Das Stream-Team
Die besten Serien- und Filmtipps für Netflix & Co. – jeden Monat neu.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
„Hard Times“ heißt passend einer der neuen Songs. Wobei Holmes seine persönlichen Zeiten nicht als hart empfindet. Er könne von seiner Kunst leben, er habe Pläne (einen Film, ein weiteres Album – eins mit traditioneller Folkmusik), er sei glücklich und liebe sein Leben. Was ihm die Covid-Pandemie erst recht gezeigt habe. Da habe er große Freude am Songschreiben gefunden, habe bemerkt, dass er mehr als die Musik habe, und mehr Zeit für Rosa gehabt. „Wenn du ein kleines Kind hast“, sagt er und lacht, „bist du sogar dankbar für einen Lockdown.“
Die Alben „Hope Park“ und „Dreamweaver“ gibt es zu bestellen auf der Website von Adam Holmes https://www.adamholmesmusic.co.uk/