Giuseppe Verdis Spätwerk „Otello“ gilt als besondere Herausforderung. An der Oper Kiel ist im Mai und Juni eine besonders gelungene, glänzend besetzte, packend dirigierte und klug inszenierte Neuproduktion zu erleben. Das Premierenpublikum zeigte sich zu Recht restlos begeistert.
Kiel. So wie er singt, könnte Otello tatsächlich ein restlos imposanter Held sein, der halbwegs siegreich aus dem Krieg zurückkehrt – am Ende des Mittelalters, zu Giuseppe Verdis Lebzeiten oder leider auch noch heute. Aber er ist verstört, findet nicht zurück ins Eheglück und in seine Führungsaufgabe, macht Fehler, indem er seinen ehrgeizigen Fähnrich Jago bei der Beförderung offensichtlich übergeht.
Die Regisseurin Alexandra Liedtke führt Arrigo Boitos Opernversion nach der berühmten Tragödie mit düsterer Präzision wie einen bitteren Film noir vor. Keine Interaktion, keine Geste der Protagonisten bleibt ohne Sinn in bloßer Opernkonvention stecken. Sogar der große Chor, von Gerald Krammer klangstark einstudiert, agiert in sich bewegt oder friert auf den stilisierten Felsen von Philip Rubner und in den zeitlos gültigen Kostümen von Johanna Lakner zu aussagekräftigen Tableaus ein.