Tino Piontek im RND-Interview

Grammy-Gewinner Purple Disco Machine: „Dresden ist mein Ruhepol“

Der Remix-Grammy-Award ging nach Sachsen: Der Dresdner DJ Purple Disco Machine, bürgerlich Tino Piontek,  erhielt am Sonntag in Los Angeles einen „Musik-Oscar“. Als Inspiration soll er einen Platz in seinem Studio finden.

Der Remix-Grammy-Award ging nach Sachsen: Der Dresdner DJ Purple Disco Machine, bürgerlich Tino Piontek, erhielt am Sonntag in Los Angeles einen „Musik-Oscar“. Als Inspiration soll er einen Platz in seinem Studio finden.

Purple Disco Machine ist der Projektname von Tino Piontek. Der 42-jährige Dresdner Disco- und House-DJ („Hypnotizd“, „Dopamine“), der in der Nacht zu Montag in Los Angeles den Grammy für den besten Remix (zu „About Damn Time“ der US-Sängerin Lizzo) in Empfang nahm, steht seit anderthalb Jahrzehnten für einen beschwingten Mix aus House, Disco und Funk. Als Kind aufgewachsen in der DDR gehört Piontek inzwischen zu den namhaften Gestalten der internationalen DJ-Szene. Der gefragte Remixer arbeitete mit Größen wie Lady Gaga, Calvin Harris, Dua Lipa, Diplo, Mark Ronson, New Order und Sir Elton John zusammen. 2021 erschien sein viertes Album „Exotica“.

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Herzlichen Glückwunsch zum Grammy, Herr Piontek. Sie sind noch in Hollywood?

Nein, wir sind schon wieder zu Hause. Wir sind seit gestern zurück und haben die erste Nacht versucht, den Jetlag loszuwerden. Hat auch ganz gut funktioniert.

Wie fühlt sich das an – mit einem Grammy, dem „Musik-Oscar“? Man ist da jetzt schon geadelt, oder?

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Ich habe das für mich selbst noch gar nicht so richtig eingeordnet. Ich freue mich momentan am meisten für die Leute um mich herum, die dazu beigetragen haben. Dass das jetzt auch eine Bestätigung für meine jahrelange Arbeit ist, und was das jetzt für mich und meine Arbeit bedeutet, habe ich noch gar nicht so realisiert. Das wird auch noch ein paar Tage dauern. Wenn ich mir dann noch mal so diese letzten 20 Jahre habe Revue passieren lassen, alle Höhen und Tiefen, dann erst werde ich mir wohl wirklich bewusst sein darüber, was dieser Musikpreis bedeutet.

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Wie kriegt man in so einem großen Moment seine Gedanken für die Dankesrede zusammen?

Puh! Ich hatte überhaupt nichts vorbereitet, weil ich, ehrlich gesagt, nicht damit gerechnet hatte zu gewinnen. Mein Manager hatte da mehr Zutrauen gehabt, der sagte: „Ich glaube, du hast eine gute Chance.“ Ich antwortete: „Ich habe eine 20-Prozent-Chance wie jeder andere.“ Und dann saß ich auch noch relativ weit oben – sehr ungünstig – in der klassischen Kinosituation: Links von mir saßen zehn Leute, rechts von mir auch zehn. Ich musste mich erst mal an allen Leuten vorbeidrücken. Auf dem Weg nach unten habe ich dann die ganze Zeit überlegt, was ich jetzt bloß sagen soll. Und oben auf der Bühne war‘s dann wie bei einer Prüfung – alles war plötzlich wieder weg. Ich habe dann einfach nur den wichtigsten Leuten gedankt. Realisiert habe ich das alles erst, als ich hinter der Bühne schon das erste Interview hinter mir hatte. (lacht)

Was hat Ihre Frau gesagt?

Die saß rechts von mir. Und als mein Name kam, hat sie mich einfach nur angeschrien, dass ich gewonnen habe. Weil das ganz offenbar noch nicht zu mir durchgedrungen war.

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An die Musik sind Sie laut Wikipedia über die Plattensammlung Ihres Vaters gekommen. Wer waren Ihre Bands?

Es ging bei uns zu Hause weniger um Genres. In unserer Familie hatte Musik insgesamt einen hohen Stellenwert. Mein Vater hat viel Zeit mit Musik verbracht – er hat Platten gesammelt, ist oft auf Konzerte gegangen. Und ich bin damit aufgewachsen – mit Ostrockbands wie Karat oder den Puhdys, aber auch mit Peter Gabriel, Genesis und vor allem mit Pink Floyd. Die waren ja ganz weit vorn mit ihren Liveshows, ihren Lichtinstallationen – sehr futuristisch. Das hat bei mir auch die Liebe zur elektronischen Musik geweckt. Mein erstes Konzert mit meinem Vater war Phil Collins, dann kam schon Jean-Michel Jarre ...

„In einer Band zu sein war nie meine Intention“

Sie sind DJ und Remixer. Gitarre oder Keyboard und eine eigene Band kamen nie infrage?

Ich war nie in einer Musikschule, bei uns zu Hause spielte auch niemand ein Instrument. In einer Band zu sein war also nie meine Intention. Ich bin ehrlich, ich kann bis heute kein Instrument so richtig perfekt spielen. Es reicht, um im Studio etwas Musik zu machen. Aber wenn es dann tiefer in die Materie geht, habe ich seit vielen Jahren gute Musiker um mich, mit denen ich zusammenarbeite, und auf die ich immer wieder zurückgreifen kann.

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Wie kam es zu Purple Disco Machine?

Ende der Nullerjahre hatte ich das Gefühl, zu meinem Wurzeln zurückkehren zu müssen. Damals – ich hatte schon zehn, zwölf Jahre Musik gemacht – glaubte ich, mir untreu geworden zu sein. Ich machte einen Cut und fing wieder bei null an, ohne Erwartungshaltung, ohne irgendwelche Labels. Purple Disco Machine war dann wirklich so ein Spaßprojekt: „Purple“ stand für „Purple Rain“ von Prince. „Machine“ für die Miami Sound Machine von Gloria Estefan. Und Disco war die Musik, die mich von Anfang an begleitet hatte. Ich hab mir dann mit dem Microsoft Paint Programm ein Logo gemacht und noch eine Palme draufgesetzt. Das passte. Denn musikalisch sollte es auch sommerlich, positiv und unbeschwert zugehen.

Kernfrage beim Remix: „Wie müsste das Stück sein, dass ich es als DJ spiele?“

Wenn man sich Ihren Grammy-Remix von Lizzos „About Damn Time“ anhört – das Stück funkelt, als wäre es wieder 1977. Gibt es bei Ihnen ein Purple-Disco-Machine-Grundrezept für Remixes?

Also ich versuche schon immer, vom Grundrezept abzuweichen. Wenn ich einen Remix zusage, muss ich eine grobe Idee im Kopf haben. Wenn mir auch nach mehrmaligem Hören nichts einfällt, sage ich den Remix nicht zu. Ich kann mich nicht ins Studio setzen und sagen „schau’n wir mal, was dabei herumkommt“. Bei „About Damn Time“ beispielsweise war das Original etwas langsamer und sehr aufs Radio zugeschnitten. Meine Version sollte etwas schneller werden, für DJs spielbar, aber auch nicht zu schnell, damit der Groove nicht verloren geht. Ich habe die Dramaturgie des Songs etwas ausgedünnt, um es clubtauglich zu machen. Ich habe auch den Bass simpler gespielt. Mein Ansatz ist immer: Wie müsste das Stück sein, damit ich es als DJ spiele?

Sie legen weltweit auf, leben aber nicht in New York, London, Paris, München, sondern in Ihrer Geburtsstadt Dresden. Sind Sie ein bodenständiger Typ?

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Ich würde mich als absolut bodenständig bezeichnen, eigentlich sogar als superkonservativ (lacht). Ehrlich – es gab in meinem ganzen Leben keinen einzigen Moment, in dem ich ernsthaft darüber nachdachte, in eine andere Stadt zu ziehen. Ich fühle mich in meiner gewohnten Umgebung total wohl. Ich bin in Dresden geboren, aufgewachsen, mein Elternhaus steht nur zwei Kilometer entfernt. Dresden ist meine Heimat, ich mag die Stadt, sie ist superschön und hat für mich die perfekte Größe. Sie ist mit einer halben Milllion Einwohner einerseits eine Großstadt, man hat hier alles, was man zum Leben braucht. Aber es ist hier auf der anderen Seite auch dörflich – man trifft irgendwo immer jemanden, den man kennt. Dresden ist der Ausgleich zu dem ganzen Trubel, den ich auf Tour habe. Dresden ist mein Ruhepol, wenn ich nach Hause komme.

„Ich habe sogar noch Schulfreunde, mit denen ich mich treffe“

Was finden Sie an diesem Ruhepol vor? Wie leben Sie in Dresden?

Meine Frau und ich haben zwei schulpflichtige Kinder. Das ist mein Alltag, der mich gut erdet. Wenn auch auf Tour die wildesten Sachen passieren, kommt man immer wieder in diesen normalen Rhythmus zurück. Das brauche ich, um meine Batterien aufzuladen. Auch unser Freundeskreis hat sich seit zehn, 15 Jahren nicht geändert. Ich habe sogar noch Schulfreunde, mit denen ich mich regelmäßig treffe. Freunde sind ein wichtiger Teil unseres Lebens. Auch deswegen sind wir nie aus dieser Stadt weggezogen.

Was lieben Sie außer Musik und Familie? Es gibt da ein Gerücht über eine Leidenschaft für Tassen.

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Als es bei mir mit den internationalen Reisen losging, brauchte ich Souvenirs, Erinnerungsstücke an die Städte, in denen ich gewesen bin. So fing ich an, diese Starbucks-Tassen zu sammeln – obwohl ich gar keinen Kaffee trank. Bis dann irgendwann nach der hundertsten Tasse meine Frau sagte: „Bitte keine mehr mitbringen, ich weiß nicht mehr, wo ich die hinstellen soll.“ Also habe ich damit aufgehört. Aber wenn ich heute eine von ihnen in die Hand nehme, kommen sofort wieder Erinnerungen hoch – an den Club, in dem ich aufgelegt habe, an Leute, die ich kennengelernt habe. Ansonsten ist Fußball noch eine Leidenschaft. Ich spiele selbst hobbymäßig. Dann versuche ich auch, für Dynamo da zu sein. Weil die am Wochenende spielen, komme ich aber nur ein-, zweimal im Jahr ins Stadion. Ich bin auch absoluter Bayernfan. Ich schaue mir jedes Spiel an, und ein paarmal im Jahr fliege ich auch nach München.

Verändert sich das Leben eines DJs und Remixers, wenn er international groß herauskommt? Will der Postbote ein Selfie mit Ihnen machen, können Sie noch in Ruhe im Café sitzen?

Die Aufmerksamkeit für DJs hat sich in den letzten Jahren definitiv geändert. Durch Leute wie David Guetta wurden DJs die neuen Rockstars. Jeder, der in früheren Zeiten Gitarrist oder Sänger hätte werden wollen, wollte in den letzten zehn Jahren lieber DJ werden, um als solcher um die Welt zu reisen. Anders als im Ausland habe ich mich in Deutschland, dem Land, in dem ich lebe, bewusst dafür entschieden, das Gesicht hinter der Musik nicht allzu bekannt werden zu lassen. Hier mache ich auch keine TV-Auftritte. Seit dem Erfolg des Songs „Hypnotized“ vor drei Jahren weiß aber auch der Mann von der Post, wer ich bin. Wobei das keine Nachteile hat. Ich werde immer positiv angesprochen.

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Treffen Sie Elton John, Ariana Grande oder Lady Gaga eigentlich, wenn Sie für diese Künstlerinnen und Künstler Remixe machen?

Das läuft meist über Mailverkehr. Klar, schreibt man dem einen oder anderen dann über Instagram. Treffen aber gibt es ganz selten – in der Corona-Zeit lief da erst recht nichts. Nachdem ich den Lady-Gaga-Remix gemacht hatte, gab es noch einen Livestream für Gaga-Fans, für den ich einen DJ-Set gemacht habe. Da gab es einen ganz kurzen Kontakt – aber es fand keine richtige Begegnung mit ihr statt.

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„Beim Erfolg ist weniger oft mehr“

Sind Sie am Sonntag nach der Verleihung gleich mit einem Arm voll neuer Remix-Wünsche aus der Crypto.com-Arena rausgekommen?

(lacht) Also mein Manager, der zurzeit noch in Los Angeles ist, hat mir diesbezüglich noch nichts geschrieben. Ich gehe schon davon aus, dass sich die Anfragen mehren, sobald wir wieder im Arbeitsmodus sind. Ich möchte jetzt allerdings auch nicht inflationär werden, nicht alles annehmen, was auf dem Weg liegt. Ich bin immer gut damit gefahren – egal, wie erfolgreich alles wurde – nicht durchzudrehen, sondern ruhig zu bleiben, dem Plan zu folgen. Beim Erfolg ist weniger oft mehr und Qualität ist wichtiger als Quantität. Dabei sollte es auch bleiben.

Sie haben auch richtige Alben. „Exotica“, Ihr viertes, gibt es old-fashioned auf CD und in Purple Vinyl. Sind diese Formate für Sie noch wichtig – dass es Ihre Musik eben nicht nur digital gibt, sondern zum Anfassen? Ist das eine Hommage an die Plattensammlung Ihres Vaters?

Genau. Also ich finde es wichtig, dass Musik haptisch sein kann, dass man eine Platte in die Hand nehmen, ein Cover anschauen und in einem Booklet blättern kann. Das Analoge kommt wieder, die Leute kaufen wieder Vinyl. Bei „Exotica“ hatten wir sogar eine Kassette gemacht, auf der das Album als DJ-Mix enthalten ist.

Legen Sie auch noch mit Vinyl auf?

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Nein, das läuft alles digital. Die Faulheit hat da leider gesiegt. (lacht)

Und wo ist der Grammy jetzt? Streicheln Sie den gelegentlich?

Den habe noch gar nicht bekommen. Das Witzige ist, dass man den bei der Grammy-Verleihung in die Hand gedrückt bekommt, und direkt hinter der Bühne wird er einem sofort wieder abgenommen. Er wird dann abgeputzt und draußen auf der Bühne dem nächsten Gewinner in der nächsten Kategorie überreicht. Mein Grammy wird jetzt mit meinem Namen gelasert – dann bekomme ich den zugeschickt. Das wird aber wohl noch etwas dauern, glaube ich.

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Er soll in Ihr Studio, oder?

Das habe ich dummerweise direkt nach der Verleihung in diesem Interview gesagt. Hinterher dachte ich, dass das vielleicht doch nicht so clever war. Aber wahrscheinlich bleibt es dabei – dann ist er dort für mich eine Motivation und Inspiration, um mein Ding weiterzumachen. Definitiv wird es auch mal schwierige Zeiten geben. Dann ist der Grammy da, und man kann sich darauf besinnen, was man schon alles erreicht hat. Und was wirklich zählt im Leben.

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