Mit Würde in den Tod: das Sterbehilfedrama „Alles ist gut gegangen“
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Schwieriger Abschied: Sophie Marceau als Emmanuèle und André Dussolier als André in einer Szene des Films „Alles ist gut gegangen“.
© Quelle: -/WildBunch/dpa
Auf seinen Lorbeeren ruht er sich gewiss nicht aus: François Ozon zählt zu Frankreichs fleißigsten Regisseuren. Er scheut sich auch nicht, heikle Themen anzupacken. In „Gelobt sei Gott“ brandmarkte er den sexuellen Missbrauch und dessen Vertuschung in der katholischen Kirche. Jetzt sorgt seine freie Adaption von Emmanuèle Bernheims autobiografischem Buch über eine schwierige Vater-Tochter-Beziehung und den Wunsch nach Sterbehilfe in Frankreich für Debatten.
Eine Legalisierung der Sterbehilfe scheiterte 2021 in Frankreich. „Euthanasie“ wurde zum Kampfbegriff, obgleich laut Meinungsumfragen bis zu 90 Prozent der Bevölkerung für eine Zulassung der Sterbehilfe plädieren.
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Schon 2013 hatte Bernheim, Schriftstellerin und Co-Autorin von Filmen wie „Unter dem Sand“ oder „Swimming Pool“, bei Ozon angefragt, ob er ihr Buch adaptieren wolle. Da schreckte ihn noch die sehr persönliche Herangehensweise. Erst nach Bernheims Tod 2017 fühlte er sich dem diffizilen Projekt „Alles ist gut gegangen“ gewachsen.
Die Autorin Emmanuèle (Sophie Marceau) wird durch einen Anruf aus ihrem komfortablen Alltag gerissen. Ihr 85-jähriger Vater André (André Dussollier) liegt nach einem Schlaganfall im Krankenhaus, eine Gesichtshälfte ist gelähmt. Mit ihrer Schwester (Géraldine Pailhas) kümmert sie sich liebevoll um den ungeduldigen Patienten, der sie gegeneinander ausspielt und auch schon mal „Heulsusen“ nennt.
Der renommierte Kunstsammler will nicht dahinsiechen, sondern selbst über den Moment seines Todes entscheiden. Er fordert von ihr Unterstützung beim verbotenen assistierten Suizid. Als Ausweg bietet sich die Schweiz an.
Schmerzhafte Kindheitserinnerungen
Ozon weicht vom Roman ab und fokussiert sich gleichermaßen auf das moralische Dilemma wie auf die schmerzhaften Kindheitserinnerungen von Emmanuèle. Vor allem interessieren ihn die Familienbindungen. Er fragt, ob man nahestehenden Menschen zumuten darf, über den Tod zu entscheiden – und ob diese ein derartiges Anliegen ablehnen können.
Trotz aller Traurigkeit versinkt das Drama nicht in Sentimentalität und Pathos. Immer wieder mal ist Zeit durchzuatmen oder zu lachen, so, wenn der verheiratete, aber seine Homosexualität offen auslebende Vater im Edelrestaurant ein opulentes Mahl genießt und mit dem Kellner flirtet. Komik und Tragik halten sich die Balance.
Sophie Marceau spielt sehr zurückgenommen ihre Zerrissenheit, Dussollier brilliert als egomanischer Patriarch. Es reichen vielsagende Blicke und spärliche Gesten wie ein hingehauchter Kuss auf die Stirn, um Liebe, aber auch widersprüchliche Gefühle spüren zu lassen.
Letztlich stellt Ozon existenzielle Fragen: Wieso kann sich ein Staat anmaßen, es einem mündigen Menschen zu erschweren, in Würde selbstbestimmt zu sterben? Warum muss ein Sterbewilliger in die Schweiz reisen, um Hilfe zu erhalten?
„Alles ist gut gegangen“, Regie: François Ozon, mit Sophie Marceau, André Dussollier, Géraldine Pailhas, 114 Minuten, FSK 12