Tenorstar Juan Diego Flórez begeistert in Rossinis „Le Comte Ory“
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Le Comte Ory
© Quelle: rof
Pesaro. Als Gioachino Rossini 37 Jahre alt war, schrieb er – nach einer außerordentlich erfolgreichen Karriere – seine letzte Oper. Die folgenden Jahre bis zu seinem Tod 1868 in Paris komponierte er nur noch einige geistliche Werke und kleine Stücke, die er „Péchées de vieillesse“ nannte, „Alterssünden“.
Bis heute wird darüber spekuliert, warum der „Schwan von Pesaro“ sich so plötzlich von der Oper abwandte. Dabei hatte er doch mit seinem „Guillaume Tell“ die Tür zur Grand Opéra weit aufgestoßen und mit „Le Comte Ory“ den eleganten Schwanengesang seiner Karriere als Opera-Buffa-Komponist hingelegt. Mit zwei so grandiosen Meisterwerken der Opernwelt Ade zu sagen, ist wahrlich ein starker Abgang.
Rossini Festival Pesaro: Eröffnungspremiere „Le Comte Ory“
In Pesaro, wo er am 29. Februar 1792 geboren wurde, hat man sich in diesem Jahr im Rahmen des "Rossini Opera Festival" des "Comte Ory" angenommen und in einer luxuriösen Inszenierung auf die große Bühne der Vitrifrigo Arena gebracht. Der Regisseur Hugo de Ana hat sich von Hieronymus Boschs Triptychon "Der Garten der Lüste" inspirieren lassen und zeigt mal größere, mal kleinere Details aus dem um 1500 entstandenen Gemälde, dem "Garten Eden" (linker Flügel), der "Die Hölle" (rechter Flügel) und dem namengebenden, großformatigen Zentrum "Garten der Lüste".
Während der spritzigen, gute Laune verbreitenden Ouvertüre, wenn die Welt sozusagen noch in Ordnung ist, erscheint der „Garten Eden“, um dann, wenn der Womanizer Comte Ory seine trickreichen Spielchen um die Gunst der verwitweten Comtesse beginnt, den Visionen der Hölle Platz zu machen. Erst dann folgt „Der Garten der Lüste“ mit seinen atemberaubenden Fantasien über menschliches Zusammensein. Was da an teils skurrilen, teils unverhohlen erotischen Szenen zu sehen ist, wird noch gesteigert durch das lustvolle Gewusel des Chores und der zahlreichen Statisten. Es herrscht ein so aufgeregtes Durcheinander, ein so buntes, prachtvolles Getriebe, dass man gar nicht weiß, wohin man zuerst schauen möchte.
Da ist ein hübscher Eisvogel auf einer zur Kopulation bereiten Ente zu sehen und viele andere verblüffende Einzelheiten. Die insgesamt wundervolle, herrlich lebendige Inszenierung trifft den Geist der Musik perfekt, wirkt jedoch gelegentlich ein wenig überdreht. Auf die Dinosaurier am Schluss des ersten Aktes hätte man nun wirklich verzichten können.
Glückliche Besetzung: Juan Diego Flórez mit natürlichem Charme
Die komplizierte und reichlich unwahrscheinliche Geschichte um den Comte Ory wird gleichsam nur am Rande erzählt. Er hat zahlreiche Tricks auf Lager, das Herz der Comtesse zu erobern, diverse Verkleidungen inbegriffen. Was für ein Glück, in dieser Rolle den wunderbaren Juan Diego Flórez zu sehen, der 1996 in Pesaro seine Weltkarriere begann. Köstlich, wie er als Eremit mit langem Rauschebart den Heiratsvermittler spielt, umwerfend komisch, wenn er als Nonne verkleidet mit seinen ebenfalls verkleideten Freunden im Schloss der Angebeteten erscheint und es zu einem ausgelassenen Trinkgelage kommt.
Flórez kann hier mit seinem unwiderstehlichen Charme und seinem noch immer erstaunlich frischen Tenor alle Register seines Könnens ziehen und überzeugt natürlich auch mit der Eleganz seiner sportlichen Erscheinung. In dem Terzett „À la faveur de cette nuit obscure“ knistert es geradezu vor Erotik, wenn er glaubt, die Comtesse endgültig erobern zu können, und zunächst nicht merkt, dass diese Isolier, seinen Rivalen, eng umschlungen in ihren Armen hält. Er gesellt sich zu ihnen, streichelt, küsst und umarmt die beiden nach Herzenslust, immer im Glauben, nur die Gräfin zu umschlingen.
Dass dieses Terzett so herrlich gelungen ist, liegt natürlich auch an Flórez’ Partnerinnen, der aus Frankreich gebürtigen Julie Fuchs als Comtesse und der Mezzosopranistin Maria Kataeva als Isolier, die ihre Hosenrolle in pikanten Situationen genüsslich zu nutzen weiß. Der helle Sopran der Julie Fuchs bewältigt nicht nur die immensen Schwierigkeiten ihrer Rolle mit spielerischer Leichtigkeit, sondern ist auch eine mit allen Wassern gewaschene Verführerin, die das Teasing perfekt beherrscht und im nächsten Augenblick, wenn Ory „angebissen“ hat, einen Rückzieher macht und sich keusch und züchtig gibt.
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Dem Dirigenten Diego Matheuz und dem exzellent spielenden Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI ist es zu verdanken, dass die Rossini’schen Crescendi zünden und eine Lebensfreude verbreiten, deren Schwerelosigkeit einfach nur glücklich macht. Geradezu bravourös ist das Matheuz bei dem großen Finale des ersten Aktes gelungen. Das internationale Premierenpublikum – die anspruchsvollen Rossiniani inbegriffen – bedankte sich mit stürmischem Beifall.
KN