„Superpower“: Sean Penn porträtiert Wolodymyr Selenskyj
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Sean Penn bei der Pressekonferenz zum Dokumentarfilm „Superpower“ auf der Berlinale 2023.
© Quelle: IMAGO/Future Image
Berlin. Es begann mit der Idee für einen Film über einen lustigen Vogel: Wolodymyr Selenskyj, ein Komiker und Schauspieler, der irgendwie zum Präsidenten der Ukraine gewählt wurde. „Das wird witzig“, meinte Produzent Billy Smith, als er seinem Freund Sean Penn die Idee vortrug. Dann kam es anders. Am Ende sitzt Penn, US-Regisseur und Schauspieler, im Sommer 2022 mit Selenskyj in Kiew unter einem Baum und sinniert über den Krieg.
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© Quelle: dpa
„Superpower“ heißt Penns Dokumentarfilm, der am Freitagabend Weltpremiere bei der Berlinale hatte. Es ist ein Porträt über Selenskyj geworden, so wie die Welt ihn jetzt kennt. Ein 45-Jähriger im militärgrünen T-Shirt, der binnen eines Jahres scheinbar zehn Jahre gealtert ist. Ein Mann, der rund um die Uhr präsent scheint mit Appellen und Bitten um Waffen und Munition.
Aber der Film ist auch wie eine Echtzeitreportage der Tage vor nun genau einem Jahr, als alle über Russlands Pläne rätselten und viele für niemals möglich hielten, was dann geschah. Der Film verdankt seine Relevanz einem irren Zufall - dass Penn am Tag der russischen Invasion in Kiew war oder wie er es formuliert: „at the center of the universe“.
Dreharbeiten in der Ukraine
Der Regisseur hatte mit seinem Partner Aaron Kaufman schon in den Monaten davor in der Ukraine gedreht. Er hatte mit Aktivisten des sogenannten Euromaidan gesprochen, der Revolution des Winters 2013/2014, die zur Flucht des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und zum Bruch mit Moskau führte. Hatte sich über den 2014 begonnenen Krieg in der Ostukraine und die Annexion der Krim informiert.
Ausgerechnet für den 24. Februar 2022 hatte Selenskyj der Crew ein Interview zugesagt. Das wollte Penn nicht sausen lassen, obwohl der Aufmarsch russischer Truppen an den Grenzen immer bedrohlicher wurde. Dass an dem Tag der Angriff starten würde, wussten beide nicht. Verrückterweise fand das Interview tatsächlich statt. „Toll, dass ihr da seid“, sagt Selenskyj. Auch das inzwischen vertraut: Der Mann wirkt angespannt, aber konzentriert und zugewandt. Dann eilt er wieder davon.
Penn vergleicht dieses Treffen mit der ersten Begegnung mit seinen Kindern nach der Geburt. „Ein Highlight, an dem man ein großes menschliches Herz mit Mut spüren konnte, war dieser Tag mit diesem Mann“, sagte Penn am Samstagmorgen nach der Premiere in Berlin.
Der 62-Jährige spart ohnehin nicht mit großen Worten. Die Ukraine nennt er „ein Land, das genau für die Träume und Wünsche steht, (...) die wir alle teilen, um die es in allen Filmen geht: das bessere Wir.“ Sie stehe für Aufbruch wie einst die Beatles: „Die Ukraine ist im Moment für die Welt wie die Beatles. Wir sollten diese Platte spielen, bis sie ihren Sieg haben und wieder Borschtsch essen.“
Von Penns Film sollte man nicht allzu viel Hintergründiges über den Konflikt erwarten. Die Macher räumen offen ein, dass sie anfangs unbeleckt waren. „Ich denke, keiner von uns verstand richtig, was die Ukraine war“, sagte Co-Regisseur Kaufman in Berlin.
„Wir haben uns in das Land verliebt“
Dann verliebten sich die Regisseure nach eigenem Bekunden in Land und Leute. Und feiern es nun als Ideal für das, was Amerika vielleicht einmal sein wollte: „Nach den letzten vier oder fünf Jahren amerikanischer Politik hatten wir die Verbindung verloren zu etwas, was sie hatten“, sagte Kaufman. „Sie haben unterschiedliche Ansichten, unterschiedliche Lebensweisen, aber sie wollen alle besser werden und sie wirkten sehr geeint.“ Das ist vielleicht der Kern des Films, dieses Aufwachen der beiden US-Regisseure. Sie wollen vor allem in den USA „Grundwissen“ vermitteln, um für Unterstützung zu werben.
Penn spricht im Film immer wieder davon, wie sehr hier die Freiheit des gesamten Westens verteidigt werde. Penn ist überhaupt sehr präsent in seinem eigenen Werk - er führt die Interviews, er kommentiert. Er ist zu sehen, wie er am zweiten Tag des Krieges im Minivan Richtung Polen reist. Und wie er im Sommer zurückkehrt nach Kiew und an die Front. Sean Penn im Schützengraben, auch das wird gezeigt. Ein Regisseur, der sehr viele Zigaretten raucht und immer einen Drink in der Nähe hat, der sichtlich erschüttert und mitgenommen ist von diesem Krieg.
Er habe „ohne jede Entschuldigung einen einseitigen Film“ gemacht, sagte der Regisseur. An einem Gespräch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin habe er kein Interesse, Penn nennt ihn einen „Kriegsverbrecher“. Ist das nicht auch Propaganda?, wurde Penn gefragt. Doch der Regisseur scheint mit sich im Reinen. Er zeige „die Wahrheit über die absolute Einigkeit der Ukraine, nach all den Dingen zu streben, ohne die das Leben sinnlos wäre“, sagte Penn. „Und ich bin sehr glücklich, als Propagandist gesehen zu werden.“
„Sorge um Selenskyj begleitet mich jeden Tag“
Seit seiner Arbeit an dem Dokumentarfilm begleitet Hollywoodstar Sean Penn nach eigenen Worten täglich die Sorge um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. „Natürlich ist das ein sehr persönlicher Film geworden“, sagte der 62-Jährige am Samstag in Berlin. „Anfangs war ja eins ganz klar: Ab dem 24. Februar war der Präsident mit seiner Familie das Hauptziel der Angriffe. Und das war natürlich eine Sache, die uns große Sorgen machte.“
„Dieser Mann hatte mir gerade das Gesicht, den Mut gezeigt“, sagte Penn am Samstag. „Und diesen Mut habe ich in den Gesichtern aller Ukrainer gesehen. Unsere Befürchtung war natürlich, dass wir ihn nicht wiedersehen. Und diese Sorge habe ich natürlich täglich. Und die begleitet mich jetzt durch jeden Tag. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Leben eine sehr fragile Sache ist. Die Leute, die wir lieben, und unsere Träume, ja das alles sollten wir ganz genau im Auge behalten, solange wir auf der Welt sind.“
RND/dpa