Ein Paradebeispiel für toxische Beziehungen: der Depp-Heard-Prozess
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Schauspielerin Amber Heard.
© Quelle: IMAGO/MediaPunch
Verliebt, verheiratet, verklagt: Der Prozess zwischen den Ex‑Eheleuten Johnny Depp und Amber Heard hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Amber Heard sagt, dass sie von Johnny Depp emotional und physisch missbraucht worden sei. Der Schauspieler sagt wiederum, Heard nie geschlagen und auch keine sexuelle Gewalt ausgeübt zu haben. Als Beweismittel wurden unter anderem mehrere Tonprotokolle eingespielt. Hier gibt Heard zum Beispiel zu, Depp ins Gesicht geschlagen zu haben. Gleichzeitig macht sie sich über ihn lustig und bezeichnet ihn als Baby. Depp hat sie wiederum auch beschimpft und in Gesprächen mit Freundinnen und Freunden Mordfantasien geäußert.
Dies sind Beispiele aus dem umfangreichen Gerichtsprozess, in dem etliche Zeuginnen und Zeugen sowie Expertinnen und Experten befragt wurden. Die Geschworenen bestätigten am Mittwoch Depps Vorwurf, Heard habe ihre Missbrauchsvorwürfe gegen ihn erfunden. Der Fall zeigt deutlich den Endzustand einer toxischen Beziehung. Deshalb ist mein Rat auch immer wieder, diese Beziehungen so früh wie möglich zu verlassen. Die Dynamik wird in der Regel immer schlimmer.
Nicht immer sind Männer Täter in Beziehungen
Selbst als Opfer so einer Beziehung verwickelt man sich immer mehr, wird instabiler und fängt womöglich selbst an, sich unangemessen zu verhalten. Der Fall zeigt aber eben auch, dass nicht nur Männer Täter sind. Auch Frauen können zu Täterinnen werden und Männer zu Opfern. Sie leiden dann genauso. Dies kann sich in körperlicher Gewalt zeigen, aber auch Falschaussagen gehören dazu. Frauen, die Falschaussagen machen, schaden massiv der Glaubwürdigkeit anderer Frauen, die tatsächlich Opfer geworden sind.
Wichtig ist, die eigene Spielfläche sauber zu halten. In einer toxischen Beziehung sollte man sich nicht verleiten lassen, selbst „belastendes Material zu produzieren“. Jeder muss für sein Verhalten die Verantwortung übernehmen. Auch Depp muss die Verantwortung dafür übernehmen, Drogen konsumiert zu haben. Ich höre als Paartherapeut immer wieder, dass die schlimmsten Auseinandersetzungen unter Alkoholeinfluss stattgefunden haben.
Beide handeln aus innerer Not
Der Fall Depp gegen Heard zeigt in seiner schlimmsten Form, was toxische Beziehungen aus einem machen können. Dabei ist es eigentlich auch fast egal, wer der Böse und wer der Gute ist. Ohne sie aus der Verantwortung zu nehmen, kann man sicher sagen, dass beide aus innerer Not gehandelt haben und Traumata aus ihrer Kindheit in sich tragen. Depp hat in seiner Kindheit Gewalt erlebt, was oft zu einer Wiederholungstendenz in toxischen Beziehungen führt. Beide Parteien brauchen Heilung und Unterstützung. Ich fühle aber auch mit Männern mit, die Opfer von Falschaussagen werden.
Am Dienstag wurde nun das Urteil gesprochen. Depp erhält 10 Millionen Dollar Schadensersatz und Heard erhält 2 Millionen Dollar. Depp konnte den Prozess für sich entscheiden. Die Medien haben dennoch sehr defensiv über den Fall berichtet. Unabhängig davon, ob es jetzt um Männer oder Frauen geht, war es gut, dass in einem Prozess offengelegt wurde, welche toxischen Verhaltensweisen wie zum Beispiel Gaslighting (Manipulation durch Einschüchterungstaktiken, die Red.), Schuldumkehr, Gewalt und Lügen in solchen Beziehungen gezeigt werden.
Klassischer Attacke-Rückzugs-Zyklus
Der Prozess ist für mich auch ein Sieg gegen Menschen, die sich als öffentliches „Superopfer“ hochstilisieren lassen und es eigentlich nicht sind, weil sie selbst viele Täteranteile in sich tragen. Depp hat sicher auch nicht alles richtig gemacht. Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie toxische Beziehungen das Schlechteste aus einem rausholen. In der Beziehung der beiden zeigte sich ein klassischer Attacke-Rückzugs-Zyklus, der oft vorkommt, hier aber auf die Spitze getrieben wurde.
Johnny Depp gewinnt Prozess gegen Amber Heard fast vollständig
Schauspieler Johnny Depp erringt fast vollständigen Sieg gegen seine Ex‑Frau Amber Heard.
© Quelle: Reuters
Heards anschließendes Statement war irritierend. Sie fühlt sich in ihrer freien Meinungsäußerung eingeschränkt und hat anscheinend immer noch nicht verstanden, worum es geht. Wie viel Feedback braucht sie noch, um ihr Verhalten zu reflektieren? Trotzdem verdient jeder Mensch Mitgefühl, auch Amber Heard. Jetzt hat sie ihr Feedback vom Gericht bekommen. Sie wird sicher trotzdem ihren Weg gehen und ein Stück weit weiter die Tatsachen und ihre Anteile ausblenden. Und sie wird auch Menschen finden, die auf ihrer Seite stehen.
Bevor wir uns aber alle über diese Beziehung erheben und urteilen, sollten wir alle noch mal überlegen, wo wir Verantwortung übernehmen müssen für unser Verhalten. Ich denke, der Tag des Urteils war ein großer Tag zur Sichtbarmachung von toxischen Beziehungen für Männer und Frauen. Der Fall hat gezeigt, dass wir alle immer mehr Täter-Opfer-Beziehungen hinter uns lassen und immer mehr in ein friedvolles Miteinander kommen sollten – auch mit uns selbst.
Der Autor und seine Kurse sind zu erreichen unter www.liebeschip.de. Sein drittes Buch „Die neue Dimension der Liebe“ ist gerade erschienen.
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