Warum auch die Person leidet, die Schluss macht
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Mitgefühl bekommt nach einer zerbrochenen Beziehung meist nur die Person, die verlassen wurde. Dabei leiden beide unter der Trennung.
© Quelle: Pixabay
Frau Schmal, warum leidet auch die Person, die sich trennt?
Niemand entscheidet von heute auf morgen, dass sie oder er sich trennt, das ist immer ein längerer Prozess. Wer verlassen wird, hat diese Vorlaufzeit nicht. Aber auch wenn die Person, die sich trennt, somit einen gewissen Vorteil hat, bedeutet die Trennung trotzdem große Veränderungen für beide. Wir Menschen neigen dazu, uns an festgelegten Strukturen oder Gewohnheiten festzuhalten – also auch an unserem Partner oder unserer Partnerin, an den oder die wir uns über eine gewisse Zeit gewöhnt haben.
Das ist auch der Grund dafür, dass der Liebeskummer nach einer längeren Beziehung meist schlimmer ist – es haben sich dann schon etliche Gewohnheiten eingestellt. Das können Kleinigkeiten sein, wie zum Beispiel, dass der Partner oder die Partnerin mir jeden Morgen schon einen Kaffee eingeschenkt hat. Diese Strukturen bestehen nach einer Trennung nicht mehr, und man ist plötzlich wieder alleine. Das bekommen beide Menschen aus der Beziehung schmerzlich zu spüren. Natürlich gibt einem eine Trennung auch ein Stück Freiheit zurück – aber sie bedeutet auch immer eine gewisse Unsicherheit, die vielen Menschen Angst macht.
Die Angst vor dem Alleinsein
Bleiben viele Menschen aus Angst in einer Beziehung?
Ja, auf jeden Fall. Da geht es dann auch um die Angst davor, was nach der Beziehung kommt und ob man alleine bleibt. Viele Menschen haben das Idealbild, dass das Leben perfekt ist, wenn man eine Partnerschaft führt. Da kommt erst die Partnerschaft, dann die Hochzeit und danach die Kinder – das ist das klassische Rollenbild, das noch immer oft vermittelt wird. Viele Menschen glauben daher, dass erst ein Partner sie komplett macht – und merken nicht, dass diese Ansicht an sich schon absurd ist. Ich muss trotz einer Partnerschaft autonom sein – also für mich selbst glücklich. Diesen Punkt unterschätzen viele und glauben nach der Trennung, dass sie ohne Partner nicht mehr glücklich sein können.
Natürlich gibt einem eine Trennung auch ein Stück Freiheit zurück – aber sie bedeutet auch immer eine gewisse Unsicherheit, die vielen Menschen Angst macht.
Was kann man einem Menschen raten, der sich eigentlich trennen will, aber Angst hat?
Menschen, die Angst vor der Veränderung haben, fokussieren sich ja in erster Linie darauf, was alles schlecht laufen kann, wenn sie sich trennen. Man sollte sich aber an der Stelle viel eher einmal fragen, was denn das Positive wäre und was durch die Trennung besser werden würde. Nur so kann dem Menschen bewusst werden, was er oder sie überhaupt möchte. Denn durch die Überlegung, was besser werden würde, wird einem ja schnell klar, ob es einem mit oder ohne den anderen besser geht. Energy flows, where attention goes: Dort, wo ich meine Aufmerksamkeit hinrichte, dort fließt auch meine Energie hin. Wenn ich also permanent in einer Problemschleife gefangen bin, werde ich mich von meinem Partner nicht trennen, weil ich zu viel Angst vor der Veränderung habe.
Eine Frage des Wollens
Was wäre ein Beispiel für so eine Problemschleife?
Ein klassisches Beispiel ist die Miete. Wer sich immer nur fragt, wie die Miete bezahlt werden soll, wenn Partner oder Partnerin weg sind, und sich nur darauf konzentriert, hat schlussendlich viel zu viel Angst vor der Trennung. Man sollte sich besser klarmachen, dass so eine Trennung auch immer Möglichkeiten und Chancen mit sich bringt. Natürlich ist eine finanzielle Absicherung wichtig und nicht zu vernachlässigen. Aber man sollte sich klarmachen, was einem wichtiger ist: Verharren in einer unglücklichen Beziehung, um den Standard zu halten, oder einen Weg finden? Beides hat eine Daseinsberechtigung, es ist nur eine Frage des Wollens. Und irgendwie findet sich immer ein Weg, wenn man will.
Wenn ich also permanent in einer Problemschleife gefangen bin, werde ich mich von meinem Partner nicht trennen, weil ich zu viel Angst vor der Veränderung habe.
Wer sich einmal getrennt hat, sollte dabei bleiben. Derartige Ratschläge hört man immer wieder. Würden Sie das bestätigen?
Ich glaube, darauf gibt es keine Pauschalantwort – es kann gut gehen, aber es muss nicht. Ich kenne Paare, die sich getrennt haben und gemerkt haben, dass es ohne einander nicht klappt, und dann glücklicher waren als zuvor. Es gibt aber auch Paare, die sich trennen und nach kurzer Zeit beginnen, die Beziehung zu idealisieren. Die gehen dann in die vermeintliche Sicherheit zurück und vergessen, warum sie sich überhaupt getrennt hatten – bis das Thema wieder hochkommt. Das sind dann oft die Paare, die sich wieder trennen.
Auf Gutes fokussieren
Was sind die drei wichtigsten Tipps nach einer Trennung?
Nach einer Trennung sollte man sich unbedingt darauf fokussieren, was gut ist. Genauso wichtig: Bewegung. Eine Trennung fühlt sich manchmal wie Trauer an – auch von der Hormonausschüttung ist es ähnlich. Wer sich dann viel bewegt und aktiv wird, kann dafür sorgen, dass Hormone ausgeschüttet werden, die uns belohnen und wieder glücklicher machen. Dann merkt man auch schneller, dass es einem auch alleine gut gehen kann. Wichtig ist es auch, sich genug Zeit zu geben. Viele denken, dass es eine festgelegte Zeit gibt, wann man nach einer Beziehung wieder auf dem Damm sein muss – die gibt es aber nicht. Diese Phase nach einer Beziehung ist sehr wichtig, um die Trennung auch verarbeiten zu können.
Worauf sollte man noch achten?
Wer nach einer gewissen Zeit merkt, dass sie oder er aus der Trauer nach einer Trennung nicht mehr rauskommt, sollte darüber nachdenken, sich professionelle Hilfe zu suchen. Anzeichen dafür können etwa sein, dass man noch jeden Tag an den anderen denkt, obwohl es eigentlich keine Hoffnung mehr auf Versöhnung gibt und die Trennung lange her ist. Manche Menschen können eine Trennung alleine nicht verarbeiten und sollten dann eine Fachfrau oder einen Fachmann aufsuchen.
Susanne Schmal ist Psychologin und Mitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Sie betreibt ihre Psychologische Fachpraxis Deep Blue Therapy in Hamburg.