18 Jahre verheiratet

Was tun, wenn in der Partnerschaft nur noch Langeweile herrscht?

Seit 18 Jahren sind Tanja und Christian verheiratet – doch die anfängliche Verliebtheit ist verflogen.

Seit 18 Jahren sind Tanja und Christian verheiratet – doch die anfängliche Verliebtheit ist verflogen.

Bei der letzten Weihnachtsfeier wurde mir wieder bewusst, was ich so vermisse. Ein Kollege hatte heftig mit mir geflirtet, mir Komplimente gemacht und mich mit Blicken fast verschlungen. Ich fühlte mich so herrlich begehrt. So erotisch. Dieses knisternde Gefühl – mit meinem Mann Christian hatte ich das so lange nicht mehr. Wenn ich ihn ab und zu frage, ob er mich noch liebt, sagt er nur wie nebenbei „Natürlich, mein Schatz“. Oder wenn ich nachhake, ob er mich denn auch noch sexy finde, blickt er verwundert auf und nickt. In diesem Moment weiß ich, dass er überhaupt nicht begriffen hat, was ich eigentlich wollte. Dass ich mich nach der früheren Zärtlichkeit sehne. Seinen kleinen Liebesbeweisen. Dem Mann, der so charmant war.

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Wir sind jetzt seit 18 Jahren verheiratet, und ich erinnere mich nicht mehr genau daran, wann es anfing, dass wir immer mehr aneinander vorbeilebten. Zu Anfang forderten unsere Kinder unsere volle Aufmerksamkeit. Da blieb die Beziehung dann häufig auf der Strecke. Bei unserer Tochter noch nicht so sehr. Aber als der Kleine kam, war er wirklich oft krank und brauchte meine volle Kraft und Liebe. Zum Glück hat er sich dann irgendwann wieder gefangen, und Christian und ich konnten aufatmen. Zeit für uns hatten wir deshalb aber nicht mehr. Denn auch ich begann bald wieder, 30 Stunden zu arbeiten, damit wir finanziell über die Runden kamen. Und so mussten wir Job und Familie irgendwie unter einen Hut bekommen.

Das Gefühl, zu zweit zu sein, war ein kleiner Luxus

Trotzdem – wir wollten auch noch etwas von uns haben. Und mit viel guter Planung und Organisation schafften wir es damals tatsächlich ab und zu, uns kleine Paarinseln zu schaffen. Zum Glück sprangen unsere Eltern manchmal als Babysitter ein und ermöglichten uns so, dass wir auch mal ein Wochenende ganz allein für uns hatten. Verreisen wäre zu teuer gewesen, aber das Gefühl, einmal nur zu zweit zu sein, war auch schon wie ein kleiner Luxus.

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Später, als die Kinder auch mal allein bleiben konnten, zogen wir es sogar eine Zeit lang durch, uns einen Tag die Woche für uns zu reservieren, um uns hübsch zu machen und Essen zu gehen oder mal wieder einen Kinofilm zu sehen. Aber wahrscheinlich war es auf Dauer zu anstrengend und wir abends oft zu erschöpft, sodass wir unsere Paarabende immer häufiger in Jogginghose zu Hause auf dem Sofa verbrachten, statt noch in die Stadt zu gehen. Und lange redeten wir uns ein, dass das doch auch viel gemütlicher sei. Stattdessen schlief unsere Beziehung immer mehr ein.

Kaum noch gemeinsame Hobbys

Heute sind unsere Kinder bald schon erwachsen und es dauert nur noch ein bis zwei Jahre, dann sind beide mit der Schule fertig und gehen aus dem Haus. Wenn ich daran denke, frage ich mich wirklich, was Christian und mich dann wohl noch verbindet? 18 Jahre lang stand für uns die Familie an der ersten Stelle und wir haben unsere ganze Energie darauf verwendet, dass es den Kindern gut geht. Was kommt nun? Manchmal habe ich richtig Angst davor, was wohl mit uns passiert, wenn wir wieder auf uns allein zurückgeworfen werden? Wir haben ja kaum noch gemeinsame Hobbys. Früher da mochten wir beide gern zu Konzerten oder ins Musical gehen. Und wir unternahmen fast jedes Jahr abenteuerliche Motorradtouren mit Freunden. Aber heute sind wir beide so träge geworden oder machen lieber etwas allein als mit dem anderen.

Wenn ich mal losgehe und tanzen will, verabrede ich mich ganz automatisch mit meinen Freundinnen. Christian hat ja sowieso keine Lust auf Tanzen. Nur, wenn es um Fußball geht, kommt er in Fahrt. Da versäumt er kein Heimspiel seines Klubs und ist dabei jedes Mal Feuer und Flamme. Manchmal bin ich fast eifersüchtig auf die Leidenschaft, mit der er am Fußball hängt. Und ich würde mir wünschen, wenn er sich doch auch wieder so für mich begeistern und einsetzen könnte. Wenn er mich nicht nur wie ein altes Möbelstück behandeln würde. Ich glaube, wenn das so weitergeht und wir nichts mehr finden, was wir aneinander lieben, sehe ich keine Chance mehr für unsere Beziehung. Vielleicht müssen wir dann irgendwann über eine Scheidung nachdenken.

„Familiäre Hintergründe wirken sich auf die Paarbeziehung aus“

Johannes Steilmann, Paarberater aus Hamburg:

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„Aus meinen über 30 Berufsjahren weiß ich, wie schwer es für Paare ist, Privatleben und Berufsleben unter einen Hut zu bekommen. Und vor allem die Elternphase ist für viele Beziehungen sehr belastend, weil sich mit Kindern so viel in der Partnerschaft verändert. Nähe geht verloren, weil das Kind plötzlich zur Nummer eins wird.

Manchmal hilft es Paaren, sich wieder bewusst mehr Zeit füreinander zu nehmen oder darauf Acht zu geben, sich für den Partner wieder attraktiv zu machen. Wenn es ein Paar aber nicht schafft, den Weg aus der Krise zu finden, und wenn zunehmend Sprachlosigkeit zwischen beiden herrscht, ist dringend angeraten, sich Hilfe von außen zu holen. Auch diejenigen, die sich nach der ersten verliebten Zeit der brennenden Herzen zurücksehnen, erkennen nicht, dass es normal ist, wenn die Verliebtheit über die verschiedenen Phasen des Lebens hinweg einer reifen Liebe weicht.

„Viele Beziehungsprobleme sollten von außen reflektiert werden“

Falls einem Paar die Sexualität komplett verloren geht oder wenn es nur alle paar Monate miteinander schläft, so ist auch das ein deutliches Alarmsignal. In diesem Fall ist es ratsam, in einer Paartherapie über die unerfüllten Bedürfnisse in der Partnerschaft zu sprechen.

In meiner Praxis betrachten meine Frau und ich als Paarberatungspaar gemeinsam das systemische Netzwerk der zu uns kommenden Paare – also ihre familiären Hintergründe. Denn viele Beziehungsprobleme haben unterbewusst etwas mit der Beziehung zu den Eltern zu tun und sollten von außen reflektiert werden.

Manchmal ist es auch sehr wirksam, bei der ersten Paarsitzung Mann und Frau in unterschiedliche Zimmer zu führen und ihre Paarbeziehung mit Puppen aufstellen zu lassen. Schon der Vorgang bewirkt sehr viel. Und die Aufstellung seines Partners zu betrachten ist für viele sehr bewegend. In den nächsten Schritten geht es dann darum, zu erarbeiten, was alles gut war und ist an der Beziehung, und diese Punkte zu verstärken. Eine Scheidung sollte doch nur der letzte Ausweg sein.“

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