Expertin erklärt, wann die beste Zeit zum Sporttreiben ist
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Wann ist die optimale Zeit fürs Joggen? Das lässt sich nicht pauschal beantworten.
© Quelle: Venti Views/Unsplash/Montage RND
Macht es einen Unterschied, ob ich morgens oder abends Sport treibe? Oder vielleicht sogar rund um die Uhr in Fitnessstudios, die 24 Stunden lang geöffnet haben? Es ist eine Typfrage. Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Chronotypen: den Morgentyp, den Abendtyp und den Mischtypen, zu dem etwa 60 Prozent der Bevölkerung zählen. Ein wesentlicher Unterschied dieser Typen besteht im Melatonin-Profil. Melatonin ist ein Hormon, das wie ein körpereigener Rhythmus-Synchronisator unser Verhalten, aber auch physiologische Funktionen organisiert.
Spitzenwerte von Melatonin werden beim Morgentyp drei Stunden früher erreicht als beim Abendtyp. Abendtypen stehen daher meist später auf und erreichen ihre beste Leistung in der zweiten Tageshälfte. Morgentypen scheinen dagegen gewissenhafter und leistungsorientierter zu sein. Was das Sportverhalten angeht, sind jedoch noch viele Fragen offen. Antworten gibt die Chronobiologie. Sie beschäftigt sich mit dem Einfluss der Zeit auf unsere physiologischen Prozesse. Zumeist wird dabei ein ganzer Tag betrachtet, man spricht dann vom zirkadianen Rhythmus.
Wenn der Rhythmus durcheinander gerät
Der wichtigste Taktgeber dieses hochkomplexen Systems sitzt im Gehirn: Es ist der suprachiasmatische Kern. Dieser Kern reagiert vor allem auf Licht, reguliert darüber den Schlaf-Wach-Rhythmus und weitere biologische Abläufe wie Essen, Emotionen, Reproduktion und auch die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit. So ruhen nicht nur wir in der Nacht, sondern viele körperliche und hormonelle Funktionen regenerieren. Zum Morgen hin wird dann das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, wir werden leistungsfähig. Dieses Cortisol nimmt dann im weiteren Verlauf des Tages zunächst ab und steigt gen Nachmittag wieder.
Ähnlich verhält es sich mit der sportlichen Leistung. Unter normalen Bedingungen ist der körpereigene Schlaf-Wach-Rhythmus mit dem Tag-Nacht-Wechsel und anderen Faktoren wie dem Zeitpunkt der Mahlzeiten und sozialen Routinen synchronisiert. Schichtarbeit oder Flugreisen über mehrere Zeitzonen bringen diesen ureigenen Rhythmus durcheinander. Solche Störungen des zirkadianen Rhythmus können langfristig zu Übergewicht, Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes, Krebs, neurodegenerativen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Eine Möglichkeit, den gewohnten Takt wiederherzustellen und sich gewissermaßen wieder zu synchronisieren, ist körperliche Aktivität.
Einfach ausprobieren
Bekannt ist, dass unsere Leistungsfähigkeit vom zirkadianen Rhythmus beeinflusst wird. Darüber hinaus finden sich Zusammenhänge, was die eigene Wahrnehmung von Leistung und Erschöpfung angeht. Morgentypen sind erwartungsgemäß in der ersten Tageshälfte weniger ermüdet und erzielen dann bessere Laufzeiten. Abendtypen erreichen höhere Spitzenleistungen am Nachmittag. Darüber hinaus erhöht Bewegung am Morgen, nicht aber am Nachmittag oder Abend, die Fettverbrennung über weitere 24 Stunden. Dies deutet darauf hin, dass das Timing von Training eine gewisse Rolle spielt.
Daher klingt die Antwort auf die Frage nach der besten Uhrzeit für Sport zunächst ganz einfach: ausprobieren und auf das eigene Gefühl hören. Glücklicherweise bieten Sport und Bewegung eine Vielzahl von gesundheitlichen Vorteilen, auch unabhängig von der Uhrzeit. Am wichtigsten ist daher erst einmal das „Überhaupt“.
Prof. Christine Joisten ist Sportmedizinerin am Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft an der Deutschen Sporthochschule Köln.
In der Kolumne „Auf der Couch“ schreiben wechselnde Expertinnen und Experten zu den Themen Partnerschaft, Achtsamkeit, Karriere und Gesundheit.