Chanukka ’31: Neue Ausstellung zu Kiels berühmtestem Foto eröffnet
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Für alle Sinne: Die Ausstellung „Chanukka ’31“ enthält Audioangebote ebenso wie haptische Erlebnisse.
© Quelle: Stefanie Gollasch
KIEL. Sagt ein Bild wirklich mehr als tausend Worte? Im Fall des berühmten Kieler Fotos von Rahel Posner lautet die Antwort uneingeschränkt: ja. Wie stark und vielfältig die Botschaft dieser Abbildung aus dem Jahr 1931 ist, zeigt die am Sonntag eröffnete Ausstellung "Chanukka '31" im Warleberger Hof. Innovativ und kreativ sind die Ideen, mit denen das Team um Museumsleiterin Sonja Kinzler die Kieler Welt der Posners, aber auch den Weg des Bildes lebendig werden lässt. Bisheriger Schlusspunkt: die zentrale Rolle, die das Bild in der Aktion "Licht zeigen" von Yad Vashem und Kieler Nachrichten gespielt hat.
Das Foto von Rahel Posner ist oft in falschen Zusammenhängen gezeigt worden
Die Aufnahme, die Rahel Posner, Ehefrau des letzten Kieler Rabbis vor dem Zweiten Weltkrieg, in ihrem Wohnzimmer machte, zeigt den Chanukka-Leuchter der Familie. Er steht in der Fensterbank der Wohnung am Sophienblatt, im Hintergrund hängt an der gegenüberliegenden Gebäudefassade schon eine Hakenkreuzflagge. Die ikonische Symbolkraft wirkt in den Aufklebern nach, die im Januar über die Kieler Nachrichten verteilt wurden und als Zeichen gegen Hass und Ausgrenzung bundesweit an zahlreiche Fenster und Türen geklebt wurden.
Der krasse Gegensatz von jüdischem Leben einer- und Nazi-Zeichen andererseits hat das Bild später in manch ungenauen Kontext geraten lassen. So musste es beispielsweise herhalten zur Illustration von Texten, die sich mit dem Dritten Reich nach 1933 befassten. Dabei zieht das Foto seine Kraft gerade aus seinem frühen Entstehungszeitpunkt: Rahel Posner sah eher als viele andere voraus, welche Gefahr den Juden drohte.
Reliefkacheln ermöglichen das Ertasten der Bildkomposition
Damit jeder Gast der Ausstellung dieses so besondere Foto im wahrsten Wortsinn begreifen kann, gibt es sogar eine Version zum Anfassen: Im verkleinerten Maßstab ist die Wand mit dem Fenster und dem Leuchter in der Fensterbank nachgebaut und kann berührt werden. Auf Reliefkacheln kann zudem ertastet werden, wie das Originalbild komponiert war.
„Juda verrecke, die Fahne spricht, Juda lebt ewig, erwidert das Licht“ schrieb Rahel Posner auf die Rückseite ihres Fotos. „Es war Prophetie von Rahel Posner, dass dieser Tiefpunkt der Zivilisationsgeschichte nicht ausgereicht hat, das Licht zu vernichten“, sagte Johannes Rosenplänter, Chef des Kieler Stadtarchivs, am Sonntag bei der Ausstellungseröffnung, die aus Platzgründen in den Ratssaal verlegt worden war.
OB Kämpfer: Ich dachte, wir wären schon weiter beim Kampf gegen Antisemitismus
Ruth Ur, Geschäftsführerin des Freundeskreises Yad Vashem, betonte, wie wichtig es nach wie vor sei, sich mit dem Holocaust zu beschäftigen: "In Yad Vashem lebt ein großes Stück deutscher Vergangenheit fort, und das ist auch heute noch relevant für jeden." Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) unterstrich das: "Ich hatte lange geglaubt, dass wir schon viel weiter seien beim Kampf gegen den Antisemitismus, aber beschämende Vorfälle auch in unserer Stadt zeigen, dass ich mich da korrigieren muss." Bedrückender Beweis: die beiden Polizisten, die am Sonntag vor dem Warleberger Hof die Lage im Blick behielten.
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Umso größer ist der Schritt, den die Nachfahren des Rabbis Posner demnächst gehen werden: Im Dezember werden drei von ihnen nach Kiel reisen. Es werde ihre erste Deutschlandreise sein, sagt Ruth Ur: „Sie möchten sehen, wie sich Deutschland verändert hat, seit ihr Großvater Kiel verlassen musste.“
Die Ausstellung „Chanukka ’31“ ist bis zum 12. März 2023 täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr im Stadtmuseum Warleberger Hof, Dänische Straße 19, zu sehen. Der Eintritt ist frei. Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm.