Prozessstart am Kieler Amtsgericht
Gibt es nach dem tragischen Tod einer 23-Jährigen im August 2020 auf dem Kieler Rathausplatz einen Schuldigen? Das ist die zentrale Frage, die im Kieler Fahnenmast-Prozess geklärt werden soll. Zeuginnen und Zeugen berichteten am Montag von schrecklichen Bildern, aber auch von Erinnerungslücken.
Kiel. Starb die 23-jährige Michelle am 3. August 2020 auf dem Kieler Rathausplatz wegen der Fahrlässigkeit eines Lkw-Fahrers (62) und seines Beifahrers (75) oder aufgrund der Verkettung unglücklicher Umstände? Diese Frage soll der Fahnenmast-Prozess vor dem Kieler Amtsgericht klären. Im Kern geht es darum, ob der Fahrer beim Zurücksetzen des Lkw von seinem Beifahrer eingewiesen wurde oder nicht. Das Heck des Fahrzeugs stieß gegen einen Fahnenmast, der daraufhin auf das 23-jährige Opfer stürzte und sie erschlug. Die Kieler Staatsanwaltschaft hat die beiden Männer wegen fahrlässiger Tötung angeklagt.
Bereits am ersten Prozesstag wurde deutlich, dass die Beantwortung dieser zentralen Frage schwierig werden dürfte. Zwar waren zahlreiche Menschen an diesem Tag auf dem Rathausplatz, weil die Stadt ihre neuen Auszubildenden begrüßte und für ein Foto dort versammelte. Doch das Unglück liegt bereits knapp zwei Jahre zurück. Die ersten am Montag vernommenen Zeuginnen und Zeugen konnten sich verständlicherweise an einige Details nicht mehr erinnern oder hatten versucht, die schrecklichen Bilder zu verdrängen. „Ich habe versucht zu vergessen“, sagte eine 42-Jährige im Zeugenstand, die die Tragödie damals als Ausbilderin miterlebt hatte.