Kieler Grüne verzichten auf Kandidaten
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Sozialdemokrat Ulf Kämpfer warb auf der Mitgliederversammlung der Grünen um Unterstützung, "weil ich nun mal Rot-Grüner bin!"
© Quelle: Thomas Eisenkrätzer
Kiel. Zuvor hatte eine Findungskommission der Grünen die Unterstützung des Sozialdemokraten empfohlen. Nach einer gut dreistündigen Debatte stimmten am Schluss 68 Mitglieder für die Empfehlung. Der grüne Energie-Experte Philipp Schmagold, der kurzfristig aus eigenem Antrieb seinen Hut in den Ring geworfen hatte, bekam 24 Stimmen. 13 Mitglieder votierten gegen beide Bewerber, sechs enthielten sich.
Kämpfer leitet aus dem grünen Votum "eine andere Legitimität" für seine erneute OB-Kandidatur ab. Jetzt könne er mit rot-grünen Positionen in den Wahlkampf gehen und müsse sich nicht von grünen Inhalten abgrenzen, sagte er.
Grüne Prominenz für Ulf Kämpfer
Die versammelte Parteiprominenz legte sich auf der Jahreshauptversammlung für Kämpfer ins Zeug. "Ulf, Du bist ein guter Kandidat. Meine Stimme geht an Dich", rief die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold in den überfüllten Saal des Bodelschwingh-Hauses.
Der Landtagsabgeordnete Lasse Petersdotter nannte den Wahlerfolg der Grünen bei der Europawahl einen "Auftrag für grüne Politik", aber die Partei müsse "nicht jede Machtoption ausspielen".
Die erkrankte Bundestagsabgeordnete Luise Amtsberg ließ verkünden, sie stehe auf jeden Fall zur Unterstützung Ulf Kämpfers.
Grüne Fraktionschefin beschwört die Kieler Kooperation
Die Ratsfraktionschefin Jessica Kordouni verwies auf den Zusammenhalt der Ratskooperation mit SPD und FDP. Die Grünen wollten mit Kämpfer "die Stadt progressiv umbauen" und auch "unbequeme Entscheidungen treffen".
Sogar Kordounis Vorgängerin Lydia Rudow stieg pro Kämpfer in die Bütt und beschwor den Grundsatz "Inhalt vor Person". Das bedeute: "Qualifikation vor Parteibuch!" Die erfolgreichen Grünen seien "in einer anderen Lage als früher: Ein Zählkandidat reicht nicht."
Grüner Vorstandssprecher geht grünen Bewerber an - und bittet um Entschuldigung
Auch Vorstandssprecher Johannes Albig sprach dem Parteifreund Schmagold die OB-Statur ab: "Philipp, Deine Kandidatur wäre symbolisch. Das können wir uns nicht mehr leisten." Einen Kandidaten, der Kämpfer wirklich das Wasser reichen könnte, hat die Findungskommission indes nach Albigs Angaben nicht gefunden.
Albig warf dem Individualisten Schmagold zudem an den Kopf, eine Zusammenarbeit mit ihm sei schwierig: "Mit Dir gibt es immer Probleme" - eine Wortwahl, für die Albig Schmagold anschließend um Entschuldigung bat. Da sei er zu weit gegangen.
Schmagold nennt sich einen "Kandidaten mit Ecken und Kanten"
Schmagold selbst räumte ein, er sei ein Kandidat "mit Ecken und Kanten". Das sei kein Nachteil: "Es sind die Unbequemen, die die Welt verändern." Er warf Kämpfer Inkonsequenz und Versagen in der Klimapolitik vor. Er versprach, als OB werde er ein Diesel-Fahrverbot auf dem Theodor-Heuss-Ring verfügen und eine Solar-Offensive starten.
Applaus bekam Schmagold für seinen Satz: "Ich habe das Glück, nicht so nah mit Ulf befreundet zu sein, dass es mir unmöglich wäre, gegen ihn anzutreten." Ein Seitenhieb gegen die grünen Kämpfer-Buddies wie Heinold und Amtsberg.
Kämpfer wirbt um Unterstützung, "weil ich nun mal Rot-Grüner bin"
Kämpfer selbst warb um grüne Unterstützung, "weil ich nun mal Rot-Grüner bin!" In seiner Amtsbilanz hob der Oberbürgermeister gezielt auf grüne Themen ab: Kohleausstieg, Gaskraftwerk, Stadtbahnplanung, Radwegebau, ÖPNV, Kreativwirtschaft, Flüchtlingspolitik mit Erklärung Kiels zum "sicheren Hafen". Kämpfer verkündete die Aufnahme von acht Flüchtlingen aus Eritrea während der Kieler Woche.
Grüner Ratsherr Arne Stenger steht gegen Kämpfer auf
Kämpfers Kritiker hatten einen schweren Stand. Der grüne Ratsherr Arne Stenger versuchte es so: "Nie habe ich von Ulf gehört, dass es Einschränkungen für Autofahrer auf dem Theodor-Heuss-Ring geben muss, dass es die autofreie Innenstadt geben muss oder dass Rüstungsgüter aus Kiel in die Welt Scheiße sind."
Der Ratsherr plädierte energisch für einen grünen Kandidaten. "Sonst stehen Andreas Ellendt für die CDU und Ulf Kämpfer für die SPD auf dem Podium. Grüne Positionen werden nur besetzt, wenn wir mit auf dem Podium stehen!"
Ratsherr Stenger wäre selbst gern angetreten
Stenger gab bekannt, dass er selbst gern gegen Kämpfer angetreten wäre. Er habe aber in der grünen Findungskommission und in der eigenen Ratsfraktion keine Mehrheit gefunden.
Grüne Jugend hält an ihrer Kritik fest
Für die Grüne Jugend sagte ihre Vorstandssprecherin Nele Johannsen beiden Bewerbern ab. Bei Kämpfer fehle die Konsequenz in der Klimapolitik. Aber auch hinter Schmagolds kurzfristige Kandidatur wolle die Grüne Jugend sich nicht gleich stellen. Die Jugendorganisation werde alle OB-Kandidaten weiter kritisch beobachten.
Lukas Friedrich von der Grünen Jugend bestand darauf: "Unser Wählerauftrag ist auch, mit eigenem Personal grüne Positionen umzusetzen!"
Die Kritiker bekamen herzlichen Applaus, aber keine Mehrheit.
CDU-Chef Stritzl: "Roter Kandidat in grünen Handschellen"
Auf dem Parteitag der Kieler CDU, der parallel lief, reagierte CDU-Chef Thomas Stritzl auf die Kunde von den Grünen: "Jetzt ist klar: Es gibt einen roten Kandidaten in grünen Handschellen!"
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