Systemkritik an Hochschulen

Interview mit Prof. Martina Winkler: „Wer kein Professor wird, fliegt raus“

Viele Professorinnen und Professoren solidarisieren sich mit den Nachwuchswissenschaftlern: In einem offenen Brief bezeichnen sie die geplante Gesetzesreform zur Wissenschaftszeitarbeit als „Verschlimmbesserung“. Im Interview erklärt die Kieler Historikerin Prof. Martina Winkler, warum sie den Brief unterzeichnet hat.

Viele Professorinnen und Professoren solidarisieren sich mit den Nachwuchswissenschaftlern: In einem offenen Brief bezeichnen sie die geplante Gesetzesreform zur Wissenschaftszeitarbeit als „Verschlimmbesserung“. Im Interview erklärt die Kieler Historikerin Prof. Martina Winkler, warum sie den Brief unterzeichnet hat.

Kiel. Gegen die geplante Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes laufen Forscher aus allen Fachbereichen Sturm. Martina Winkler war eine der ersten von bundesweit über 2800 Professorinnen und Professoren, die einen offenen Brief unterzeichnet haben. Darin heißt es, die „jetzt schon kaum mehr zumutbaren Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen drohen sich noch weiter zu verschlechtern“. Im Interview erklärt die Kieler Professorin, was dahintersteckt.

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Frau Professorin Winkler, warum löst die Reform der Zeitverträge einen so großen Protest aus?

An diesem Thema wird deutlich, was alles schief läuft im deutschen Wissenschaftssystem. Es geht um die dramatisch prekäre Beschäftigungssituation von Mitarbeiter*innen, aber darüber hinaus auch darum, dass der gesamte Wissenschaftsbetrieb leidet und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet ist.

Professorin Winkler: Es gibt jenseits der Professuren kaum Dauerstellen

Wo liegt das Problem konkret?

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In dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz ist geregelt, dass Promovierende für höchstens sechs Jahre beschäftigt werden. Nach der Promotion gibt es für die Habilitation eine Anstellung für maximal weitere sechs Jahre. Wer danach keine Dauerstelle hat, muss die Hochschule verlassen. Es gibt aber, abgesehen von Professuren, so gut wie keine Dauerstellen. Wer also nach maximal zwölf Jahren keine Professur hat, und das passiert sehr häufig, fliegt raus aus der Wissenschaft – mit all dem Wissen und all den Kompetenzen, die er oder sie über die Jahre erworben hat. Daher wurde das Gesetz kritisiert und soll reformiert werden. Das Forschungsministerium hat ein Eckpunktepapier vorgestellt, das im Wesentlichen zum Inhalt hat, die zweite Beschäftigungsphase von sechs auf nur noch drei Jahre zu verkürzen. Diese Verkürzung und das Ignorieren der vielen anderen Probleme, die mit dem Gesetz verknüpft sind, löste den Protest aus.

In dem offenen Brief bezeichnen Sie den Ministeriumsvorschlag als Verschlimmbesserung. Was schlagen Sie vor?

Es gibt unterschiedliche Vorschläge, und dieser Brief wurde sehr schnell formuliert, es ist also kein durchgehend abgestimmtes Programmpapier. Sehr wichtig sind die Vorschläge, die schon länger von der Initiative #ichbinhanna und vom Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft erarbeitet wurden. Wenn Sie mich fragen: Im Prinzip muss das ganze System geändert werden. Im Moment sind bundesweit etwa 80 Prozent der Wissenschaftler*innen befristet beschäftigt, es gibt nur sehr wenige unbefristete Stellen und etwa 15 Prozent Professor*innen. Was wir aber brauchen, sind viele attraktive Dauerstellen im wissenschaftlichen Mittelbau, das ist international üblich.

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Winkler: Mit mehr Dauerstellen wäre das System flexibler

Das Bundesforschungsministerium argumentiert, dass Dauerstellen das System verstopfen und der wissenschaftliche Nachwuchs nicht nachrücken könne.

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Die Leute, die jetzt eine feste Stelle haben, halten tatsächlich mit Händen und Füßen daran fest, weil sie keine Möglichkeit haben, irgendwo anders eine Dauerstelle zu finden. Wenn es aber mehr davon gäbe und sie die Chance auf andere interessante Stellen hätten, dann wäre das ganze System flexibler und effizienter.

KN

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