Erstes Stück: Wie Gleichaltrige den KZ-Alltag erlebten
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Das Leben von Kindern im KZ Theresienstadt dokumentierte das Jüdische Museum Rendsburg vor einiger Zeit in seiner Ausstellung „Die Mädchen von Zimmer 28“. Auf den gleichnamigen Tagebuchaufzeichnungen der KZ-Überlebenden Helga Pollak basiert in Teilen auch das in Schönkirchen entstehende Theaterstück „Ein Stern auf ihren Herzen“.
© Quelle: Joerg Wohlfromm
Schönkirchen. Der romantisch anmutende Titel des Stücks führt in die Irre. „Ein Stern auf ihren Herzen“ hat mit Romantik nichts zu tun, sondern mit jüdischen Kindern, die im KZ Theresienstadt überleben wollen. In Schönkirchen proben jetzt elf Schüler zwischen acht und 14 Jahren ein Theaterstück, das Andrea Oberheiden-Brent aus Original-Tagebüchern und später verfassten Erinnerungen von damals internierten Kindern zu einem szenischen Text zusammengestellt hat. Jetzt bekommt das ungewöhnliche Projekt auch prominente Unterstützung.
Natürlich weiß die 44-Jährige, dass ein thematisch so hartes Projekt Kinder stark fordert. „Aber dadurch auch stark machen kann“, ergänzt die studierte Literatur- und Medienwissenschaftlerin, die für ihr ungewöhnliches Projekt ein Vorbild hat. In Los Angeles (USA) lernte sie vor einigen Jahren einen Lehrer kennen, der in einem „Problemviertel“ öffentlich stark beachtete Shakespeare-Inszenierungen erarbeitet - mit Grundschulkindern, wohlgemerkt aus meist prekären Verhältnissen voller Drogen, Vernachlässigung und Gewalt.
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Andrea Oberheiden-Brent inszeniert mit Kindern in Schönkirchen ein Theaterstück unter anderem mit Texten aus Tagebuchaufzeichnungen von Kindern, die im KZ Theresienstadt interniert waren.
© Quelle: Jürgen Küppers
Schüler proben mit vollem Einsatz
Trotzdem seien so an der US-Schule nicht nur lebendige, lebensnahe, leidenschaftliche Inszenierungen mit viel Musik und Fantasie entstanden. Die Probenarbeit – oft bis in die frühen Abendstunden hinein – „gab dem Alltag der Kinder außerdem Struktur, Sinn, ein Ziel“, erklärt Andrea Oberheiden-Brent. Die Schüler entwickelten Teamgeist, lernten, dass Regeln Sinn haben. Folge: Viele von ihnen hätten später sogar an renommierten Universitäten studiert.
Ähnlich positive Erfahrungen macht die Projektleiterin derzeit auch mit ihrer Schönkirchener Schülertheatertruppe. Fast alle kämen erstaunlich regelmäßig und pünktlich zu den Proben, die Anfang November vergangenen Jahres in der Schulaula des Schulzentrums im Augustental starteten.
Text ist eine Montage aus Originalquellen von Zeitzeugen
Gerade jüngere Kinder stellten viele Fragen zu Themen wie Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, verarbeiteten in Rollenspielen mit Puppen oder Spielzeug das Thema des Stücks, ältere Schüler machten sich eher Gedanken über die Art der Inszenierung.
Die will Andrea Oberheiden-Brent bewusst schlicht halten. Ein Bühnenbild im herkömmlichen Sinn gebe es nicht. Stattdessen kämen Videoprojektionen, farbiges Licht mit Schatteneffekten zum Einsatz. Der Text des etwa 45 Minuten langen Stücks ist eine Art Montage aus Originalquellen wie Gedichten, Tagebuchaufzeichnungen von Kindern und später verfassten Erinnerungen von Theresienstadt-Überlebenden.
Prominente KZ-Überlebende hat Mitarbeit zugesagt
Eine davon, Inge Auerbacher, hat sogar ihre Bereitschaft signalisiert, an der Schönkirchener Inszenierung mitzuwirken. Erst vor ein paar Wochen sprach die heute 87-Jährige im Berliner Bundestag und in TV-Talkshows über ihre Erlebnisse im KZ Theresienstadt. „Jetzt hat sie uns ihr Engagement bei unserem Stück zugesagt“, freut sich die Regisseurin. Geplant sei eine Videoeinspielung von Inge Auerbacher, möglicherweise auch ein Live-Gespräch. „Wir müssen abwarten, was da möglich ist.“
Dass die aus Schönhorst bei Schönkirchen stammende Projektleiterin, die Vorerfahrungen als Regie- und Dramaturgieassistentin an diversen deutschen Theatern hat, bei ihrer eigenen Theaterpremiere in der Heimat gleich ein so ernstes Thema wählte, ist kein Zufall. Es begleitet Andrea Oberheiden-Brent schon ihr Leben lang.
Auch KN setzen Zeichen gegen Antisemitismus
Die Kieler Nachrichten starteten Ende Januar die Aktion „Licht zeigen“ als weithin sichtbares Signal gegen Antisemitismus und Ausgrenzung. Ob Schülerinnen und Schüler im Norden, ob Ministerpräsident, Uni-Chefin oder KN-Leser: Sie alle setzen mit Aufklebern des Chanukka-Leuchters der ehemals in Kiel beheimateten Rabbi-Familie Posner in ihren Fenstern ein Statement gegen Hass und Ausgrenzung. Gemeinsam mit dem Freundeskreis Yad Vashem haben die Kieler Nachrichten und die Segeberger Zeitung das Projekt rund um den Leuchter der Familie Posner initiiert. Er ist gemeinsam mit dem Foto eines der Artefakte in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel. Am 24. Januar war der Aufkleber mit dem Chanukka-Foto Bestandteil der gedruckten Ausgaben von KN und SZ. Berichte zu unserer Aktion finden Sie unter diesen Links: „Warum bekannte Kielerinnen und Kieler Licht zeigen“ Auch der Bundespräsident ist bei der Aktion dabei Enkel der Rabbi-Familie Posner klebt Sticker neben Originalfoto
Mit Geschichten über verschwundene Juden wuchs sie auf
Schon als Vierjährige hörte Andrea Oberheiden-Brent die alten Geschichten, die Oma und Mutter so nebenbei beim Mensch-ärgere-dich-Spiel oder in der Küche erzählten. Von den Familien, die irgendwann weg waren. Von den Kindern, mit denen man nicht mehr spielen durfte. Von der jungen jüdischen Frau, die damals in der Kieler Wohnung der Großeltern unter dem Bett versteckt wurde und deren Zufluchtsort später verraten wurde – vom Postboten.
Insofern bewahre sie mit der Inszenierung des Stückes wohl etwas, das ihr mitgegeben wurde. Vielleicht gebe sie auch eine Botschaft weiter. So ganz genau kann es Andrea Oberheiden-Brent nicht sagen. Und will es vielleicht auch gar nicht.
Die Aufführungsdaten des etwa 45 Minuten langen Stücks „Ein Stern auf ihren Herzen“ stehen noch nicht fest. Zudem werden noch Aufführungsorte und weitere Mitspieler gesucht, gerne zwei Mädchen und zwei Jungs ab etwa elf Jahren. Kontakt und Infos im Internet unter www.szenemene.de