Es kann jeden Moment vorbei sein
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Jessika Popp und Ole Sattler informieren über die richtigen lebensrettenden Maßnahmen.
© Quelle: Imke Schröder
Heikendorf. Ermöglicht hat das der Ladies Captain des Golfclubs, die an ihrem Geburtstag auf Geschenke verzichtete und stattdessen die 1700 Euro für einen solchen Kurs zusammensammelte. „Der Schwiegervater meines Sohnes hat einen Herzinfarkt erlitten als seine Frau gerade Frühstück zubereitete. Als sie zurückkam war es zu spät. Es kann jeden Moment vorbei sein und die Angst wächst, dass man etwas falsch machen könnte“, berichtet die Spenderin, die ihren Namen nicht nennen möchte.
Ein Kieler hat einen ebenfalls tragischen Fall erlebt. Im Rettungsdienst wurde er zu einem Kind gerufen, dass im Wasser ertrunken war, die Atmung hatte ausgesetzt. Trotz intensiver Wiederbelebungsversuchen war es zu spät. Das Kind war nicht mehr zu retten. Zu lange hatte die Atmung bereits ausgesetzt. Ein Moment, der einen sprachlos zurücklässt. „Psychologische Nachsicht ist da unabdingbar“, so der Kieler.
Die ersten Minuten nach dem Infarkt zählen
Wie wichtig diese ersten Minuten nach einem Infarkt sind, das erklärt Jessika Popp, Krankenschwester am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH). „Pro Minute schwindet die Überlebenschance um zehn Prozent“, macht die 39-Jährige deutlich. „Aber das Schlimmste, was Sie tun können, ist nichts zu tun.“ Geht ein Mensch zu Boden und ist nicht mehr ansprechbar, dann ist Schnelligkeit geboten. „Wenn er auf rütteln und lautes Ansprechen nicht reagiert, dann schnell den Oberkörper freimachen. Auch bei diesen Temperaturen“, so Popp. „Aber was ist mit Frauen und einem Büstenhalter, den diese tragen. Darf ich das überhaupt?“, fragt eine Teilnehmerin aus dem Publikum. „Sie müssen sogar. Intimsphäre ist in einer solchen Situation vollkommen zweitrangig“, versichert Popp.
Wiederbelebungs- und kein Yogakurs
Ist keine Atmung vorhanden, dann muss mit voller Kraft rhythmisch auf den Brustkorb gedrückt werden. „Das geht gut zum Takt von Staying alive, Atemlos oder Hej, Pippi Langstrumpf, singen Sie zur Beruhigung auch gerne mit.“ fünf bis sechs Zentimeter tief muss der Brustkorb eingedrückt werden. Ein Kraftakt, den die Teilnehmer mit ihren Rettungspaketen und den aufblasbaren Rettungspuppen namens MiniAnne gleich selbst probieren. Anstrengender als gedacht, finden die meisten. „Das ist hier auch ein Wiederbelebungs- und kein Yogakursus“, macht Popp nochmal deutlich. Bei Hans-Erik Henze und Ehefrau Sigrid klappt das Reanimieren gut. „Mein letzter Kursus ist 32 Jahre her. Ich finde, das sollte verpflichtend alle fünf Jahre durchgeführt werden“, so der 73-Jährige.
Ein halbes Jahrhundert liegt der Kursus von Gunnar Gerwin zurück. „Mein Frau meinte, dass wir uns gegenseitig helfen können sollten. Also guck ich, dass sie das gut lernt, damit sie mir auch gut helfen kann“, sagt der Heikendorfer.
Auch die Mund-zu-Mund-Beatmung üben die Teilnehmer mit ihren Puppen. Zum Abschluss erklären Jessika Popp und Rettungsingenieur Ole Sattler noch die Funktionsweise eines Defibrillators. Kurz zusammengefasst: Herzdruckmassage rettet, Beatmung hilft und Defibrillator unterstützt. Gudrun Netter, Hartmut Schultheiß, Marietheres Gaschk und Ehemann Martin führen das Gelernte dann nochmal vor. Nach dreißig Herzmassagen kommen zwei Beatmungsstöße, Hartmut Schultheiß schließt den Defibrillator an und Gudrun Netter alarmiert den Notdienst. Der Patient überlebt. Dank des Kurses.
Aktion „Leben retten!“
Damit mehr Menschen Leben retten können und sich trauen zu helfen, haben der Verein KN hilft e.V. und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein vor knapp zwei Jahren die Aktion "Leben retten!" gestartet. Sie bietet kostenlose Rettungskurse für Bürger an. Die Kurse werden aus Spenden finanziert, die Leitung der Kurse übernimmt Fachpersonal des UKSH. Jede Spende hilft, jeder Bürger kann teilnehmen. Wer einen Raum anbieten möchte oder Fragen zur Aktion hat, kann eine E-Mail an Leben-retten@kieler-nachrichten.de schicken. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.kn-hilft.de
KN