Doppelinterview

Pfadfinder Schönberg: "Wir sind zeitlos"

Foto: Nach 14 Jahren haben die Pfadfinder in Schönberg einen neuen Stammesführer gewählt. Der 24-jährige Softwareingenieur Jan-Steffen Neurath (li.) wird das Amt von seinem Vorgänger Moritz Keppel übernehmen.

Nach 14 Jahren haben die Pfadfinder in Schönberg einen neuen Stammesführer gewählt. Der 24-jährige Softwareingenieur Jan-Steffen Neurath (li.) wird das Amt von seinem Vorgänger Moritz Keppel übernehmen.

Schönberg. Herr Keppel, Sie haben die Pfadfinder Schönberg gegründet und waren immer ihr Stammesführer – wie schwer fällt Ihnen der Abschied nach 14 Jahren?

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Moritz Keppel (29): Schwer! Aus der Leitungsebene habe ich mich zurückgezogen. Das weiterzugeben an Jüngere, ist für mich erst mal schön. Es beglückt mich zu sehen, dass das was man angefangen hat, auch Früchte trägt und dass es selbstständig weitergeht. Insofern fällt es mir also auch nicht schwer, mich zurückzuziehen, weil ich weiß, es läuft weiter.

Herr Neurath, wird es für Sie ein nahtloser Übergang, weil Sie vorher schon Herr Keppels Stellvertreter waren? Oder sind Sie doch nervös, ab jetzt die alleinige Verantwortung zu tragen?

Jan-Steffen Neurath (24): Am Tag der Wahl dachte ich schon: Okay, jetzt kommt ja doch einiges auf einen zu. Was ich bisher gemacht hatte, war das operative Geschäft: Aktionen und Gruppenstunden vorbereiten, mit den Gruppenleitern das Halbjahr planen. Was Stammesführung aber ausmacht, ist auch die langfristige Ausrichtung, zu überlegen, wo wollen wir hin als Stamm? Wir haben eine bestimmte Kultur, bestimmte Traditionen bei den Pfadfindern, und sich da zu fragen: Wie wollen wir künftig sein? Uns etwas mehr anpassen an die moderne Welt?

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Wie würden sie diese Kultur und Traditionen der Pfadfinder beschreiben?

Neurath: Von außen hört man manchmal wir seien altmodisch, aber das ist gar nicht der Fall. Wir sind eigentlich sehr zeitgemäß. Wir bieten Räume, in denen man als Jugendlicher Platz finden kann, um sich zu entwickeln, um Verantwortung zu übernehmen. Was uns prägt, ist die Gemeinschaft. Das ist auch das, was die Menschen wollen: Sie kommen zu uns, um in der Gemeinschaft Dinge zu erleben, und nicht unbedingt um Knoten zu lernen. Sie lernen die Knoten, damit sie in der Gemeinschaft etwas erreichen können, damit sie ihr Zelt aufgebaut bekommen. Ich habe noch niemanden kennengelernt, der zu uns gekommen ist, weil er Knoten so toll findet.

Keppel: Es mag etwa altbacken anmuten, dass wir auf digitale Medien verzichten, wenn wir uns in der Natur treffen. Handys sind tabu. Viele sind dann erstaunt, weil sie sich nicht vorstellen können, dass Jugendliche anderthalb Stunden ihr Handy auslassen können – aber es funktioniert tatsächlich. Wenn wir in den Sommerferien 14 Tage wandern gehen – dieses Jahr nach Schweden – hat nur der Gruppenleiter ein Notfallhandy dabei. Es ist wichtig, von der digitalen Welt etwas Abstand zu gewinnen, um sich wieder mehr auf das Zwischenmenschliche zu besinnen und Natur zu erleben. Wer mit seinem Handy daddelnd durch die Straßen läuft, wird nicht die Schönheit der Schöpfung begreifen können.

Mittlerweile gibt es ja Achtsamkeits-Kurse, die mit genau diesem Konzept, gestresste Städter entschleunigen wollen.

Keppel: Richtig, ganz genau. Die Pfadfinderbewegung wurde 1907 gegründet, aber vieles ist gleich geblieben, weil es einfach zeitlos ist. Und Unternehmen rausfahren, Zelt aufbauen und Gaskocher bedienen sollen, um den Teamgeist zu stärken, wird das als Manager-Schulung verkauft, die Tausende Euro kostet – und das ist nichts anderes als das, was wir in der Gruppenstunde machen.

Sie sind eine evangelische Gruppe. Wie präsent ist der Glaube bei Ihnen?

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Keppel: Wir sind Teil der Kirchengemeinde und haben ein dezidiert evangelisches Profil, was aber gleichzeitig bedeutet, dass wir offen sind für andersgläubige und nichtgläubige. Wir haben ein paar Katholiken in unserer Gruppe, Kinder und Jugendliche, die keiner Religion angehören, und ein muslimisches Mitglied, der aus Syrien geflüchtet ist, und dort in Aleppo in einer Pfadfindergruppe war. Dem haben wir gesagt: Wir sind eine evangelische Gruppe, aber du bist herzlich willkommen. Er hat gesagt, ich bin Moslem. Und das ist auch schön, und wir können viel voneinander lernen.

Welche religiösen Rituale spielen eine Rolle?

Keppel: Die Pfadfinderei ist ein ganzheitlicher Ansatz. Wir sind viel in der Natur und spielen und machen gruppendynamische Dinge, wir sind auch mal drin und machen Kreatives und arbeiten handwerklich. Es gibt auch eine musische Facette, wo wir Gitarre spielen und singen. Und genauso spielt der Glaube, das Evangelium eine Rolle. Am Anfang jeder Gruppenstunde machen wir fünf Minuten lang eine Andacht. Es wird eine Geschichte aus der Bibel erzählt, die wir dann ein bisschen auslegen, auf unser Leben hin deuten.

Neurath: Der Glaube ist auch Grundlage unserer Werte, die wir vermitteln wollen. Nächstenliebe findet man in jedem Pfadfinderstamm. In dem Klischee des Pfadfinders, der der Oma über die Straße hilft, steckt viel Wahrheit. Die Bewahrung der Schöpfung ist auch so ein Stichwort. Wir nehmen jedes Jahr an der Aktion saubere Gemeinde teil. Wir versuchen die Kinder dazu zubringen so wie der barmherzige Samariter mit offenen Augen durch die Welt zu gehen und sich einzusetzen.

Stichwort Bewahrung der Schöpfung: Viele Altersgenossen ihrer Pfadfinder demonstrieren zur Zeit freitags für das Klima – ist das ein Thema bei Ihnen?

Neurath: Das Thema Fridays for Future war bei uns noch nicht Thema. Die Bewahrung der Schöpfung ist aber für Pfadfinder und Christen ein wichtiger Punkt. Wie man das transportieren möchte, muss jeder selber entscheiden. Wir sprechen viel über Nachhaltigkeit, gerade bei den älteren Pfadfindern ist das immer wieder ein Thema. Aber auch Gerechtigkeit spielt oft eine Rolle.

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Keppel: Die Älteren setzen sich schon mit ihrer Umwelt auseinander und stellen diese Fragen nach Gerechtigkeit, nach Nachhaltigkeit. Das ist auch gut und richtig. Auch die Fridays for Future-Bewegung sind Jugendliche, die konkret etwas gegenüber den Erwachsenen und Entscheidungsträgern artikulieren: Das ist unsere Zukunft, die da verspielt wird. Und die älteren Pfadfinder bleiben genau wegen solcher Fragen dabei, weil sie sehen: Hier in der Gruppe kann ich konkret etwas bewegen. Man muss nicht gleich die Welt retten, das können wir nicht, aber im Kleinen kann man etwas bewegen, wenn man bei sich selbst anfängt.

Neurath: Der Gründer der Pfadfinderbewegung hat den Pfadfindern den Auftrag gegeben, die Welt ein Stückchen besser zu hinterlassen. Und das ist genau das, was uns ausmacht.

KN

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