Aufnahmestopp

Senioren-WG in Dersau: Streit mit Behörden landet vor Gericht

Samira Babayeva, Ilya Mirzaev und Mohammed Alhamadi (stehend von links) kümmern sich um die neun Bewohner der Senioren-WG in Dersau.

Samira Babayeva, Ilya Mirzaev und Mohammed Alhamadi (stehend von links) kümmern sich um die neun Bewohner der Senioren-WG in Dersau.

Dersau. Im August ist eine Senioren-WG in Dersau eröffnet worden, betrieben wird sie von der Firma Saba Vita aus Neustadt. Deren Chefin, Samira Babayeva, sieht sich seither mit Behörden-Auflagen konfrontiert. Zuletzt wurde ein Aufnahmestopp für die Senioren-WG in Dersau verhängt. Jetzt liegt der Fall beim Verwaltungsgericht.

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Im Februar 2021 kaufte Samira Babayeva, die seit 2013 in und nahe Lübeck ähnliche Einrichtungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz betreibt, das ehemalige Galerie-Hotel Leibers in Dersau und ließ es für eine Senioren-Wohngemeinschaft mit bis zu 40 Plätzen umbauen. Zuvor hatte sie ein Konzept beim Gesundheitsamt des Kreises Plön eingereicht und es nach dessen Anregungen mehrfach geändert. Auch Gespräche und Ortsbesichtigungen habe es im Vorfeld mit Vertretern des Amtes gegeben, sagt die Betreiberin. Nach dem Umbau und erfüllten Auflagen für Brandschutz und Wasserprobe habe sie Anfang August die mündliche Genehmigung für den Betriebsstart erhalten, sagt Babayeva.

Beschwerde über Senioren-WG in Dersau bei der Heimaufsicht des Kreises Plön

Ab 8. August zogen die ersten Bewohner in der Senioren-WG in Dersau ein. Wenige Tage später gab es ein Problem: Ein Mann sollte per Krankentransport aus einer Klinik nach Dersau gebracht werden. Nach Aussage des Pflegedienstleiters Matthias Westphal hatte er den Sozialdienst der Klinik vorab darüber informiert, dass – anders als bei einem Pflegeheim – das Zimmer in der Senioren-WG lediglich mit einem Pflegebett ausgestattet sei. Für die übrigen Möbel müssten Angehörige, Betreuer oder die Bewohner selbst sorgen.

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Doch offenbar wurde die Information nicht weitergegeben. „Die Besatzung des Krankenwagens kannte diese Wohnform nicht und beschwerte sich bei der Heimaufsicht des Kreises Plön, dass in den Zimmern keine Möbel seien“, berichtet Westphal.

Betreiber der Senioren-WG in Dersau: Auflagen teils nicht gerechtfertigt

Aufgrund der Beschwerde machten sich Vertreter von Gesundheitsamt und Heimaufsicht des Kreises Plön am 11. August selbst ein Bild von der Senioren-WG in Dersau. Sie erteilten eine Reihe von Auflagen, unter anderem zu Handläufen, Notruf- und Telefonanlage sowie Medizinschrank. Am Abend des 13. August – ein Sonnabend – waren erneut Behördenvertreter in der Senioren-WG in Dersau. Sie monierten, dass noch nicht alle Auflagen umgesetzt seien, auch nicht der Festnetz-Telefonanschluss, „für den eigentlich eine Frist bis Montag vereinbart war“, sagt Babayeva.

Der Ortstermin endete laut den Betreibern der Senioren-WG in Dersau mit folgender Aufforderung: Alle Bewohner müssen das Haus bis zum nächsten Abend 18 Uhr – ein Sonntag – verlassen und anderweitig untergebracht werden.

Kreis Plön hält sich mit Auskünften über die Senioren-WG in Dersau bedeckt

Das konnte der Rechtsanwalt Volker Koppitz den Senioren ersparen. Er forderte die Behördenvertreter auf, die mündliche Betriebsuntersagung schriftlich zu bestätigen, und legte Widerspruch ein.

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Der Kreis Plön hält sich mit Auskünften über die Senioren-WG in Dersau bedeckt und begründet das mit dem Datenschutz. Sehr allgemein heißt es, dass die Heimaufsicht je nach Mängellage diverse Maßnahmen ergreifen könne, darunter auch Belegungsstopps und Betriebsuntersagungen. Zur mündlichen Verfügung, die Senioren-WG in Dersau binnen weniger als 24 Stunden zu räumen, heißt es sinngemäß: Die Betreiberin hätte die Bewohner eventuell in ihren anderen Einrichtungen unterbringen können, andernfalls hätte die Heimaufsicht geholfen, kurzfristig andere Plätze zu ermitteln.

Rechtsanwalt Koppitz vertritt die Auffassung, dass die Umsetzung aller Auflagen binnen eines Arbeitstages unmöglich und die Betriebsuntersagung für die Senioren-WG in Dersau daher unverhältnismäßig sei. Auch seien nicht alle Auflagen für eine Senioren-Wohngemeinschaft gerechtfertigt. So sei etwa eine Notrufanlage in einer Senioren-WG nicht erforderlich (gleichwohl sei in Dersau eine installiert).

Senioren-WG in Dersau: Aufnahmestopp bis Ende November

Am 26. August, 13 Tage nach dem Besuch der Behördenvertreter in der Senioren-WG in Dersau, begründete der Kreis Plön die Betriebsuntersagung, hob sie aber mit Bescheid vom 25. August wieder auf. Ruhe kehrte in der Senioren-WG in Dersau aber nicht ein: Am 5. September gab es demnach zwei weitere Bescheide, davon einer mit 15 Auflagen. Einige davon waren zu diesem Zeitpunkt nach Angaben der Betreiber erfüllt. Im zweiten Bescheid wird ein Belegungsstopp für die Senioren-WG in Dersau bis zum 30. November verhängt.

Aktuell leben neun Senioren in der Wohngemeinschaft für ältere Menschen, weitere dürfen nicht aufgenommen werden. In der Begründung tauchen neben fehlenden Sonnenschirmen, angezweifelten Qualifikationen und Lücken im Konzept zwei weitere Vorwürfe auf: In einem Fall ist von Freiheitsentziehung durch hochgezogene Bettgitter die Rede, im zweiten von einem Bewohner, der sich zwei Tage lang ohne Essen und Trinken in sein Zimmer eingeschlossen haben soll.

Senioren-WG in Dersau: Gast-Haus mit Tradition

Das Haus in Dersau, in dem Senioren in einer Wohngemeinschaft leben, diente von Anfang an als Herberge für Gäste. Zunächst war es ein Wohnheim, später wurde es zum Hotel und Restaurant Waldblick umgebaut. 1994 übernahmen Friederike und Wolfgang Leiber das Hotel mit Restaurant, führten es 27 Jahre und entwickelten es zu Leibers Galerie-Hotel. Im Herbst 2021 verabschiedeten sich das Paar in den Ruhestand.

Die heutige Senioren-WG in Dersau ist für bis zu 40 Plätze ausgelegt, für Paare werden auch Doppelzimmer angeboten. Es gibt einen Fahrstuhl, eine Küche und Gemeinschaftsräume. Das Konzept ist darauf ausgerichtet, dass die Bewohner so selbstbestimmt wie möglich ihren Alltag gestalten können. Zwei ähnliche Einrichtungen betreibt die Firma Saba Vita aus Neustadt in Lübeck-Kücknitz und in Lensahn.

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Beide Vorwürfe werden von der Einrichtungsleitung bestritten. Rechtsanwalt Koppitz legte gegen beide Bescheide Widerspruch ein und stellte beim Verwaltungsgericht in Schleswig einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Ziel ist es, dass der Kreis Plön den Aufnahmestopp für die Senioren-WG in Dersau nicht weiter aufrechterhalten darf, bis über den Widerspruch entschieden ist.

Der Anwalt sagt, dass in der ihm vom Kreis Plön übermittelten Akte weder ein Hinweis auf die im Bescheid genannte Beschwerde zu finden sei noch Berichte über nachfolgende Begehungen und Nachkontrollen. Vor allem aber gebe es keine Notizen oder Fotos zu den schwerwiegenden Vorwürfen der Freiheitsentziehung oder des angeblich eingeschlossenen Bewohners. Etliche andere Kritikpunkte will der Anwalt entkräften können. Beide Bescheide sind aus seiner Sicht rechtswidrig. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes steht noch aus.

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