Wie in Tüttendorf grüner Strom grün gespeichert werden soll
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Marit Kock (schwarzer Pulli) und Mariella Benkenstein sind 18 Jahre alt und haben 2022 Abitur im Internat Louisenlund gemacht. Sie tüfteln jetzt bei der ASL Tüttendorf an einen neuen Speicher für Strom aus regenerativer Energie.
© Quelle: Cornelia D. Mueller
Tüttendorf. Sie sind jung und forschen in Tüttendorf bei Gettorf im Hinterzimmer einer Werkstatt, in der es eigentlich um Agrartechnik und Biogasanlagen geht. Ihr Augenmerk einer Idee, die die Revolution der Speichertechnik für Strom aus Wind, Sonne, Biogas zum Ziel hat.
Marit Kock und Mariella Benkenstein, beide 18 Jahre alt, entwickeln unter dem Dach der Agrar Service Lass GmbH (ASL) den Prototyp einer besonderen Redox-Flow-Batterie. Sie speichert Energie in Wasser und gelöstem Kohlenstoffdioxid und gibt sie bei Bedarf wieder ab. Giftige Stoffe braucht die spezielle Technik, die die zwei noch im Kleinen erproben, nicht. Für die Energiewende wäre das ein Segen.
Forschung in Tüttendorf soll Energiewende voranbringen
Das klingt verrückt, muss es aber nicht sein: Steve Jobs aus Kalifornien in den USA tüftelte als 19-jähriger College-Student in der elterlichen Garage an einem Heimcomputer. 1976 gründete er in dieser „Werkstatt“ mit Steve Wozniak und Ron Wayne das Unternehmen Apple.
„Wir sind aktuell im Wettlauf mit anderen um den grünen Energiespeicher“, sagt Marit Kock. Deshalb geben die beiden nicht alles von dem preis, womit sie derzeit die Nase vorn zu haben glauben. Ein Patent ist angemeldet. „Wir greifen das Prinzip der seit den 1950er-Jahren bekannten Redox-Flow-Batterie auf. Das wurde nicht weiterverfolgt. Wir wandeln es entscheidend ab“, erklärt sie.
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Junge Forscherinnen tüfteln bei ASL in Tüttendorf an einem umweltfreundlichen Energiespeicher für die Energiewende. Das ist der kleine Prototyp, an dem die Weiterentwicklung und Evaluierung der bisherigen Ergebnisse vorangeht.
© Quelle: Cornelia D. Mueller
Mariella Benkenstein ergänzt: „Wir wollen die Energiewende voranbringen und mitwirken, den Klimawandel zu bremsen. Dabei sind neue Umweltschäden und Ausbeutung, die für die Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus betrieben wird, für uns absolut tabu.“
Junge Forscherinnen hatten Stipendium in Louisenlund bei Eckernförde
Große Worte in einem kleinen Raum mit zwei Laptops, Technikutensilien und einer Wand voller chemischer Formeln, die zum Betriebsgeheimnis gehören. Dem, was in den Köpfen der beiden jungen Frauen reift und schon als erster kleiner Prototyp in der Tüttendorfer Werkstatt steht, traut man von höchsten Stellen offenkundig eine sprunghafte Entwicklung zu.
Deshalb bot die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) des Bundesforschungsministeriums den beiden einen Forschungsauftrag an. Sie dürfen Mariella aus Wandlitz bei Berlin und Marit aus Groß Vollstedt bei Nortorf, die im Sommer 2022 Abi gemacht haben, sind darüber glücklich.
Sie lernten sich als naturwissenschaftliche Stipendiatinnen am Internatsgymnasium Louisenlund bei Eckernförde kennen. Mit ihrer Idee gewannen sie 2021 auf Bundesebene einen Sonderpreis bei "Jugend forscht". Jetzt geben sie sich zwei Jahre Zeit zwischen Schule und Studium, um die Sache "richtig voranzubringen".
Neuer Speicher aus Tüttendorf soll giftige große Akkus ersetzen
Worum geht es genau? „Gängige Lithium-Ionen Akkus speichern Energie, indem sie die elektrische Ladung zwischen festen Komponenten verschieben“, erläutert Mariella. Großes Problem sei das Metall Lithium, das bei Berührung mit Feuchtigkeit brennt, „hochgiftig ist und in Chile unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut wird“.
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In der speziellen Redox-Flow-Batterie der beiden wandern negativ geladene Elektronen zwischen Flüssigkeiten. Marit: „Dazu nutzen wir Wasser und gelöstes Kohlenstoffdioxid. Das ist völlig neu.“ Ein Kohlenstoffderivat lasse positiv geladene Teichen durch die trennende Membran zwischen den Zellen der Batterie diffundieren. So werde die Energie in einer der beiden Kammern gebunden. „Von dort kann man sie als Strom wieder abrufen.“
Alternative Energien in der Region Gettorf für Elektroautos speichern
Das nötige Kohlenstoffdioxid wird der Luft entzogen. Bei der „Rückverstromung“ fällt zusätzliches Kohlenstoffdioxid an, das sich nachhaltig binden lässt und keinen Schaden anrichten kann. „Es zeichnet sich auch ab, dass dieser Akku ein Vielfaches der Energie speichern kann, die eine Lithium-Ionen-Batterie halten und wieder abgeben kann“, berichtet Mariella.
Rechnerisch könnte ihre Batterie in Größe eines Schiffscontainers ein Megawatt Leistung liefern. Zum Vergleich: Ein mittlerer Haushalt verbraucht im Jahr rund 3600 Kilowattstunden (3,6 Megawatt). "Derzeit überprüfen wir, ob unsere Idee auch in etwas größerem Maßstab funktioniert. Wenn ja, könnte in Zukunft der erste Speicher im Megawattbereich für Windstrom und Co. entstehen", hoffen die Forscherinnen.
Ein Interessent steht schon auf der Matte: ASL-Chef Martin Laß. Ihm schwebt ein „Inselnetzwerk“ für die E-Mobilität vor. Damit wären angeschlossene Ladesäulen unabhängig vom übrigen Stromnetz. Der Speicher, an dem Marit Kock und Mariella Benkenstein arbeiten, wäre dafür ideal.
KN