Afghanische Geschäftsfrau in Bad Segeberg hofft auf deutschen Pass
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Maryam Rahmati (35) ist vor 25 Jahren aus Afghanistan geflüchtet, seit zwölf Jahren lebt sie in Deutschland, führt inzwischen ihren eigenen Kosmetiksalon in Bad Segeberg. Für die Einbürgerung reicht das trotzdem nicht.
© Quelle: Nadine Materne
Bad Segeberg. Seit zwölf Jahren lebt Maryam Rahmati mit ihrer Familie in Bad Segeberg. Die Afghanin musste sich viel hart erarbeiten: die Sprache, den späten Schulabschluss. Als afghanische Flüchtlinge waren sie und ihr Mann in Deutschland lange Zeit nur geduldet. Sie hatten keinen Anspruch auf Integrationskurse oder eine Arbeitserlaubnis. Geschafft haben sie es trotzdem, sprechen heute fließend Deutsch, haben ihre eigenen Geschäfte gegründet. Für den deutschen Pass reichen aber auch zwölf Jahre Integrationsbemühungen nicht aus. Jetzt hofft Maryam Rahmati auf die Pläne der Bundesregierung, Einbürgerungen für Migranten zu erleichtern.
Zertifikate und Diplome hängen an den Wänden von Maryam Rahmatis kleinem Kosmetiksalon in der Kurhausstraße in Bad Segeberg. Sie weisen Rahmati als Fachkosmetikerin und Visagistin aus, zertifizieren unter anderem Weiterbildungen in der medizinischen Fußpflege und zum diabetischen Fuß. „Das sind noch nicht alle“, sagt Rahmati stolz. Zuletzt hat sie sich für Permanent-Make-up weitergebildet. Seit einem Jahr ist sie selbständig mit ihrem Salon „Beauty-Nice“.
Nach zwölf Jahren in Deutschland: Wunsch nach Einbürgerung
Auch ihr Mann Ehsan ist inzwischen selbständig als Maler. Seit acht Jahren arbeitet der 40-Jährige durchgängig, berichtet Maryam Rahmati. Ihre beiden Kinder Zahra (12) und Sayed (9) sind in Bad Segeberg aufgewachsen, kennen das Geburtsland ihrer Eltern nicht. Ein Leben in Afghanistan sei für sie nicht mehr vorstellbar, schon gar nicht seit der Rückkehr der Taliban, erzählt Maryam Rahmati. Sie seien in Deutschland zu Hause und wollen sich einbürgern lassen. Doch das ist trotz ihrer zwölf Jahre Aufenthalt in Deutschland derzeit nicht möglich.
Grundsätzlich ist eine Einbürgerung nach acht Jahren „rechtmäßigen“ Aufenthalts in Deutschland möglich. Antragsteller müssen zudem Kenntnisse zum Grundgesetz nachweisen, ein Sprachniveau Level B1, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und straffrei sein. „Das haben wir doch alles“, sagt Maryam Rahmati. Seit über 60 Monaten seien sie finanziell unabhängig, beide haben den Einbürgerungstest bestanden. „Ich habe sogar Sprachkurs B2.“ Das ist die vierte von sechs Stufen der Kompetenzskala für Sprachen und bestätigt ein fortgeschrittenes Sprachniveau.
Afghanische Familie in Bad Segeberg war lange nur geduldet
Doch der Teufel steckt im Detail. Eine Einbürgerung der Rahmatis ist laut eines Schreibens der Segeberger Ausländerbehörde derzeit nicht möglich. Denn die Familie war bis Anfang 2018 lediglich geduldet in Deutschland. „Zu einem rechtmäßigen Aufenthalt zählen keine Duldungszeiten“, schreibt die Kreisverwaltung den Rahmatis. Mit B1-Zertifikat und Einbürgerungstest sei eine Einbürgerung nach sieben Jahren möglich – frühestens also ab Februar 2025.
Eine Enttäuschung für Maryam Rahmati. Insbesondere, weil derzeit viele Flüchtlinge unter anderem aus Syrien eingebürgert werden, die 2015 nach Deutschland geflüchtet waren und in der Regel schnell als Flüchtlinge anerkannt wurden. Die unterschiedliche Behandlung ist für Maryam Rahmati schwer zu verstehen. "Jeder sollte doch eine Chance bekommen", sagt sie.
Migrationsberaterin Gisela Dell: Duldungszeiten anerkennen
„Inzwischen hat sich die Situation für Afghanen geändert“, sagt Migrationsberaterin Gisela Dell vom Diakonischen Werk in Bad Segeberg. Oft erhielten sie inzwischen Asyl mit Aufenthaltstitel. Viele Jahre lang wurden Afghanen trotz Krieg aber nur geduldet, bis sich die Situation im Heimatland verbessert. Häufig galten Abschiebestopps. Aber in dieser Situation sei die Chance gering, einen rechtmäßigen Aufenthaltstitel zu erhalten, so Dell. Dass solche Duldungszeiten nicht anerkannt werden, sei für sie nicht schlüssig. Vor allem, wenn die Geflüchteten sogar arbeiten und ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten.
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Gisela Dell betreut die Rahmatis seit Jahren und kann deren Integrationsbemühungen bestätigen. Obwohl die beiden Afghanen keinen Anspruch auf Sprachkurse hatten, setzten sie alles daran, Deutsch zu lernen. Maryam Rahmati nahm an jedem Flüchtlings- und Frauencafé teil, das sie finden konnte. Später half sie anderen Flüchtlingen, begleitete sie bei Behördengängen und engagierte sich ehrenamtlich als Übersetzerin.
Der Fall der Rahmatis aber ist besonders. Maryam war selbst noch ein Kind, als sie Afghanistan bereits vor 25 Jahren verließ. Zuerst floh die Familie vor den Taliban in den Iran, lebte dort acht Jahre. „Aber auch im Iran durften wir nicht zur Schule gehen und wurden beleidigt“, erinnert sich Maryam Rahmati. Also zog sie mit ihrem Mann schließlich weiter, über die Türkei nach Europa. Mehrere Jahre verbrachten sie in Italien. „Aber wir waren oft arbeitslos.“ Als sie mit einem sechs Monate alten Kind schließlich einige Wochen obdachlos waren, zog das Paar vor zwölf Jahren weiter nach Deutschland – damals praktisch ohne Chance auf Asyl mit Aufenthaltstitel.
Familie Rahmati hofft auf Erleichterung bei Einbürgerung
„Wir haben immer gekämpft“, sagt Maryam Rahmati, die schließlich auch den Schulabschluss in Bad Segeberg nachholte, eine Ausbildung absolvierte und sich eine berufliche Existenz aufgebaut hat. Erst 2018 erhielten die Rahmatis ihren ersten „rechtmäßigen“ Aufenthaltstitel. Dieser ist befristet, muss regelmäßig verlängert werden, erzählt Maryam Rahmati. „Wir möchten gern ein Haus kaufen, mit Garten für die Kinder.“ Aber mit einem befristeten Aufenthalt bekämen sie keinen Kredit. „Und wir wollen uns keine Sorgen mehr machen müssen, ob wir hierbleiben dürfen“, begründet Rahmati den Wunsch nach der Einbürgerung.
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Nun hofft Maryam Rahmati auf die Pläne der Bundesregierung, das Einbürgerungsverfahren zu vereinfachen. So sollen künftig fünf statt acht Jahre ausreichend sein, um den deutschen Pass beantragen zu können. Wenn die Pläne Gesetz werden, hätte die Familie die Voraussetzung Anfang 2023 erfüllt. Das ist für Maryam Rahmati der größte Wunsch für das neue Jahr.