Behinderte nicht anbieten wie sauer Bier
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Frank Warnholz (links) vom Aktionsbündnis Inklusive Jobs sowie Stefan Stahl (2.v.re.) und Michael Knapp (rechts) vom Jobcenter sind dankbar über die Anregung von Gabriele Bornheimer, die sich kritisch über eine Zeitungsanzeige des Jobcenters äußerte. In Kürze werden nun neu gestaltete Anzeigen auch in der Segeberger Zeitung abgedruckt.
© Quelle: Nicole Scholmann
Kreis Segeberg. Michael Knapp, Geschäftsführer des Jobcenters Kreis Segeberg, und sein Stellvertreter Stefan Stahl wollten mit Zeitungsanzeigen eigentlich nur Arbeitgeber auf die Möglichkeit hinweisen, Menschen mit Behinderungen einzustellen. Eine Anzeige war nach deren Gestaltung unter anderem auch in der Segeberger Zeitung erschienen.
Allerdings gefiel Gabriele Bornheimer aus Wahlstedt der Text ganz und gar nicht. In ihren Augen würden die Menschen mit Handicaps „wie sauer Bier angeboten“, geradezu marktschreierisch sei die Wortwahl. Wie auf einer „Resterampe“ werde der Behinderte den Unternehmern offeriert und die potenziellen Arbeitgeber mit verschiedenen Unterstützungsmöglichkeiten gelockt.
Neuer Anzeigentext nach bundesweitem Shitstorm
Die Rollstuhlfahrerin kommentierte in ihrem privaten Internetblog den Anzeigentext und kam plötzlich auf gut eintausend Zugriffe an einem Tag – statt der rund 40 Menschen, die sonst ihren Blog lesen. Viele Leser bestätigten die Meinung von Bornheimer. Auch über Twitter ging der bundesweite Shitstorm gegen das Jobcenter weiter. Bis schließlich Geschäftsführer Knapp reagieren musste. Er nahm Kontakt mit Gabriele Bornheimer auf, und gemeinsam fanden sie eine Lösung beziehungsweise einen neuen Anzeigentext, mit dem jeder zufrieden ist. Auch das Design der Annonce ist nun ein anderes. Am Sonnabend, 22. Dezember, soll die Anzeige das erste Mal in der SZ abgedruckt werden.
Knapp hofft, dass damit die Wogen geglättet sind, denn im Grunde sei es doch allen Beteiligten wichtig, dass sich Arbeitgeber finden, die Behinderten einen Job geben. Tatsächlich ist das Interesse in Zeiten des Fachkräfte- und Arbeitskräftemangels groß bei Betrieben, Menschen mit Handicap einzustellen. Das Jobcenter des Kreises Segeberg macht zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit den Weg dorthin schmackhaft. Es gibt laut Knapp unter anderem Lohnkostenzuschüsse und weitere Fördermöglichkeiten sowie eine Probebeschäftigung.
Zehn Prozent mehr Jobs an Menschen mit Handicap vermittelt
Dass immer mehr Arbeitgeber von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, belegen die Zahlen: In den ersten drei Quartalen diesen Jahren wurden im Kreis Segeberg 51 arbeitslose Schwerbehinderte in einen Job vermittelt. Im Vorjahr waren es noch zehn Prozent weniger gewesen. Natürlich, gibt Knapp zu, seien das geringe Zahlen angesichts von insgesamt etwa 15 000 Arbeitslosen im Kreis Segeberg, aber dennoch verbuche er das als einen Erfolg. Zurzeit sind im Jobcenter 172 Schwerbehinderte ohne Arbeitsplatz verzeichnet.
„Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist riesengroß“, weiß Frank Warnholz vom Aktionsbündnis Inklusive Jobs. Er ist für den Kreis Segeberg als Fachberater tätig und informiert und berät Firmeninhaber. In erster Linie gehe es bei vielen nicht um den Grad der Behinderung, sondern darum, ob der Mensch ins Team passe. „Man muss erst auf das schauen, was einen verbindet. Nicht auf das, was einen trennt“, meint Warnholz.