Kaltenkirchens Jugend setzt durch: Kostenlose Periodenartikel in allen Schulen
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Die Jugendstadtvertreterinnen Emma Conrad (links) und Mia Biethahn konnten die Kommunalpolitik mit ihrem Antrag für kostenlose Periodenartikel in Schulen und öffentlichen Gebäuden überzeugen.
© Quelle: Sylvana Lublow
Kaltenkirchen. Ab kommendem Schuljahr werden in den Damen-WCs in Kaltenkirchens Schulen und in der Stadtbücherei kostenlose Periodenartikel ausliegen. Zu verdanken ist das der Jugendstadtvertretung. Die hatte am Montagabend im Bildungsausschuss einen entsprechenden Antrag eingebracht, dem die Mehrheit (nur die AfD nicht) zustimmte.
„Wir hatten uns auf einer Jugendstadtvertretersitzung über das Thema unterhalten“, erzählt Emma Conrad. Die 18-jährige Gymnasiastin ist dort stellvertretende Vorsitzende. „An einigen Schulen gibt es schon solche Projekte, aber eben nicht überall.“ Bei der Sitzung sei auch die Gleichstellungsbeauftragte Claudia Eckhardt-Löffler dabei gewesen. „Wir haben dann gemeinsam überlegt, dass es doch schön wäre, wenn die Stadt die Produkte für alle öffentlichen Gebäude finanziert“, sagt Conrad, die mit Hilfe der Gleichstellungsbeauftragten den Antrag formuliert hat. „Wir freuen uns total darüber, dass dem Antrag zugestimmt wurde.“
Kaltenkirchener Jugendstadtvertretung will Thema Menstruation enttabuisieren
„Wir wollen damit auch das Thema Menstruation enttabuisieren“, erklärt Conrad. „Vor allem die jüngeren Mädchen sollen sich damit wohlfühlen und in der Schule ohne Komplikationen an die Produkte rankommen.“
Mia Biethahn, Vorsitzende der Jugendstadtvertretung, geht in die Marschwegschule. Dort gibt es bereits kostenlose Hygieneartikel. „Aber die befinden sich im Sanitätsraum. Und wer etwas braucht, muss dort hingehen und die Schulsanitäter fragen“, erzählt die 16-Jährige. „Wenn das aber Jungs sind, ist das vor allem für Jüngere sehr unangenehm.“ Deshalb plädieren die beiden jungen Frauen auch dafür, dass die Tampons und Binden frei zugänglich in den Waschräumen ausliegen.
Jugendstadtvertreterinnen machen sich keine Sorgen um Vandlismus
Um Vandalismus oder Diebstahl machen sich die beiden keine Sorgen: „Wir hatten schon mal für einige Zeit Periodenartikel bei uns in der Schule, da habe ich nie erlebt, dass jemand gleich alles mitgenommen hat“, erzählt Conrad. Aber das Angebot sei sehr gut angekommen.
Das Pilotprojekt läuft zunächst sechs Monate lang. So hat es der Bildungsausschuss beschlossen. „Es soll erstmal getestet werden, wie viele Produkte benötigt werden und wie viel das kostet“, so Conrad. Die Jugendstadtvertretung hatte angeregt, mit der Produktionsschule Segeberg zu kooperieren, die die benötigten Spender für Tampons und Binden herstellen könnte.
Auch an den Grundschulen in Kaltenkirchen soll es kostenlose Periodenartikel geben
Der Bildungsausschuss hat ebenfalls beschlossen, dass neben den weiterführenden Schulen und der Stadtbücherei auch die Grundschulen Periodenartikel erhalten sollen. „Einige Viertklässlerinnen haben ja auch schon ihre Periode“, erklärt Conrad. Mädchen können ihre erste Periode im Alter zwischen neun und 15 Jahren bekommen. Da die beiden Gemeinschaftsschulen der Stadt sowie die Grundschule am Lakweg zum Schulverband gehören, soll dieser schnell mit ins Boot geholt werden.
„Periodenarmut“ gibt es auch in Deutschland
Das Thema Menstruation ist auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten: Für einige Frauen und Mädchen ist der Kauf von Periodenprodukten auch eine finanzielle Belastung. Die Organisation Plan International spricht hier von „Periodenarmut“. Eine von Plan International 2022 durchgeführte Umfrage zeigt, dass 23 Prozent der Mädchen und Frauen in Deutschland angeben, dass die monatlichen Ausgaben für sie eine finanzielle Belastung seien. 15 Prozent versuchen möglichst wenig Produkte zu verbrauchen oder zögern den Wechsel (zwölf Prozent) bewusst hinaus und gehen damit das Risiko von Infektionen ein. 49 Prozent der Teilnehmerinnen der Studie geben an, dass sie sich besser mit Produkten versorgen würden, wären diese günstiger. In der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen sehen das sogar 70 Prozent der Befragten so. Im Regelsatz des Bürgergeldes sind monatlich 19,16 Euro für Produkte der Gesundheitspflege für eine erwachsene Person vorgesehen. Die durchschnittlichen monatlichen Ausgaben für Periodenprodukte liegen zwischen fünf und 15 Euro, ohne Ausgaben für Schmerzmittel.
„Ich unterstütze den Antrag ausdrücklich und begrüße, dass dadurch das Thema Menstruation in die Öffentlichkeit gerückt und zur Enttabuisierung beigetragen wird“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte Eckhardt-Löffler. Die Periode nehme keine Rücksicht auf den Zeitpunkt und die Situation, daher könne jede menstruierende Person plötzlich in die Lage kommen, ein Periodenprodukt zu benötigen. „Dann ist es doch positiv, wenn zum Beispiel auf einer Schultoilette ein entsprechendes Produkt vorhanden ist.“
Für die beiden Schülerinnen ist der Umgang mit der Menstruation etwas ganz Normales. „Wir gehen da alle sehr locker mit um in der Schule“, erzählt Biethahn. „Ich denke aber, dass die Zehn- bis 13-Jährigen noch schambehafteter sind“, ergänzt Conrad.
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„Es ist grundsätzlich total unfair, dass Frauen für die Produkte zahlen müssen, vor allem für Frauen, die wenig Geld haben oder Bürgergeld beziehen“, sagt die 16-Jährige. Verschiedenen Berechnungen zufolge können die Kosten für Menstruationsprodukte über die gesamte Lebensdauer bis zu 20 000 Euro betragen. Schmerzmittel sind da nicht mit eingerechnet. Biethahn: „Dieses Geld könnten wir Frauen auch in andere Dinge investieren. In Sachen, die Spaß machen, zum Beispiel.“
KN