„Cracow Monsters“ – Netflix lässt die Dämonen los
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Kämpfer gegen die Dämonenbrut: Alex (Barbara Liberek, Mite) und die Gruppe Studenten mit besonderen Begabungen.
© Quelle: Netflix
Alex Walas (Barbara Liberek) wird von Albträumen heimgesucht. Von sehr lebhaften Albträumen. Eine gesichtslose Gestalt kauert allnächtlich auf ihrer Brust. Zurückzuführen ist dieser ziemlich beunruhigende Dauerauftritt möglicherweise auf einen schweren Autounfall in ihrer Kindheit, bei dem die junge Frau ihre Mutter verlor. Die angehende Medizinstudentin bekämpft ihr Trauma und ihre Nachtmahre mit jeder Menge Alkohol und indem sie sich Kerle oder Mädchen aus Clubs angelt für ein paar wilde Umarmungen. Eines Tages begegnet sie am Tresen Lucjan, der sich Lucky nennt (Stanislaw Linowski) und der anders ist als die One-Night-Stands, die dann schon mal in Unterhosen auf die Straße müssen.
Über Lucky kommt Alex in eine WG von Studenten mit paranormalen Talenten, geführt von einem Professor (Andrzej Chyra), der über slawische Mythen und Mysterien Bescheid weiß und mit seinem Team der Dämonenabwehr frönt. Bisher sind das eher Kleingeister, beängstigende Erscheinungen für mit dem Okkulten nicht vertraute Zeitgenossen, aber kein Ding für versierte Dämonenjäger. Alex ist das in solchen Varianten der „X-Men“-Story übliche „besondere Talent“. Sie macht erst mal eine Nahtoderfahrung. Und sie macht einen Fehler.
Monster sind hässlich - ganz klar, oder?
Was soll man auch davon halten, wenn man in einer ziemlich heruntergeranzten Wohnung in der Krakauer Altstadt auf einen zart und unschuldig wirkenden kleinen Jungen trifft, der von einem von der Wand herabhängenden grausigen Dreimetermonster bedroht wird. Intuitiv versucht Alex, die Bestie aus der Anderwelt durch Wasser zu vernichten – was prompt funktioniert.
Man soll aber nie vom Äußeren aufs Innere schließen. Das Monster war ein Guter, seine Vernichtung hat einen mittelgewichtigen Dämon in Kindergestalt (Eryk Pratsko) vor dem vorzeitigen Aus bewahrt. Und dieser schwarzäugige Damien-Verschnitt (wer kennt noch die „Omen“-Filme?) betreibt nun die Ankunft eines Oberdämons, der die ganze Stadt und obendrein die Welt ins Unheil stürzen würde. Wie das verhindert wird, erzählen die acht Folgen der polnischen Gruselserie „Cracow Monsters“.
Die Spezialeffekte sind nicht „state of the art“
Von Krakaus historischer Pracht gibt es deshalb schon mal nicht allzu viele Postkartenmotive. Stattdessen tut sich dem Zuschauer eine verregnete, grau behimmelte Düstersphäre auf – in den good vibes verhindernden Hauptfarben Kühlkammerblau und Leichengrün. Er erlebt, wie das Böse bleiche, hübsche, extrem sexbesessene (echt jetzt?) Wassernymphen auf seine Widersacher loslässt. Und wie der böse Bub ihnen auch noch das alte Väterchen Frost hinterdreinschickt, das hier nicht die vertraute gemütliche östliche Jahresendzeitfigur ist, sondern ein fieser Riese, der sich Ghoul-mäßig aus der Erde wühlt, um, frustriert über moderne Zeiten, die schlechte Luft und überhaupt Menschen in Eiszapfen zu verwandeln.
In Maske und Kostüm erinnert der Unhold an alte tschechoslowakische Märchenfilme. Überhaupt: Die Spezialeffekte differieren mächtig in der Qualität. Alex‘ blendendweißer Schutzgeist – nur echt mit Glitzerkreuzen im Gesicht – sieht aus wie ein Mensch gewordenes Kondom.
Irgendwie geht’s schon aus - es scheint, als wird aufs Geratewohl erzählt
Die Regisseurinnen Kasia Damik und Olga Chajdas und ihre vier Autorinnen erzählen, so hat man immer mehr das Gefühl, einfach mal ohne Ziel drauflos. Egal, wie krumm und bucklig die Straße auch sein mag, sie wird schon an ein Ende führen. Wobei das mit übernatürlichem Film- und Seriengewese vertraute Publikum weder von Spuk noch von Spukbekämpfung je überrascht wird. Die Geschichte zieht sich, die Geschichte wird dabei so konfus wie die meisten Horrorstorys, in denen komplexe, plausibilitätsfremde Pläne geschmiedet werden, um die Unterweltler in die Unterwelt zurückzuschicken und einen Pfropfen in ihr Schlupfloch zu rammen.
Und die Geschichte wird immer uninteressanter – erstens weil sie erkennbar zu mini ist für acht Episoden, zweitens weil kaum eine Figur ausgeleuchtet wird und drittens weil Desinteresse als Resultat schon immer die Gefahr war, wenn man dem Panoptikum der Gänsehauterzeugung nachvollziehbare Absichten wie Weltherrschaft unterschiebt. Die bei Weitem besten Wege des Bösen sind noch immer die unerfindlichen.
Natürlich kann niemand wollen, dass das Weltkulturerbe des Salzbergwerks von Wieliczka, des jüdischen Viertels Kazimierz und der herrlichen Altstadt Krakaus an Satans Spießgesellen fallen, auch wenn wir in einer wirklichen Welt leben, in der ein von Gott eigentlich zu Nächstenliebe verpflichteter Patriarch sich als Kriegsapologet gefällt und damit in seinem Amt eine widernatürlichere Figur macht als all die hier versammelten Kreaturen. Natürlich wollen wir, dass die schreckliche Prophezeiung des apokalyptischen Schwarzwasserdämons für Krakau abgewendet wird, auch wenn wir die jüngst ausgestrahlte Prophezeiung des russischen Staatsfernsehens, Warschau könne „in einer halben Sekunde verdampfen“, für viel, viel erschreckender halten. Es besteht derzeit eigentlich überhaupt kein Bedarf an solch billigem Horror.
Das scheinen die Serienmacherinnen anders zu sehen. Ein schwarzer Ritter, so lächerlich wie der in Monty Pythons „Ritter der Kokosnuss“, nur unfreiwillig komisch, teilt uns am Ende noch mit, dass durchaus die Möglichkeit eines Sequels bestünde. Himmel, hilf!
„Cracow Monsters“, acht Episoden, Regie: Kasia Adamik, Olga Chajdas, mit Barbara Liwerek, Andrzej Chyra, Stanislaw Linowski, Anna Paliga (streambar bei Netflix)