Ikone im Actionfach glänzt als Komödiant

Der „Tulsa King“ erbaut sein Reich – Sylvester Stallone wird als Mafioso zum Serienstar

Der örtliche Drogenstore wird umgemünzt: Mafioso Dwight Manfredi (Sylvester Stallone) missbraucht Bodhis (Martin Starr) Geschäft zur Geldwäsche. Szene aus der Paramount+-Serie „Tulsa King“.

Der örtliche Drogenstore wird umgemünzt: Mafioso Dwight Manfredi (Sylvester Stallone) missbraucht Bodhis (Martin Starr) Geschäft zur Geldwäsche. Szene aus der Paramount+-Serie „Tulsa King“.

Die Leute in Tulsa im US-Bundesstaat Oklahoma, sind eigentlich ganz nett. Sie ziehen die Worte vielleicht ein wenig zu lang durch die Nase, so als hätten sie beim Sprechen heiße Kartoffeln im Mund. Und manchmal gibt es mitten im Wort eine Pause, die ähnlich klingt wie ein Genderpäuschen, das weiß, wer mal das Musical „Oklahoma von Rodgers und Hammerstein gesehen hat. Gesungen wird das so: „Ou!-Klahouma“.

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Man sollte Tulsa nicht auf die leichte Schulter nehmen

Die zweitgrößte Stadt des US-Bundesstaates haben auch Don Williams und Eric Clapton im Song „Tulsa Time“ verewigt – es geht darin allerdings um Langeweile und vielleicht ist die Stadt etwas … schläfrig. Sie hat aber auch eine finstere Seite: Das Tulsa Race Massacre brachte 1921 etwa 300 Menschen den Tod. Rassismus im Rang einer Schlacht, der zuletzt in zwei Serien – „Watchmen“ und „Lovecraft County“ – Thema war. Tulsa – bitte nicht unterschätzen!

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Sylvester Stallone – Vom Big Apple zu den ganz kleinen Brötchen

Die Serie „Tulsa King“ erzählt eine andere Geschichte aus dem Staat, der wie ein umgekippter Thron oberhalb von Texas aussieht. Hierhin ist Dwight „The General“ Manfredi abgeschoben worden, der Ärger sitzt tief in ihm. 25 Jahre hat er für seine New Yorker Mafiafamilie eingesessen – es war härtestes „prison“, kein Fünf-Sterne-„jail“, wie er seinem frischgbackenen Chauffeur/Männchen für alles versichert. Und jetzt bekommt er ein paar Bündel drei- und zweinulliger Dollarnoten und einen Tritt – vom Big Apple zu den ganz kleinen Brötchen nach Tulsa.

Dwight Manfredi wird, und das auf sensationell unterhaltsame Weise, von Sylvester Stallone gespielt, der zuletzt vorzugsweise die Leben seiner beiden Kultfiguren Rocky Balboa (Boxer) und John Rambo (wehrhafter Vietnamveteran) in Kinofilmen und Videospielen weitererzählte. Die Rolle des selbstbewussten Mafiosos mit der knarrenden Bestimmerstimme hat absolute Comebackklasse, sie ist neben Stallones naivem Sheriff Freddy aus James Mangolds Korruptionsthriller „Cop Land“ (1997) die wohl überraschendste seiner Karriere. Sly Stallone ist ein überragender Darsteller, wenn man ihm nur eine Rolle auf den Leib schreibt wie hier.

„Yellowstone“-Meister Sheridan versucht‘s mit Komödie

Der das getan hat, ist Taylor Sheridan. Der 53-Jährige Autor, Produzent und frühere Schauspieler aus North Carolina ist seit seinen Drehbüchern für die beiden „Sicario“-Filme (2015/18) für „Hell or High Water (2016) und „Wind River“ (2017) so etwas wie der König des amerikanischen Dramas. Wer „Yellowstone“ (seit 2018) noch nicht kennt, der sollte seine To-do-Liste um die bislang drei, demnächst vier Staffeln der Neowesternserie mit Kevin Costner (für die Rolle des John Dutton gab es den Golden Globe 2023) erweitern.

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Und Sheridans Spin-off „1883″ (2021/22), in dem erzählt wird, wie die Duttons mit einem Planwagentreck von Texas wegzogen und was sie unterwegs alles an Glück verloren ist nicht minder reich an eindrucksvollen Figuren. Nicht zu vergessen ist die rabenschwarze Gefängnisserie „Mayor of Kingstown“ (seit 2021). Man wünscht sich, die 30 gebrochenen Knochen im Leib von Jeremy Renner (“Hawkeye“) – der im Schneechaos dieses Winters vom eigenen Schneepflug überrollt wurde – mögen rasch heilen, um ihn nur bald als Mike McLusky wiedersehen zu können. Noch so eine durchtriebene Sheridan-Figur – ein durch und durch Krimineller mit dem Herz auf dem rechten Fleck.

Das Geheimnis des Erfolgs – einfache Plots

„Ich halte Ausschau nach absurd einfachen Plots, sodass ich mich auf die Figuren konzentrieren kann“, lautet das Erzählprinzip Sheridans. Seine Storys kann man mühelos nacherzählen, man muss nicht mühselig im Kopf nach Details der vorherigen Folgen graben – man erinnert sich. „Tulsa King“ erzählt straight davon, wie sich ein Städter auf dem Land zurechtfindet, wie sich ein Ex-Knasti in einer Welt bewegt, in der „Cash is king“ nicht mehr gilt, in der es in den Cafés die geliebten Trinkgläser nicht mehr gibt und in der einen auf rot stehende Fußgängerampeln mit „Wait!“ anzusprechen wagen. Sapristi!

Erzählt wird ferner, das deutet sich zumindest an, wie sich der Vater Dwight mit seiner Tochter Tina auszusöhnen versucht, was von dieser zunächst schroff zurückgewiesen wird. Und natürlich auch, wie er aus der Abschiebung das Beste macht – oder zumindest das, was er gut kann: „Von diesem Moment an“, so lautet der letzte Satz der ersten Episode (aus dem zur Sichtung gewährten englischsprachigen Original übersetzt), „gehörte die Stadt samt allem was sich in ihr befand, mir.“

Kinokraftmeier im TV: Auch Schwarzenegger geht in Serie

Und das Fernsehen gehört Stallone (76). Demnächst lässt der Altstar im Reality-TV-Format „The Family Stallone“ bei Paramount+ sogar in sein Familienleben blicken. Die kleine Leinwand des Video-on-Demand-Sektors hatte Stallones jüngst unheilbar an Demenz erkrankter Kollege Bruce Willis (67, beide spielten 2010 und 2012 in zwei Filmen der Söldnerspektakelreihe „The Expendables“ (2012/12) zusammen) schon in den Nullerjahren bespielt – mit Filmen wie „Lucky Number Slevin“ (2006).

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Und Hollywoods dritter Actionaltriese Arnold Schwarzenegger (75) – auch er war ein „Expendable“ und bis 2019 mit der Pflege seiner ikonischen „Terminator“-Rolle beschäftigt – fährt künftig zweigleisig: Während er in „The Legend of Conan“ und „Drillinge“ zwei seiner bekanntesten Kinorollen neu auflegt, wird auch er 2023 zum Serienstar: In „Fubar“ spielt er einen CIA-Agenten, der kurz vor dem Ruhestand zu einem letzten Auftrag verdonnert wird. In der geplanten Westernserie „Outrider“ soll Schwarzenegger einen Marshal darstellen. Western geht wieder.

Der „Tulsa King“ soll ganz aus der Welt verbannt werden

Natürlich wird Stallone als „General“ seiner nicht so ganz ehrenwerten und loyalen New Yorker Mafiafamilie die Demütigung nicht durchgehen lassen wollen. Und schon in der zweiten Episode deutet sich an, dass einer der einstigen Verbündeten es auch nicht bei einer Mobsterlandverschickung belassen will, sondern den einstigen Sideman auch noch auf 1,80 Meter Tiefe abzuschieben gedenkt. Ausgerechnet eine Polizistin scheint sich als „love interest“ aufzutun. Und so weiter. Spannung wird also in diese Geschichte einziehen, die vordergründig zwar die erste Sheridan-Komödie ist, in der aber niemals eine Figur an Gags verraten wird. Wir sind näher an Al Capone als an Al Bundy.

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Bis zu der Obdachlosen, die nach einer Gefälligkeit Dwights Dollarnoten als „scuzzy money“ (schmutziges Geld) ablehnt, schließt man das ganze Personal von „Tulsa King“ ins Herz. Auch die ewig Bekifften, die in Bodhis (Martin Starr) Laden an der Tankstelle kontrolliert angebautes „weed“ verkaufen, die für Dwight Geld waschen sollen und über deren „Kontakte“ Dwight groß ins Drogenbiz einsteigen will. Und seinen schwarzen Helfer Tyson (Jay Will), der sich einfach nicht abgewöhnen kann, seinen Boss mit „Gangster“ anzureden. Diese Mafiakomödie schlägt die „Reine Nervensache“-Kinoklamotten mit Robert De Niro um Längen – weil sie nicht „bigger than life“ ist sondern genauso groß.

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Okay, gelegentlich ist sie auch größer, aber nur ein paar Zentimeter. Denn es gibt einen Punkt in Tulsa, an denen man den Göttern näher sein kann als anderswo. Ein zarter Hauch von Mystery ist in „Tulsa King“ auch noch zu spüren.

„Tulsa King“, Serie, erste Staffel, neun Episoden, von Taylor Sheridan, mit Sylvester Stallone, Andrea Savage, Jay Will, Martin Starr, Max Casella, Garrett Hedlund, Dana Delany, McKenna Quigley Harrington, Tatiana Zappardino (ab 19. März bei Paramount+)

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