Ukraine-Berichterstattung

Fakten statt Geschwurbel: Warum eine Fox-News-Journalistin ihre eigenen Kollegen korrigiert

Fox-Korrespondentin Jennifer Griffin (links) korrigiert ihre Kollegin Harris Faulkner (rechts) live on air.

Fox-Korrespondentin Jennifer Griffin (links) korrigiert ihre Kollegin Harris Faulkner (rechts) live on air.

Hannover. Der Nachrichtensender Fox News gehört spätestens seit der Präsidentschaft Donald Trumps zu den wohl bekanntesten und umstrittensten TV-Kanälen der USA. Bekannt geworden war der Sender insbesondere, weil das Programm den ehemaligen US-Präsidenten über Jahre hinweg offensiv bejubelt und dabei immer wieder Falschinformationen verbreitet hatte. Manch ein Kritiker behauptet gar, Fox News habe Trump mit seinen Märchen überhaupt erst zum Präsidenten der USA gemacht.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Nun fällt der Sender erneut auf – und zwar im Zusammenhang mit seiner Berichterstattung rund um den Ukraine-Krieg. Vor Putins Invasion beispielsweise hatte Starmoderator Tucker Carlson den russischen Präsidenten in seinen Meinungssendungen immer wieder verteidigt.

+++ Verfolgen Sie alle Entwicklungen zur Ukraine im Liveblog +++

„Die Demokraten wollen, dass Sie Putin hassen, alles andere ist Verrat“, sagte Carlson beispielsweise am 22. Februar nach einer Rede Putins, in der der russische Präsident Luhansk und Donezk als unabhängige Staaten anerkannte. Es sei „dieser Hass auf Wladimir Putin“, der die Situation aufheizen und zu einem Krieg führen könne, suggeriert Carlson. Eine Gefahr für die USA sei vielmehr China, nicht Russland.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Carlsons Kehrtwende

Die Monologe Carlsons zum Ukraine-Konflikt gefielen auch Russland außerordentlich gut – so gut, dass die Clips mit russischen Untertiteln versehen und als Pro-Kriegs-Propaganda von RT verwendet wurden, dem staatlichen russischen Fernsehsender.

Nach der Invasion Putins ließ sich dieses Narrativ offenbar selbst bei Fox News nicht mehr aufrechterhalten – inzwischen hat Carlson seine Meinung geändert. „Er ist schuld an dem, was wir heute Abend sehen“, sagte Carlson kurz nach dem Einmarsch an Putin gerichtet. „Noch einmal: Was Russland getan hat, ist schrecklich, aber wir können es noch schlimmer machen“, so der Moderator zu einem späteren Zeitpunkt der Sendung.

Die Abkehr von der Erzählung macht die Berichterstattung des US-Senders über den Ukraine-Krieg aber nicht zwangsläufig seriöser. Stattdessen haben sich im Programm von Fox News andere Narrative breitgemacht. Etwa, dass der Einmarsch Russlands in die Ukraine eigentlich die Schuld von Joe Biden sei, weil dieser zu wenig getan habe, um ihn zu verhindern. Derartige Theorien werden seit vergangener Woche immer wieder von Moderatorinnen und Moderatoren des Senders verbreitet.

Fragwürdige Experten

In Interviews und Liveschalten dürfen sich derweil allerhand fragwürdige Expertinnen und Experten zum Thema äußern. Diese stammen, in guter Tradition, oft aus dem Trump-Umfeld. So sprach am Sonntag beispielsweise Douglas Macgregor in einer Sendung, ein Pentagon-Beamter in der Trump-Administration. Er erklärte, dass es für die USA falsch sei, den ukrai­nischen Widerstand zu unterstützen, und dass es Putin erlaubt sein sollte, einen Teil des Landes zu erobern. Russen und Ukrainer seien zudem „nicht zu unterscheiden“ – und Putin habe auch nicht die Absicht, in andere Länder einzudringen.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

An anderer Stelle drang der ehemalige General und konservative Politiker Don Bolduc – entgegen den aktuellen Nato-Plänen – auf eine stärkere US-Militärintervention in der Ukraine. „Wir müssen da rein, und wir müssen ihnen vor Ort helfen. (…) Aber wir lehnen uns nur zurück und tun nichts.“ Bolduc war zuvor immer wieder mit abstrusen Äußerungen aufgefallen – so hatte er seinerzeit auch die Verschwörungserzählung vertreten, Trump habe die Wahlen 2020 in Wirklichkeit gewonnen.

Dass solch fragwürdige Gäste überhaupt zu einem solch wichtigen Thema Sendezeit bei Fox News bekommen, sorgt inzwischen offenbar auch in eigenen Reihen für Unmut – insbe­sondere bei einer prominenten Mitarbeiterin des Senders. Jennifer Griffin, seit 26 Jahren angesehene Korrespondentin bei Fox News, hat in den vergangenen Tagen konsequent damit begonnen, die Falschdarstellungen auf ihrem eigenen Sender live on air zu korrigieren.

„Ich muss einige Dinge korrigieren“

Kurz nachdem am Sonntag Douglas Macgregor auf Fox News seine Einschätzungen abgeben durfte, wurde Griffin on air geschaltet und nach ihrer Expertise befragt. Griffin hatte in der Vergangenheit unter anderem drei Jahre lang als Korrespondentin aus Moskau für den Sender gearbeitet. Inzwischen ist sie Korrespondentin für nationale Sicherheit.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

„Ich habe gerade deinen letzten Gast gehört“, beginnt Griffin das Gespräch mit ihrem Kollegen Trey Gowdys im Studio. „Ich habe das Gefühl, ich muss einige Dinge korrigieren, die Douglas Macgregor gesagt hat. Und ich glaube nicht, dass zehn Minuten dafür reichen werden.“ Und dann legt Griffin los: Es seien „so viele Verzerrungen in dem“ gewesen, „was er gerade gesagt hat“. Die Zuschauerinnen und Zuschauer hätten es verdient, darüber aufge­klärt zu werden.

„Ich glaube nicht, dass irgendjemand, mit dem ich im Pentagon oder anderswo im westlichen Geheimdienst gesprochen habe, glaubt zu wissen, wie weit Putin gehen will“, kontert die Korrespondentin. Danach macht sie deutlich, dass einige der Richtlinien, die Macgregor befürwortet hatte, als er für die Trump-Administration arbeitete, überhaupt erst dazu beigetragen hatten, Putin Mut zu machen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

„Er liegt völlig daneben“

So sei Colonel Macgregor beispielsweise derjenige gewesen, der Trump geraten habe, alle Truppen aus Deutschland abzuziehen. „Diese Projektion der Schwäche hat Putin dazu gebracht zu glauben, er könnte in ein souveränes Land wie die Ukraine einmarschieren“, ist Griffin überzeugt.

Auch nachdem Don Bolduc seine Meinung bei Fox News vertreten durfte, meldete sich Griffin zu Wort. „Ich muss auf das reagieren, was dein Gast zuvor gesagt hat“, beginnt Griffin wieder die Unterhaltung mit ihrem Kollegen. „Don Bolduc lag völlig daneben, als er davon sprach, was die USA vor Ort tun könnten.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Putin habe Atomwaffen, warnt Griffin. „Deshalb haben das US-Militär und die Nato keine Bodentruppen in der Ukraine. (…) Offensichtlich ist Brigadegeneral Bolduc kein Geschichts­student – er ist Politiker, er hat für den Senat in New Hampshire kandidiert und ist gescheitert. Er ist kein Militärstratege. Und zu behaupten, dass die USA indirektes Feuer oder Spezialoperationen oder die CIA vor Ort einsetzen würden (…) ist in einer Zeit wie dieser äußerst gefährliches Gerede.“

Auch Kollegen werden korrigiert

Und auch eigene Fox-Kolleginnen und -Kollegen korrigierte Griffin in ihren Sendungen. Harris Faulkner, Moderatorin der Sendung „Faulkner Focus“ suggerierte beispielsweise, Präsident Joe Biden habe vor der Invasion nicht genug getan, um den Krieg in Europa zu verhindern.

Griffin stellt klar: „Wenn Sie diese Nato-Truppen in Position gebracht hätten, bevor Putin in die Ukraine eingedrungen wäre, hätten Sie ihm einen Vorwand gegeben, in die Ukraine einzumarschieren. In diesem späten Stadium gab es nur sehr begrenzte Möglichkeiten.“

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Schon in den Tagen vor der Invasion hatte die Korrespondentin immer wieder auch Fox-Kolleginnen und -Kollegen on air korrigiert. Sean Hannity, neben Tucker Carlson ein weiterer prominenter Abendmoderator des Senders, hatte vor Putins Einmarsch beispielsweise ebenfalls versucht, US-Präsident Joe Biden die Schuld für den Konflikt in die Schuhe zu schieben, ähnliche Töne waren auch in anderen Sendungen zu hören, etwa in der Morningshow „Fox & Friends“.

Griffin konterte: „Sean, wie wir an diesen Punkt gekommen sind, ist eine lange Geschichte, die älter ist als die Biden-Administration. Der Konflikt geht weit zurück und beinhaltet Fehler, die jeder US-Präsident seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gemacht hat.“

„Die einzige Erwachsene im Raum“

Auch in der Meinungsshow „The Five“ trat Griffin auf. Hier behaupteten die Co-Moderatoren Greg Gutfeld und Lisa „Kennedy“ Montgomery, der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan habe die Drohung einer Invasion erfunden, um von sich und Hillary Clinton in der Durham-Affäre abzulenken. Auch hier widersprach Griffin vehement.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das unermüdliche Fact-Checking der Fox-Korrespondentin hat längst das Interesse anderer US-Medien geweckt. „The Daily Beast“ schrieb über Griffin mit der Überschrift: „Diese Fox-News-Reporterin ist die einzige Erwachsene im Raum“. Und die „Washington Post“ titelte: „Jennifer Griffin überprüft weiterhin die Fakten ihrer Kollegen von Fox News zur Ukraine“.

Der Artikel wiederum kam dann in der Fox-Show „Media Buzz“ zur Sprache. Griffin erklärte in der Sendung: „Ich bin hier, um Fakten zu überprüfen, weil ich über Fakten berichte. Und meine Aufgabe ist es, die Wahrheit so gut wie möglich herauszufinden. Ich teile diese Fakten intern, damit unser Netzwerk genauer sein kann. Das habe ich immer gemacht.“

Nachrichten und Meinungsshows

Das Konstrukt Fox News ist seit jeher ein kurioses. Ins Leben gerufen wurde der Kanal einst von Rupert Murdoch mit dem Ziel, dem angeblich links ausgerichteten amerikanischen Medienmainstream etwas entgegenzusetzen.

Während der Amtszeit Trumps wurde der Sender etwa vom „New York Times“-Autor David Enrich als „Cheerleaderin eines vom Fernsehen besessenen Präsidenten“ beschrieben. Adrian Daub, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Stanford, beschrieb die Berichterstattung des Senders gegenüber dem RND als stark propagandistisch und vergleichbar mit den Berichten eines Staatssenders in einem autoritären Staat.

Weiterlesen nach der Anzeige
Weiterlesen nach der Anzeige

Das Programm des Senders ist aber etwas komplexer. Tagsüber sind dort nämlich durchaus auch seriöse Nachrichten zu finden, etwa mit den Einschätzungen von Jennifer Griffin. Diese Nachrichten werden dann allerdings in den Meinungssendungen am Abend von den Star­moderatoren Tucker Carlson, Sean Hannity und Laura Ingraham zu einem wilden Mix von Meinung, verdrehten Fakten und Verschwörungserzählungen zusammengerührt.

Carlson beleidigt Griffin indirekt

Bei Tucker Carlson scheinen die Bemühungen seiner Kollegin bislang nicht gefruchtet zu haben. Im Gegenteil: Er kritisierte Griffin in seiner Abendshow am Dienstag indirekt. Als Gast lud Carlson ausgerechnet Colonel Macgregor ein – und damit den Mann, den Griffin zuvor hart für seine fehlerhaften Einschätzungen kritisiert hatte.

„Im Gegensatz zu so vielen Fernsehgeneralen, die man den ganzen Tag sieht, strebt MacGregor nicht nach einem Vorstandssitz bei Raytheon“, sagte Carlson. Und weiter: „Im Gegensatz zu vielen der sogenannten Reporter, die Sie im Fernsehen sehen, handelt er nicht heimlich als Presseagentin für Lloyd Austin im Pentagon. Nein, Doug MacGregor ist ein ehrlicher Mann.“

Sogenannte Reporter? Was genau Carlson damit meint, ließ er in der Sendung offen – seine kleine Attacke war so schwammig formuliert, wie vieles in den Fox-Meinungssendungen. Dass die Beleidigung an seine Fox-Kollegin Jennifer Griffin gerichtet war, gilt aber als wahr­scheinlich.

Mehr aus Medien

 
 
 
 
 
Anzeige
Anzeige
Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Outbrain UK Ltd, der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.

 

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Letzte Meldungen

 
 
 
 
 
 
 
 
 

Spiele entdecken