Fiction-Serie „Joe vs. Carole“: Neues vom „Tiger King“
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Unternehmer Joe Exotic (John Cameron Mitchell) macht Geld mit großen Katzen, zu denen er sich auch selbst hingezogen fühlt.
© Quelle: Mark Taylor/Peacock
Die Dokumentarserie „Tiger King“ erzielte Netflix märchenhafte Abrufzahlen. Es war also nur eine Frage der Zeit, bis die aberwitzige Realsatire vom texanischen Raubtierzüchter Joe Exotic im Krieg mit der Raubtierschützerin Carole Baskin aus Florida fiktional ausgeschlachtet wurde.
Im Auftrag des NBC-Portals Peacock hat Showrunner Etan Frankel ein Spin-off der weltweit erfolgreichen Doku-Serie gedreht. Wobei sein Titel „Joe vs. Carole“ (ab 4. März bei Sky) zunächst mal nahelegt, es gehe um den Streit zweier Charaktere, die ihre Leidenschaft für Großkatzen extrem, vor allem aber extrem unterschiedlich ausleben. Wenn die Kamera Carole Baskin (Kate McKinnon) zu Beginn durchs komplett getigerte Haus folgt und die Polizei sie vor einem Auftragskiller warnt, bleibt kaum Raum für Zwischentöne.
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Die „guten“ Großkatzenfreunde, die Joe Exotic zur Strecke bringen wollen: Tierschützerin Carole Baskin (Kate McKinnon) mit ihrem liebevollen Ehemann (Kyle McLachlan).
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Duell zweier exzentrischer Charaktere
Und das ändert sich auch wenig, als Regisseur Justin Tipping nach einer Waffenshoppingtour von Baskin mit ihrem Mann (grandios: „Twin Peaks“-Star Kyle MacLachlan) sieben Jahre zurück in Caroles real existierende Hilfsorganisation Big Cat Rescue zoomt. Dort nämlich befreit sie Tiger aus den Fängen gewissenloser Privatzoobesitzer wie Joseph Allen Maldonado-Passage alias Joe Exotic geb. Schreibvogel (John Cameron Mitchell), der exakt so schrill ist wie das Original, aber damals noch nicht so bekannt, wie er es dank Carole (Kate McKinnon) bald werden wird.
Denn als sie dem selbst erklärten „Tiger King“ auf die Spur kommt, der seine Großkatzen zu Showzwecken durchs Land karrt, also Tierausbeutung mit Tierliebe verwechselt, beginnt ein Duell exzentrischer Charaktere, das befeuert von den (2009 noch jungen) sozialen Medien zusehends rücksichtslos ausgefochten wird. Mord und Totschlag, Sabotage und Verrat, Tigergebrüll und Menschengeschrei – reichlich Stoff also für eine Actionserie mit Endlospotenzial, in der bizarre Figuren in bizarrer Verkleidung bizarre Sachen machen.
Schwuler Nerd im homophoben Texas
Zum Glück aber ist der Siebenteiler keine frei interpretierte Fantasiefassung der Netflix-Vorlage. Grob basierend auf dem Podcast „Over My Dead Body“, taucht Etan Frankels Autorenkollektiv weit tiefer in Persönlichkeiten ein, als es die Dokumentation vermag. Wenn wir den jungen Joe Schreibvogel als schwulen Nerd im homophoben Texas erleben, den ein geschenktes Tigerbaby vorm Suizid bewahrt, wird seine Obsession ebenso spürbar wie jene der jungen Carole Stairs Jones, die ihre Missbrauchserlebnisse schon in der Schule mit maximalem Gerechtigkeitssinn kompensiert.
Es geht bei „Joe vs. Carole“ also nur vordergründig um eine Konfrontation mit grandiosem Schauwert. Hintergründig skizzieren hier zwei Überzeugungstäter und -opfer, was einer Gesellschaft widerfährt, die nur noch über- statt miteinander redet, deren kleinster gemeinsamer Nenner also in der gegenseitigen Verachtung selbst unwesentlich unterschiedlicher Haltungen besteht. Weil die Serie – zumindest in den drei Auftaktfolgen – nebenbei wunderbar dezente Liebesgeschichten erzählt, ist die Auseinandersetzung von Hinterwälder und Gutmensch das sehenswerte Psychogramm einer gekränkten Nation im Ringen mit sich selbst.