Moderatorin Dunja Hayali: “Ich habe fast täglich mit Rassismus zu tun”
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Dunja Hayali, Moderatorin und Journalistin, ist ab dem 16. Juli wieder in ihrem gleichnamigen Talkformat zu sehen.
© Quelle: Gregor Fischer/dpa
Am 16. Juli beginnt wieder Ihr Talkformat “Dunja Hayali”. Können Sie schon verraten, welche Gäste Sie unter anderem erwarten?
Das Thema der ersten Sendung wird die Altenpflege sein, die ja in den letzten Monaten mehr Aufmerksamkeit und plötzlich auch mehr Wertschätzung erfahren hat. Aber das reicht nicht. Die Rahmenbedingungen müssen sich deutlich verbessern, sagen die Betroffenen – Pfleger wie Bewohner. Mit Jens Spahn als Gast haben wir den richtigen Ansprechpartner gewinnen können. Im Anschluss wird es nun immer ein Eins-zu-eins-Gespräch geben. Das kann an die Thematik zuvor anschließen, muss es aber nicht.
Können Sie schon weitere Themen nennen?
Natürlich kann man, wie ich jetzt mit der Pflege, ein (Herzens-)Thema setzen, aber die Aktualität kann auch immer alles auf den Kopf stellen. Sprich: Alles, was ich jetzt sage, kann morgen anders sein. Im Rennen sind zurzeit, auch weil sie vielfältig in der Gesellschaft diskutiert werden, die Themen (häusliche) Gewalt, Rassismus, Bildung, Massentierhaltung – die gravierenden Missstände in den jeweiligen Bereichen hat uns auch Corona noch mal vor Augen geführt. Definitiv schauen wir, wo wir fünf Jahre nach “Wir schaffen das” stehen. Europäisch, aber auch hier bei uns.
Glauben Sie, dass wir am Ende der Corona-Krise auch Vorteile daraus ziehen werden?
Ich bin davon überzeugt, dass wir durch Corona nachhaltige Veränderungen in gewissen Bereichen sehen werden. Es wird bestimmt dazu kommen, dass das eine oder andere Unternehmen merkt, dass Homeoffice doch gut funktioniert. Ich glaube, dass viele erkannt haben, auf wie viele Reisen man – privat, aber insbesondere im beruflichen Kontext – verzichten kann. Allerdings muss ich auch sagen, reisen und damit über den Tellerrand gucken bildet. Meine Herzensbildung und meine Empathie sind mit Sicherheit durch das Reisen in die ärmsten Gegenden der Welt entstanden. Deshalb bin ich da ein bisschen zwiegespalten.
Durch Corona gab es auch im Sport viele Veränderungen. Wie war diese Saison für Sie als Fußballbegeisterte?
Dadurch, dass Borussia Mönchengladbach am Ende der Saison auf Platz vier steht und ich damit Champions League spiele, ist das wunderbar gelaufen. Grundsätzlich war ich aber sehr zwiegespalten, als die Diskussion anfing, ob der Fußball wieder starten soll und Kunst, Kultur, Schulen, Kitas und vieles andere nicht gleichziehen durften. Das Signal in die Gesellschaft hinein fand ich schwierig.
Sie setzen sich schon länger gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ein.
Es heißt Menschenfeindlichkeit. Denn wer genau ist denn fremd? Mit diesem Wort werden oft auch Menschen wie Mitri (Anm. der Red.: gemeint ist Fernsehmoderator Mitri Sirin) und ich gemeint, obwohl wir beide in Deutschland geboren wurden. Wir sind aber nicht fremd. Bei mir kommt es oft auf den Ton und die Intention an. So habe ich zum Beispiel mit der Frage “Wo kommst du her?” kein Problem, solange mein Gegenüber mir damit nicht mit Absicht suggerieren will, dass ich ja unmöglich aus Deutschland stammen kann. Wenn er die Frage also aus Interesse und Erkenntnis stellt, ist er in meinen Augen kein Rassist. Wer das so sieht, diskriminiert den Fragenden.
Wie erleben Sie die derzeitige Zeit mit Black Lives Matter, Demos gegen Rassismus und Polizeigewalt?
Ich frage mich immer: Woher kommen der Hass und der Rassismus? Woher kommt die Angst vor dem Unbekannten? Warum schwindet die Achtung vor anderen Menschen immer mehr? Es gibt diesen Satz, den ich vor mir hertrage: Behandele jeden so, wie du auch behandelt werden willst. Ich scheitere daran auch zwischendurch, aber es ist ein guter Leitgedanke. Ich würde mir wünschen, dass wir mit dem Thema und auch mit der Chance, die jetzt da ist, sensibel umgehen und die Menschen, die Rassismuserfahrungen haben, aber auch die Menschen, die an unserer Seite stehen und mit uns gegen Rassismus kämpfen, achtsam sind in diesen Diskussionen und niemanden direkt vor den Kopf stoßen. Wir gucken zu Recht auf Halle, Hanau, auf den Mord an Walter Lübcke und auf vieles mehr. Die großen Anschläge sind es, die die Gesellschaft aufrütteln und schockieren, der Alltagsrassismus sorgt dafür, dass Teile der Gesellschaft mürbe gemacht werden. Dazu müssen wir uns Konzepte überlegen, wie wir diesen strukturellen Rassismus aus den Köpfen kriegen.
Haben Sie persönlich Erfahrungen mit Alltagsrassismus gemacht?
Ja, das fängt online an mit Beleidigungen und Morddrohungen bis hin zu Beschimpfungen und Angriffen auf der Straße. Bei mir ist es, glaube ich, auch die Mischung aus verschiedenen Dingen: Ich habe Migrationsvordergrund, ich arbeite unter anderem für den ÖRR, ich bin eine Frau – oft geht Rassismus auch Hand in Hand mit Sexismus, gerade wenn er von rechts außen kommt. Ich habe damit, seitdem ich beim ZDF bin, fast täglich zu tun.
Sie haben auf Facebook geschrieben, dass man – speziell am Beispiel Rassismus – nicht pauschalisieren sollte. Wie schaffen Sie es, nicht in solche Pauschalurteile zu verfallen?
Ich schaffe es oft, aber nicht immer. Wenn ich merke, dass ich ein Vorurteil in mir habe, versuche ich, zu hinterfragen, wo das herkommt, und gleiche es mit der Realität, meiner Realität, in der ich mich bewege, ab. In der Regel stelle ich dann fest, dass das mit dem Menschen, dem ich gerade begegne, nichts zu tun hat.
Die Talkshow “Dunja Hayali” läuft ab dem 16. Juli jeweils donnerstags ab 22.15 Uhr im ZDF.