Reaktion auf Pegida und Co.: Medien nennen häufiger die Herkunft von Straftätern

Anhänger der Alternative für Deutschland (AfD) halten ein Schild mit der Aufschrift „Lügenpresse“. Medien haben offenbar darauf reagiert, hat eine Studie nun herausgefunden.

Anhänger der Alternative für Deutschland (AfD) halten ein Schild mit der Aufschrift „Lügenpresse“. Medien haben offenbar darauf reagiert, hat eine Studie nun herausgefunden.

Stuttgart. Woher ein Straftäter kommt, ist für eine Nachricht in der Regel irrelevant – das war über viele Jahre Konsens unter Journalisten. Fest verankert war dieser sogar im Pressekodex: Hier hieß es in Ziffer 12.1., die Nennung der Herkunft solle unterbleiben, solange sie „keinen begründbaren Sachbezug“ zur Tat habe. Sie könne schließlich zur Diskriminierung einer ganzen Gruppe führen.

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Seit ein paar Jahren ist das anders. Der Passus im Pressekodex wurde inzwischen geändert – aus dem „begründbaren Sachbezug“ wurde das „begründete öffentliche Interesse“. Und auch Journalisten nennen heute deutlich häufiger die Herkunft von Straftätern. Das hat eine Studie von Thomas Hestermann, Journalismusforscher an der Hochschule Macromedia, herausgefunden.

Nennung der Herkunft viermal so häufig

Für die Analyse im Auftrag des Mediendienstes Integration hat der Forscher Fernsehbeiträge zwischen 2014 und 2019 miteinander verglichen. Das Ergebnis: Spielte im Jahr 2014 in Medienberichten die Herkunft von Tätern kaum eine Rolle (4,8 Prozent), war die Nennung bereits im Jahr 2017 viermal so häufig (17,9 Prozent).

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2019 zählte Hestermann noch ein weiteres Mal nach. Auch hier erstaunt das Ergebnis: In den vergangenen Jahren verdoppelte sich die Angabe der Herkunft noch einmal. Die Nennung der Herkunft geschieht heute in 31,4 Prozent aller Fälle.

Interessant: Seit 2014 nannten Sender vor allem dann die Herkunft von Straftätern, wenn diese Ausländer waren. In den vergangenen Jahren wurde laut der Untersuchung auch häufiger die deutsche Herkunft genannt.

Die Polizeistatistik spricht eine andere Sprache

Eine enorme Verzerrung der Realität gibt es dennoch: Die Polizei nahm 2018 nämlich mehr als doppelt so viele deutsche Tatverdächtige wie ausländische Tatverdächtige fest. In Fernsehberichten kamen hingegen mehr als acht ausländische Tatverdächtige auf einen deutschen.

Die größte Verzerrung habe es laut Hestermann im Jahr 2017 gegeben. In diesem Jahr wurden ausländische Staatsangehörige 25-mal so häufig genannt, wie es nach der polizeilichen Kriminalstatistik plausibel wäre. 2019 wurden sie noch 19-mal so häufig genannt. Ein ähnlicher Trend lasse sich in Berichten überregionaler Zeitungen ablesen: Sie verweisen noch häufiger auf Täterherkunft als das Fernsehen (44,1 Prozent).

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Doch warum ist das so? Hestermann erklärt das laut einem Beitrag des Deutschlandfunks mit den „Lügenpresse“-Rufen, die sich gegen die Medien richten: „Nicht Lügenpresse, nicht Lückenpresse sein, nichts beschönigen, nichts Wichtiges weglassen – dieser Anspruch lastet auf den Journalistinnen und Journalisten“, so der Forscher. Einen Wendepunkt stelle vor allem die Kölner Silvesternacht 2015/2016 dar – kurz darauf hatte auch der Deutsche Presserat seinen Diskriminierungspassus geändert.

Messerangreifer heißen Michael, Daniel und Andreas

Die Hochschule hält die Ergebnisse der Studie für gravierend. Insbesondere bei Messergewalttaten würde der Eindruck entstehen, ausschließlich Eingewanderte und Geflüchtete griffen zu dieser Tatwaffe. Nach einem Lagebild der saarländischen Polizei etwa seien die häufigsten Vornamen von Messerangreifern jedoch Michael, Daniel und Andreas.

„Im deutschen Fernsehen dagegen heißen die Messerstecher Sayed, Alaa oder Ahmad. Stechen deutsche Gewalttäter zu, wird ihre Herkunft in kaum einem der untersuchten Fernseh- und Zeitungsbeiträge erwähnt“, heißt es in der Erklärung der Forscher.

„Nicht den Populisten entgegenkommen“

Kritik an dem Trend gibt es von Verbänden wie etwa dem Deutschen Journalisten-Verband. Sebastian Scholz, Geschäftsführer des DJV Thüringen, erinnert in einer Mitteilung an die Verantwortung von Journalistinnen und Journalisten: „In der Richtlinie 12.1 des Pressekodex ist eindeutig festgehalten, dass Zugehörigkeiten zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nur erwähnt werden, wenn ein begründetes öffentliches Interesse besteht.“

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Reine Neugier sei kein geeigneter Maßstab für presseethisch verantwortliche Abwägungen, so Scholz. Auch die Nennung der Zugehörigkeiten durch Behörden oder die Polizei entbinde nicht von der redaktionellen Verantwortung.

„Die Untersuchung beweist, dass der von Rechtspopulisten bis auf den heutigen Tag erhobene Vorwurf, die Medien würden die Nationalität von Straftätern systematisch verschweigen, völlig haltlos ist“, so Scholz weiter. „Und die Studie zeigt noch eines: Egal, wie sehr man meint, den Forderungen von Populisten entgegenkommen zu müssen – letztendlich werden diese dennoch nicht von ihren ungerechtfertigten Vorwürfen abrücken.“




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